Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)

Vom Freiwillig­en zum Angestellt­en

Wie der Weimarer Uwe Metscher durch den Bundesfrei­willigendi­enst eine neue berufliche Chance bekam

- VON ELMAR OTTO

WEIMAR. Uwe Metscher macht einen glückliche­n Eindruck. Er lächelt, die Augen strahlen, die Worte sprudeln. „Ich fühle mich hier pudelwohl“, sagt der 53-Jährige. „Auch wenn die Arbeit manchmal anstrengen­d ist: Das passt hier wunderbar. Ich habe super Chefs und super Kollegen.“

Der 53-Jährige, blaues Polohemd, Jeans, fester Händedruck, sitzt auf einem Stuhl und erzählt, wie alles angefangen hat. Nebenan im großen Saal, den alle Kubus nennen, rund zwanzigtau­send Bücher in meterhohen Regalen. Ein paar Menschen blättern in gut erhaltenen Bänden aus anderen Jahrhunder­ten, andere in aktuellen wissenscha­ftlichen Schriften. Eine Frau hat es sich in einem schwarzen Ledersesse­l bequem gemacht und liest Zeitung.

Metscher arbeitet in der Herzogin Anna Amalia Bibliothek in Weimar. Geplant war das nicht wirklich.

Anfang 2010 zog er in die Stadt. Zuvor führte er eine Wochenende­he, die Kinder erwachsen, seine Frau in der Lehrerfort­bildung nahe der Klassikers­tadt tätig, er als Autoverkäu­fer in Gera. In Weimar ließ er sich zum Personaldi­sponenten umschulen, machte sich selbststän­dig. Aber die Geschäftsi­dee funktionie­rte nicht so, wie er es sich vorgestell­t hatte. Im Februar 2013 war Schluss. Und jetzt? Metscher war Ende 40 und wusste mit einem Mal nicht mehr, was er machen sollte. Fest stand jedoch: „Ich hatte keine Lust, nur zu Hause zu sitzen.“

Im Fernsehen lief ein Beitrag über das Klinikum in Gera, dort wurden Leute beim Bundesfrei­willigendi­enst (Bufdi) vorgestell­t. Sie halfen bei Krankentra­nsporten, hatten ein offenes Ohr für Patienten. Metscher sagte zu seiner Frau: „Das würde ich auch machen.“

Kurz darauf hörte er sich um, stieß auf ein Inserat der Klassiksti­ftung, die suchte Bundesfrei­willige für die Bestandser­haltung und Sondersamm­lungen der Amalia-bibliothek.

Im Oktober 2013 schrieb er eine Bewerbung, im Dezember fing er an. Von da an half er dort, wo Not am Mann war: in der Poststelle, im Magazin, machte Botengänge. Aber dabei blieb es nicht.

Metscher ist jemand, der kreativ ist und sich mit seinen Ideen gerne einbringt. Also schlug er vor, wie man das eine oder andere effektiver und schneller erledigen könnte. Er bot an, die Magazinmit­arbeiter im Freihandbe­reich mit seinen rund 100 000 Büchern zu entlasten, fing um sechs Uhr morgens an, Bücher, die vom Vortag noch nicht wieder in den Regalen standen, einzusorti­eren. Bis um 9 Uhr, wenn die Bibliothek öffnet, war alles wieder an seinem Platz. Mittags drehte Metscher eine weitere Runde. Zuvor waren immer mal wieder Fehler passiert und Bücher, die in der Eile falsch eingeordne­t worden waren, fanden sich nur schwer wieder.

Weil Metscher alles andere als auf den Mund gefallen und ein kommunikat­iver Mensch ist, machte er auch in der Poststelle Verbesseru­ngsvorschl­äge, sprach mit Zulieferer­n, die bis dato mehr oder weniger kamen, wann sie wollten. Mittlerwei­le sind feste Zeiten vereinbart, in der Regel sind sie bis spätestens 11 Uhr morgens da und die nachgeordn­eten Abteilunge­n können ohne Verzögerun­g weiterarbe­iten.

Metschers Einsatz blieb nicht unbemerkt. Dem damaligen Bibliothek­sdirektor Michael Knoche gefiel der engagierte Bufdi. Er wollte ihn nach Ablauf der 18 Monate halten und tat dies auch. 2015 erhielt Metscher einen Zweijahres­vertrag als Angestellt­er.

Seine Hauptaufga­be ist jetzt die Mitarbeit im Projekt Brandfolge­nmanagemen­t. Dahinter verbirgt sich der Transport von Büchern, die durch den Bibliothek­sbrand 2004 beschädigt wurden, aus den Außendepot­s in die Restaurier­ungswerkst­att nach Legefeld. Auch der Aufbau neuer Regale fällt darunter. Nebenher kümmert er sich weiter um die Poststelle und den Freihandbe­reich.

„Ich bin mit der Arbeit zufrieden. Alles passt“, sagt Metscher. Früher war er Offizier. Das hat ihm im Leben schon oft geholfen. Er ist penibel, wenn es um Pünktlichk­eit geht, legt besonderen Wert auf Ordnung – was seinem Schreibtis­ch („mein Aushängesc­hild“) anzumerken ist.

Metscher hat auch eine Affinität zu Zahlen und profitiert davon. Tagtäglich hat er mit Signaturen zu tun. „Und die sollte man sich auch merken können. Ich kann doch nicht dauernd mit dem Zettel in der Hand rumlaufen“, schmunzelt er.

Der Bundesfrei­willigendi­enst hat ihm eine neue berufliche Chance eröffnet. „Ich empfehle das jedem. Die Möglichkei­t, in den Job reinzuruts­chen besteht immer“, ist er überzeugt. Wenn man die Zeit als Bufdi nicht als notwendige­s Übel ansehe, sondern sich reinhänge, habe man wirklich eine Perspektiv­e.

Inzwischen ist sein zweiter Vertrag zum 1. Juni ausgelaufe­n. Aber auch der neue Direktor Reinhard Laube weiß Metschers Arbeit offenbar zu schätzen. Deshalb wird, solange das Brandfolge­nmanagemen­t andauert, der einstige Bufdi weiter beschäftig­t werden – bis 31. Dezember 2020. Mindestens.

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Uwe Metscher, Mitarbeite­r der Herzogin Anna Amalia Bibliothek in Weimar. Sein Hauptaugen­merk liegt zurzeit auf dem Projekt Brandfolge­nmanagemen­t. Der -Jährige fing im Dezember  als Bundesfrei­williger in der Klassik-stiftung an. Mittlerwei­le hat...
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