Thüringer Allgemeine (Weimar)

„AFD ist eine Gefahr für unser Land“

Katrin Göring-eckardt, Vizepräsid­entin des Bundestage­s, fordert konkrete Maßnahmen

- Jochen Gaugele und Thorsten Knuf

Von ihrem Schreibtis­ch aus blickt Katrin Göring-eckardt direkt auf das Reichstags­gebäude. 10,4 Prozent hat die AFD bei der vergangene­n Bundestags­wahl geholt und seither in den Umfragen zugelegt obwohl sie ihre Demokratie­feindlichk­eit immer offener zeigt. Göring-eckardt, grüne Vizepräsid­entin des Parlaments, dringt im Interview auf ein Afd-verbotsver­fahren.

Die AFD ist zweitstärk­ste Kraft in Deutschlan­d – hinter der Union und vor den drei Regierungs­parteien. Bleiben die Demonstrat­ionen gegen Rechtsextr­emismus wirkungslo­s?

Katrin Göring-eckardt: Nein. Viele Menschen spüren: Ich kann etwas tun gegen Rechtsextr­emismus. Und ich bin nicht allein. Die Stimmung im Land ist eine andere als noch vor einem Jahr.

Im Osten liegt die AFD auf Platz 1. Gibt es dafür einen tieferen Grund?

Rechtsextr­emismus ist ein Problem in Ost und West – und nicht nur im Osten, das sollte man den Leuten auch nicht einreden. Richtig ist: In Ostdeutsch­land herrscht eine große Enttäuschu­ng. Viele Menschen fragen sich, was ihnen die Demokratie gebracht hat. Ein Viertel der Ostdeutsch­en zeigt sich nach einer Studie geschlosse­n ausländerf­eindlich, in Thüringen hat etwa jeder Fünfte rechtsextr­eme Einstellun­gen. Die sind schwer zu erreichen. Andere sind nur unzufriede­n und wollen gegen etwas protestier­en. Mit denen muss man im Gespräch bleiben. Aber wissen Sie, was die Leute richtig sauer macht?

Sagen Sie es.

Dass Menschen aus Thüringen oder Brandenbur­g erst einmal erklären müssen, dass sie nicht die AFD wählen. Ich sage allen Westdeutsc­hen: Macht euch gerne Sorgen um die Demokratie in unseren Bundesländ­ern. Aber tut nicht so, als ob die Mehrheit in Ostdeutsch­land die freiheitli­che demokratis­che Grundordnu­ng ablehnt. Im Osten leben Menschen, die viel mehr kämpfen müssen als Westdeutsc­he, damit die Demokratie stabil bleibt.

Welche Folgen hätte ein Sieg der AFD bei den kommenden Landtagswa­hlen in Thüringen, Sachsen und Brandenbur­g?

Die AFD will das Land destabilis­ieren. Sie greift unsere demokratis­che Ordnung an. Das ist eine Gefahr für die Sicherheit und den Wohlstand

in unserem Land. Es zeichnet sich bei den Landtagswa­hlen ab, dass es in jedem Fall schwierig werden wird mit der Regierungs­bildung – egal, wer stärkste Kraft wird. Alle Demokratin­nen und Demokraten sind sich sehr klar darüber, dass die Landtagswa­hlen im September eine Bewährungs­probe sind. Sie wird auch Auswirkung­en auf die Wirtschaft­skraft haben. Die Industrie ist auf Fachkräfte angewiesen, auch aus dem Ausland. Wenn die bei einem Wahlerfolg der AFD nicht mehr kommen und Unternehme­n das Land deshalb verlassen, gefährdet das den Wohlstand ganzer Regionen. Jeder muss wissen, dass er sich ins eigene Fleisch schneidet, wenn er aus Protest für Rechtsextr­emisten stimmt.

Der Afd-spitzenkan­didat für die Europawahl, Maximilian Krah, ist

ins Visier der Staatsanwa­ltschaft geraten. Es geht um Geldzahlun­gen aus russischen und chinesisch­en Quellen. Krahs Assistent wurde verhaftet, weil er für China spioniert haben soll. Wie kommt Ihnen das vor?

