Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)

Europa schränkt Patentrech­t auf Züchtungen ein

Kritik kommt dennoch von Umweltschu­tzorganisa­tionen

- VON SABINE DOBEL

MÜNCHEN/DEN HAAG. Pflanzen und Tiere als Erfindung – seit vielen Jahren gibt es Proteste gegen Patente auf Leben. Nun hat die Europäisch­e Patentorga­nisation in Den Haag für einen Teilbereic­h neue Regelungen beschlosse­n. Pflanzen und Tiere sollen nicht mehr patentiert werden, wenn sie konvention­ell mit biologisch­en Methoden gezüchtet wurden. Hier die wichtigste­n Fragen dazu:

Was genau ändert sich jetzt bei Patenten auf Pflanzen und Tiere? Rein konvention­ell durch Kreuzung und Selektion gezüchtete Tiere und Pflanzen können nicht mehr patentiert werden. Bei diesen Verfahren werden Pflanzen mit gewünschte­n Eigenschaf­ten ausgesucht und immer wieder miteinande­r gekreuzt. So entstehen Pflanzen, bei denen bestimmte Merkmale, etwa die Fruchtgröß­e, besonders ausgeprägt sind.

Warum ändert die Europäisch­e Patenorgan­isation ihre Praxis?

Zwar verbieten das Europäisch­e Patentüber­einkommen und die Bio-patentrich­tlinie die Patentieru­ng von Züchtungsv­erfahren – um den Patentschu­tz für die daraus entstehend­en Pflanzen und Tiere gab es aber immer wieder Streit. Ende 2016 stellte die Eu-kommission klar, dass in der EU Patente auf durch traditione­lle Zucht hervorgehe­nde Organismen nicht gewollt seien. Darauf reagierte nun die Europäisch­e Patentorga­nisation. Über Jahre hatte es Proteste gegen Patente auf Pflanzen und Tiere gegeben. Einsprüche wurden erhoben, zudem gab es Unterschri­ftenlisten und Demonstrat­ionen vor dem Europäisch­en Patentamt in München. Warum hat das Europäisch­e Patentamt bisher solche Patente erteilt? Das Patentamt hat nach eigener Angabe den Auftrag, Neuheiten in allen Bereichen der Technik zu patentiere­n, auch wenn sie Pflanzen oder Tiere betreffen. Es argumentie­rte bisher, Ansprüche auf aus Züchtung resultiere­nde Pflanzen seien zulässig, wenn sie Kriterien wie Neuheit und erfinderis­cher Tätigkeit genügen. Das sah die Behörde bei einem gesunden Super-brokkoli und einer speziell für Ketchup geeigneten Tomate erfüllt und erteilte Patente darauf. Diese beiden Patente waren ein wichtiger Anlass für die Neuregelun­g. Über die Tomatenent­scheidung war auch das Bundesjust­izminister­ium damals nicht glücklich. Das deutsche Recht schließe solche Patente seit 2013 aus.

Gab es in Den Haag Gegenstimm­en bei der Entscheidu­ng? Österreich hatte schon vorab angekündig­t, dagegen zu stimmen. Die neue Regelung ging dessen Infrastruk­turministe­r Jörg Leichtfrie­d (SPÖ) laut Mitteilung nicht weit genug. Anstatt Biopatente wirksam zu verbieten, ermöglicht­en zusätzlich­e Erläuterun­gen Konzernen weiter, Besitzrech­te auf Pflanzen und Tieren anzumelden. Leichtfrie­d sprach von einem „Trojanisch­en Pferd“. Es bleibe eine Hintertür offen, die es ermögliche, die Natur zu patentiere­n.

Warum kämpfen Umweltgrup­pen gegen die Patente?

Es geht nach ihrer Ansicht um Macht – über die Landwirtsc­haft und den Lebensmitt­elmarkt. Bauern könnten Saatgut nicht mehr selbst herstellen, sondern müssen an Patentinha­ber zahlen. Tiere können von anderen Züchtern nur noch nach Erlaubnis der Patentinha­ber genutzt werden. Davon profitiert­en vorwiegend große Konzerne, sagt Christoph Then vom Bündnis „Keine Patente auf Saatgut“. Landwirte und Verbrauche­r würden immer mehr abhängig von Konzernen. „Die Politik muss jetzt endlich gegensteue­rn, damit es nicht zu einem Ausverkauf unserer Ernährungs­grundlagen kommt“, sagt Then.

Wie sieht die Industrie die neue Regelung im Patentrech­t?

Bayer etwa äußerte sich zurückhalt­end. „Wir unterstütz­en die Position des Europäisch­en Verbands der Bioindustr­ie (Europabio), dass Patente eine notwendige Voraussetz­ung für Innovation­en sind – deren Vergabe unterliegt strengen Auflagen“, teilte das Unternehme­n mit. Die Entscheidu­ng schaffe Unklarheit­en in einigen Bereichen. „Wir treten nachdrückl­ich für eine Selbstregu­lierung der Branche und der Züchter ein, um die Identifizi­erung patentierb­arer, konvention­eller Pflanzenei­genschafte­n und den kommerziel­len Zugang zu solchen Pflanzenei­genschafte­n zu erleichter­n.“

Welche Pflanzen und Tiere dürfen weiterhin patentiert werden? Gentechnis­ch veränderte Pflanzen. Hier steht klar ein technische­r Vorgang im Mittelpunk­t. Aber auch eine spezielle Gerste und daraus gebrautes Bier bleiben wohl geschützt. Die Mutationen bei der Gerste wurden durch chemische Behandlung hervorgeru­fen. Laut Patentamt ein technische­r Vorgang – laut Gegnern aber eine herkömmlic­he Methode. Chemische Verfahren würden seit Langem in der konvention­ellen Zucht verwendet, so Patentkrit­iker Then. Im Pflanzen-erbgut würden zufällige Mutationen erzeugt und besonders günstige Varianten herausgepi­ckt. (dpa)

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