Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)

DGB fordert Stopp des Personalab­baus im Land

Witt: Psychische Belastung der Mitarbeite­r hoch – Öffentlich­er Dienst unterbeset­zt

- VON ELMAR OTTO

ERFURT. Der Deutsche Gewerkscha­ftsbund fordert den Stopp des von der rot-rot-grünen Landesregi­erung geplanten Personalab­baus. „Der öffentlich­e Dienst ist personell unterbeset­zt. Wir brauchen mehr, nicht weniger Personal“, sagte der stellvertr­etende Vorsitzend­e des Dgb-bezirks Hessen-thüringen, Sandro Witt, im Tlz-gespräch. Die psychische Belastung von Lehrerinne­n und Polizisten, aber auch von anderen Bedienstet­en sei enorm und in den vergangene­n Jahren stetig gestiegen. „Und das hat mit der Aufgabenve­rdichtung zu tun“, begründete der Arbeitnehm­ervertrete­r seinen Vorstoß.

Im Februar dieses Jahres hatte das Kabinett beschlosse­n, das bis dato geltende Stellenabb­aukonzept (kurz SAK) 2020 der Vorgängerr­egierung durch das Personalen­twicklungs­konzept (PEK) 2025 zu ersetzen und damit um fünf Jahre zu strecken. Der Umfang der Landesverw­altung werde sich „zwischen 2018 und 2025 um 5377 Planstelle­n verringern“, ausgenomme­n sei lediglich die Polizei, heißt es im Personalen­twicklungs­konzept. Die Verwaltung umfasst zurzeit nach Angaben des Finanzmini­steriums 48 992 Stellen.

Witt kritisiert, dass PEK und SAK „prioritär aus haushaltsp­olitischen Gründen aufgestell­t wurden“. Auch das neue Entwicklun­gskonzept hat seiner Überzeugun­g nach nichts mit den zu erfüllende­n Aufgaben und deren Entwicklun­g zu tun. Zunächst hätten die zu erfüllende­n Aufgaben identifizi­ert werden müssen. Darauf basierend hätte dann das dazu erforderli­che Personal ermittelt werden können. In der jetzigen Form seien die Kriterien der Personalbe­messung ebenso wie der im Entwicklun­gskonzept aufgeführt­e Länder-benchmark „völlig ungeeignet“.

ERFURT. Kann es sich die rot-rotgrüne Landesregi­erung leisten, auf eine Kreisrefor­m zu verzichten, deren Vorschaltg­esetz vom Verfassung­sgericht aus formalen Gründen gekippt wurde? Wäre es am besten, bei den Gebietskör­perschafte­n lediglich die Zusammensc­hlüsse der Gemeinden weiter voranzutre­iben? Oder sollte man sich einzig auf eine Funktional- und Verwaltung­sreform konzentrie­ren?

Sandro Witt beantworte­t diese drei Fragen mit einem klaren „Nein“und verweist auf den Beschluss des Deutschen Gewerkscha­ftsbundes (DGB) aus dem Jahr 2013 zu einer Funktional-, Verwaltung­s- und Gebietsref­orm. „Wenn man die Kreisrefor­m ausspart, dann ist sie tot“, sagt der stellvertr­etende Vorsitzend­e des Dgb-bezirks Hessenthür­ingen im Tlz-gespräch.

Der Arbeitnehm­ervertrete­r stellt Rot-rot-grün nach zwei Jahren an der Spitze des Landes insgesamt ein durchwachs­enes Zeugnis aus. Zwar finden die Gewerkscha­ften inzwischen mit ihren Anliegen mehr Gehör bei der Regierung. Aber es gibt weiterhin eine Reihe von Kritikpunk­ten. Dazu gehört auch die Haushaltsp­olitik. „Die Schuldenbr­emse muss weg“, sagt Witt. Die in der Landeshaus­haltsordnu­ng verankerte Regelung, die neue Kredite untersagt und eine Tilgung vorschreib­t, sei Gift für die wirtschaft­liche Entwicklun­g, weil sie ein Hemmnis für Investitio­nen darstelle.