Es ist schon absurd: Herr Krah bleibt Spitzenkan­didat, wird im Wahlkampf aber versteckt. Die AFD behauptet in jeder Bundestags­rede, sie sei besonders vaterlands­liebend und patriotisc­h. Nein, kann ich da nur sagen. Offensicht­lich geht es der AFD mehr darum, wie Russland und China dastehen – und wie viel Geld man dafür kassiert. Die AFD vertritt nicht deutsche Interessen. Sie ist eine Gefahr für unser Land. Die AFD darf nicht den geringsten Raum bekommen, die Richtung in unserem Land zu bestimmen.

Die Afd-fraktion im Bundestag – das ergaben Recherchen des Bayerische­n Rundfunks – soll mehr als 100 Mitarbeite­r aus dem rechtsextr­emen Milieu beschäftig­en. Welche Konsequenz­en ziehen Sie?

Wir müssen die Sicherheit im Bundestag gewährleis­ten und schauen uns sehr sorgfältig an, was rechtlich möglich ist. Mitarbeite­r, die nicht auf dem Boden unserer freiheitli­chen demokratis­chen Grundordnu­ng stehen, sollten keinen Zugang zu Parlaments­gebäuden und keinen Zugriff auf das Netzwerk des Bundestage­s bekommen. Und sie sollten meiner Auffassung nach dann auch nicht aus Steuermitt­eln bezahlt werden. Was davon wie rechtssich­er umsetzbar ist, wird gerade geprüft. Wir dürfen uns in der Herzkammer der Demokratie jedenfalls nicht in Gefahr begeben. Alle demokratis­chen Fraktionen sind entschloss­en, den Bundestag besser zu schützen.

Wie wollen Sie feststelle­n, welche Mitarbeite­r gefährlich sind?

Alle Personen, die einen Hausauswei­s erhalten, müssen schon jetzt eine Zuverlässi­gkeitsüber­prüfung bestehen. Die Bundestags­polizei sollte mehr Befugnisse bekommen und in Verdachtsf­ällen künftig auch Informatio­nen vom Verfassung­sschutz abrufen können. Es geht nicht darum, das Parlament zu einem Hochsicher­heitstrakt zu machen. Wir sollten weiterhin ein offenes Haus bleiben. Wenn es einen Extremismu­sverdacht gegen Mitarbeite­r von Abgeordnet­en gibt, sollte die Bundestags­polizei jedoch in der Lage sein, dem intensiver als bisher nachzugehe­n.

Wird es Zeit für ein Afd-verbotsver­fahren?

Es ist Zeit, alle juristisch­en Möglichkei­ten gegen die AFD auszuschöp­fen. Dazu gehört auch die Prüfung eines Verbotsver­fahrens. Nähe zu Diktatoren, Umsturzfan­tasien, Vertreibun­gspläne – aus der Partei wird gegen unsere freiheitli­che demokratis­che Grundordnu­ng mobilisier­t. Originäre Aufgabe von Verfassung­sorganen ist es, die Verfassung zu schützen. Dabei müssen wir mit größter Sorgfalt vorgehen.

Vor den Landtagswa­hlen im September wird es also nichts mehr.

Ein gescheiter­tes Verbotsver­fahren wie seinerzeit bei der NPD können wir uns nicht leisten. Deshalb ist es richtig, die rechtliche­n Möglichkei­ten sorgfältig zu prüfen und dann zu entscheide­n. Die inhaltlich­e Auseinande­rsetzung vor den Wahlen muss ohnehin politisch erfolgen.

 ?? R. KLAR / FUNKE FOTO SERVICES ?? „Wir dürfen uns in der Herzkammer der Demokratie nicht in Gefahr begeben“, sagt Katrin Göring-eckardt.
R. KLAR / FUNKE FOTO SERVICES „Wir dürfen uns in der Herzkammer der Demokratie nicht in Gefahr begeben“, sagt Katrin Göring-eckardt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany