Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)
Weimars Nabucco in der Arena Verona
George Gagnidze hat am Wochenende die Eröffnungspremiere gesungen – Sein Rollendebüt in Verdis Oper gab er vor zwölf Jahren am DNT
VERONA/WEIMAR. Selbst für einen weltgewandten Heldenbariton wie George Gagnidze gibt es noch neue Erfahrungen im Leben: Am Freitag hat er in der Arena von Verona die Titelpartie in der diesjährigen Saisoneröffnungs-premiere „Nabucco“gesungen. Rund 18 000 Menschen kamen zu diesem Ereignis, um ihn in der berühmten Verdi-oper zu erleben – an der Seite von Tatiana Melnychenko als Abigail und Walter Fraccaro als Ismaele; Daniel Oren dirigierte. Ausgerechnet als Nabucco hatte Gagnidze auch 2005 am Deutschen Nationaltheater Weimar seine erste Hauptrolle; damals stand er mit Catherine Forster, die inzwischen als Wagner-heroine Karriere gemacht hat, auf der Bühne. Telefonisch erreichten wir ihn im sonnigen Italien.
Hallo Herr Gagnidze! Wie geht es Ihnen?
Super! Die Premiere ist prima gelaufen, das hat alles sehr gut geklappt. Das Publikum und die Presse waren begeistert. Ich habe meine Familie mit nach Italien genommen, weil die Kinder schon Ferien haben. Ich bin also rundum glücklich.
Wie fühlt sich das an, in solch einem Stadion zu singen?
Oh, es war ein sehr, sehr heißer Tag. Das war überhaupt nicht leicht für uns alle, mit dieser Hitze zurecht zu kommen.
Versteckt man dann Getränke im Bühnenbild?
Ja, man muss unbedingt sehr viel trinken. Ich habe bestimmt drei, vier Liter Wasser an diesem Abend zu mir genommen.
Ich sehe Sie auf den Fotos in einer österreichischen Uniform mit einem großen Backenbart. Was hat es damit auf sich?
„Nabucco“ist eine Neuproduktion, die Regie führt Arnaud Bernard; ein Franzose. Er hat sich an ein Filmepos von Luchino Visconti angelehnt und die Handlung aus dem antiken Mesopotamien ins Italien des 19. Jahrhunderts verlegt: Die Österreicher belagern die Stadt – und könnte es sein, dass ich irgendwie dem Kaiser ähnlich sehe? Dann ist es genau so gemeint. In den Kritiken hieß es, es habe eine große Autorität auf der Bühne gestanden.
Ihr Rollendebüt als Nabucco haben Sie in Weimar gesungen. Hilft Ihnen das heute noch?
Wenn man so eine Partie einmal erarbeitet, dann ist das eine Basis für alles weitere. Natürlich entwickelt man die Interpretation weiter; bestimmt ist es noch ein bisschen besser geworden seitdem. Ich habe also die Partie jetzt nicht ganz neu einstudieren müssen. Ich denke sehr gerne an die Zeit damals zurück. Michael Schulz hat inszeniert, Catherine Forster war als Abigail auf der Bühne, und dirigiert hat Martin Hoff. Es hat mich sehr traurig gemacht, als ich erfuhr, dass er gestorben ist.
Die Rolle haben Sie auch schon an der Staatsoper Wien gesungen. Openairinszenierungen funktionieren aber nach anderen Regeln? Natürlich. Es ist eine sehr große Bühne, die Wege sind wesentlich weiter, als man es aus einem Opernhaus gewohnt ist, und auch die Koordination ist etwas schwieriger. Man muss groß spielen, kleine Bewegungen sieht das Publikum nicht. Die Arena ist in der römischen Antike, ungefähr 30 nach Christus, als Amphitheater gebaut worden. Die Geschichte habe ich auch nachgelesen. Damals fanden in der Arena Gladiatorenkämpfe zur Volksbelustigung statt. Brot und Spiele. Ich denke immer daran, und es ist ein sehr gutes Gefühl zu wissen, dass die Leute heute wegen der Musik kommen und nicht, um zuzusehen, wie wir einander umbringen. Das ist ein Fortschritt an Humanität, oder? Aber für mich gehören die Festspiele inzwischen ebenfalls zur Geschichte von Verona. Es ist jetzt das 95. Festival, und eine Eröffnungspremiere singen zu dürfen, wie es Renato Bruson, Placido Domingo und andere ganz große Sänger vor mir getan haben, ist einfach wunderbar.
Sie sind jetzt auf den großen Bühnen der Welt zu Hause. Wie sind Ihre weiteren Pläne?
Bis nächste Woche bin ich in Verona; den freien Tag heute habe ich für einen Ausflug mit der Familie an den Gardasee genutzt. Dass ich so viel unterwegs bin, ist vor allem für die Familie nicht einfach. Im Juli fahren wir für ein paar Wochen nach Georgien, aber schon Anfang August singe ich in London „Chowantschtschina“bei den BBC Proms in der Royal Albert Hall. Danach kommen „Cavalleria rusticana“in Hamburg und „Pagliacci“an der Met in New York.
Unglaublich! – Aber Sie sind nur nach Berlin wegen des Flughafens umgezogen, oder?
Das stimmt. Mein Herz ist eigentlich immer noch in Weimar. Dort würde ich gern nochmal singen, vielleicht ein Galakonzert in der Weimarhalle, was auch immer. Es muss nur in den Terminkalender passen.