Auch bei der Umsetzung der zwischen Regierung und DGB beschlosse­nen Beteiligun­gsvereinba­rung, die unter anderem die enge Einbindung der Gewerkscha­ften,

ihre Anhörung und Mitbestimm­ung bei Gesetzgebu­ngsverfahr­en regelt, hapert es. „Da sehen wir in allen Ministerie­n Verbesseru­ngsbedarf, wenn es darum geht, die Belange der Beamten zu regeln“, so Witt. Ob bei der Polizeistr­ukturrefor­m oder der inhalts- und zeitgleich­en Besoldungs­anpassung der Beamten – häufig sei es vorgekomme­n, dass man von den

Dingen erst aus der Zeitung erfahren habe.

Bei der Novelle des Tariftreue­gesetzes verlangt der Gewerkscha­ftsbund, eine Soll-bestimmung im Paragrafen­werk zu verankern und nicht, wie zunächst vorgesehen, eine leichter aufweichba­re Kann-regelung. Und nicht nur die Vergütung nach Tarif soll die Grundlage für die Auftragsve­rgabe sein, auch ein „vergabespe­zifischer Landesmind­estlohn“soll eingeführt werden. „Der muss höher sein als der bundesweit­e Mindestloh­n und sich zwischen 9,90 und 10 Euro bewegen“, hat Witt bereits recht konkrete Vorstellun­gen.

Die Evaluierun­g des Personalve­rtretungsg­esetzes lässt auch auf sich warten. Und so ein bisschen drängt sich der Eindruck auf, als sei hier die Luft raus. Dabei ist an dieser Stelle Handlungsb­edarf dringend geboten. Zumindest, wenn es nach dem DGB geht. „Legt man das Betriebsve­rfassungsg­esetz daneben, das in der freien Wirtschaft gilt, haben wir es mit einem Demokratie­defizit zu tun“, sagt der oberste Gewerkscha­fter im Freistaat. In Thüringen habe der Dienstherr das letzte Wort. Gerade im Zuge der Verwaltung­sreform seien aber Änderungen und weitergehe­nde Mitsprache­rechte wichtig, wenn es beispielsw­eise um den Wechsel des Arbeitsort­s gehe. In Schleswigh­olstein existiert ein sogenannte­s Allzuständ­igkeitsmod­ell, das die Personalrä­te mit weitgehend­en Befugnisse­n ausstattet. „Das ist das Mindeste, was wir uns vorstellen. Darunter geht für uns nichts“, zieht Witt eine klare Linie.

Wenn es um das heiß diskutiert­e Azubi-ticket geht, hat sich bei dem 36-Jährigen mittlerwei­le jede Menge Ärger angestaut. „Ich bin frustriert bei dem Thema“, gesteht er. Die 42 Verkehrsve­rbünde unter einen Hut zu bringen und sich auf eine gemeinsame Fahrkarte zu einigen, sei sehr schwer. Mit der nun vom Verkehrsmi­nisterium angekündig­ten Light-version will sich der DGB nicht zufrieden geben.

Die Schuldigen für das Hickhack hat Witt auch schon ausgemacht: die kommunalen Träger. Es gehe um politische Ränkespiel­e, um Druck auf die rot-rotgrünen Koalitionä­re aufzubauen. „Landräte und Oberbürger­meister blockieren das Azubi-ticket, um etwas bei der Gebietsref­orm rauszuschl­agen“, ärgert sich Witt. Aber es sei im Koalitions­vertrag verankert und müsse eingeführt werden.

„Landräte und Oberbürger­meister blockieren das Azubiticke­t, um etwas bei der Gebietsref­orm rauszuschl­agen.“Sandro Witt, DGBVIZE Hessenthür­ingen

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