Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)
Wenn im Alter Armut droht
Jeder Fünfte, der zwischen 2031 und 2036 in Rente geht, wird finanzielle Probleme haben – besonders Frauen
BERLIN. Was wird mit der Generation der sogenannten Babyboomer nicht alles verbunden: Hohe Einkommen, Einfluss in Politik und Wirtschaft, Kaufkraft. Nun zeigt eine Studie der renommierten Bertelsmann Stiftung eine andere Seite dieser Generation. Rund 20 Prozent derer, die heute Ende Vierzig sind, sind demnach bei Renteneintritt von Armut bedroht. Das heißt, jeder Fünfte, der zwischen 2031 und 2036 in Rente geht, muss statistisch im Alter deutlich kürzertreten. Im Jahr 2015 waren noch 16 Prozent der Neurentner armutsgefährdet.
Was sind die Ursachen?
Mehrere Jobwechsel und Phasen der Arbeitslosigkeit, Leiharbeit, befristete Verträge, dazu niedrige Löhne – das gehört für immer mehr Arbeitnehmer zum Alltag. Nach Ansicht der Studienautoren sind diese Faktoren die Hauptgründe für die wachsende Altersarmut. Außerdem sinkt das Rentenniveau durch die demografische Entwicklung. Das heißt, immer weniger junge Menschen in sozialversicherungspflichtigen Jobs müssen für mehr ältere Menschen aufkommen. Auch wurde durch Reformen das Niveau in der gesetzlichen Rente nach und nach abgesenkt.
Wen trifft es besonders?
Auch im Rentensystem trifft es zumeist die sozial Schwächeren. Vor allem Frauen, insbesondere alleinstehende Frauen. Laut Studie steigt der Anteil der Singlefrauen, die von staatlichen Leistungen abhängig werden, weil ihr Einkommen nicht fürs Leben reicht, von heute 16 auf nahezu 28 Prozent im Jahr 2036 an. Warum? Frauen treten oft für die Erziehung der Kinder beruflich kürzer, haben lange Phasen ohne Erwerbstätigkeit oder Teilzeitstellen. Zwar werden auch diese Erziehungszeiten in der Rentenberechnung gewertet, sind aber nicht vergleichbar mit einem Vollzeitjob. Betroffen von Altersarmut sind außerdem Menschen ohne Berufsausbildung, Langzeitarbeitslose und Menschen mit Migrationshintergrund.
Aber auch die Rentner in Ostdeutschland werden schlechter dastehen als heute – aus demografischen wie aus ökonomischen Gründen. „Für Haushalte in Ostdeutschland steigt das Armutsrisiko stark an“, heißt es in der Studie. Der Grund: In den 1990er- und frühen 2000er-jahren gab es in den neuen Bundesländern zeitweise eine hohe Arbeitslosigkeit.
Was ist eigentlich Altersarmut?
Rentner gelten als armutsgefährdet, wenn ihr Nettoeinkommen unter 958 Euro im Monat liegt. Nach dem aktuellen Alterssicherungsbericht der Bundesregierung liegt das durchschnittliche Haushaltsnettoeinkommen von älteren Ehepaaren derzeit bei 2543 Euro, das von alleinstehenden Männern bei 1614 Euro. Alleinstehende Frauen haben mit 1420 Euro schon heute ein geringeres Einkommen.
Wie kann gegengesteuert werden?
Der beste Schutz vor Altersarmut sind sozialversicherungspflichtige und fair bezahlte Jobs. Doch den Menschen, die diese jahrelang nicht hatten, hilft diese Erkenntnis wenig. Deshalb müsste die Politik zielgenaue Lösungen für Risikogruppen finden, fordern die Forscher. „Wir brauchen weitere Reformen für den Ruhestand: Wenn die Babyboomer-generation in Rente geht, könnte es zu einem bösen Erwachen kommen. Um das Alterssicherungssystem zukunftsfest zu gestalten, müssen wir es heute an die veränderten Rahmenbedingungen der Arbeitswelt anpassen“, sagt Aart De Geus, Vorstandsvorsitzender der Bertelsmann Stiftung. Die Wissenschaftler haben auch berechnet, wie sich viele der aktuellen Reformen wie etwa die Reform der Erwerbsminderungsrente oder die Pflicht zur betrieblichen Altersvorsorge auswirken würden. Das ernüchternde Ergebnis: Auch sie können den Trend nicht stoppen.