Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)
Seine letzte Ruhestätte – eine vielsagende Entscheidung
Während des Zweiten Weltkrieges hat er als Junge im Speyerer Dom Schutz vor Fliegerangriffen gesucht
BERLIN/MAINZ. Das Familiengrab der Kohls liegt im Ludwigshafener Stadtteil Friesenheim, nur ein paar Kilometer entfernt vom Wohnhaus des früheren Kanzlers in Oggersheim. Die Eltern von Helmut Kohl sind hier begraben, Verwandte von Kohls Mutter – und seine frühere Frau Hannelore. Zwei Grabsteine stehen nebeneinander. Auf dem rechten ist nur ein Name eingraviert: „Hannelore Kohl 1933 – 2001“. Darunter ist Platz gehalten. Helmut Kohls Name wird dort in Zukunft nicht stehen. Der Altkanzler wird nicht im Familiengrab begraben, neben der Frau, mit der er 41 Jahre lang verheiratet war. Sondern in Speyer – an einem symbolträchtigen Ort, der ihm politisch sehr wichtig war.
Kohl starb am 16. Juni mit 87 Jahren in seinem Haus in Ludwigshafen-oggersheim.
Seitdem wurde international mit viel Verve erinnert an den „Kanzler der Einheit“, an den Wegbereiter der Europäischen Union, an den Langzeit-regierungschef und seine politischen Verdienste. Es wurden aber auch Erinnerungen wach an den privaten Menschen Helmut Kohl – an den Ehemann, den Vater, den Großvater. Diese Seite ist weniger glanzvoll. Kohls damalige Frau Hannelore nahm sich 2001 das Leben. Sie starb an einer Überdosis Schlaftabletten. Jahrelang war sie krank, litt unter einer Lichtallergie und musste im Dunkeln leben.
Sieben Jahre nach ihrem Tod heiratete Kohl wieder. Da war er selbst schon gesundheitlich schwer angeschlagen. Der zweiten Frau an seiner Seite, Maike Kohl-richter, wird von vielen Seiten vorgeworfen, sie habe den 34 Jahre älteren Kohl abgeschirmt und dafür gesorgt, dass er sich von alten Vertrauten und Familienmitgliedern lossagte.
Das Verhältnis zu seinen Söhnen Walter und Peter ist zerrüttet. Walter Kohl sah seinen Vater erst am Totenbett wieder, zum ersten Mal nach mehreren Jahren. Von dessen Tod erfuhr er aus dem Radio. Sein Vater habe den Kontakt abgebrochen, habe keine Besuche erlaubt und auch seine Enkel nicht sehen wollen, sagte Walter Kohl.
Kohls Grab wird in Speyer auf dem Friedhof sein, auf dem ansonsten nur die Mitglieder des Domkapitels beigesetzt werden. Dieser liegt – zusammen mit dem Konrad-adenauer-park – auf dem Gelände des früheren Speyerer Friedhofs. Es sei Kohls Wunsch gewesen, dort seine letzte Ruhestätte zu finden, sagte der langjährige Kohl-vertraute, der Ex-„bild“-chefredakteur Kai Diekmann. „Er hat dies gemeinsam mit seiner Frau im Spätsommer 2015 entschieden, als es gesundheitlich wieder einmal sehr kritisch um ihn stand.“Die Entscheidung spiegele seine seit der Kindheit bestehende Verbundenheit mit Speyer und dem Speyerer Dom wider.
Das fast 1000 Jahre alte Gotteshaus ist ein besonderer Ort in Kohls Leben. Dort suchte er als Junge im Zweiten Weltkrieg Schutz vor Fliegerangriffen, dorthin führte er später als Kanzler zahlreiche Staats- und Regierungschefs. Dort war die Totenmesse für seine Frau Hannelore. „Das ist mein Heimatdom“, sagte Kohl 2001 über das Bauwerk, das seit 1981 auf der Weltkulturerbeliste steht. Der Dom war auch für den Historiker Kohl von Bedeutung – als Sinnbild des geeinten Europas und seiner christlichen Wurzeln. Er stehe für knapp 1000 Jahre deutscher und europäischer Vergangenheit, sagte Kohl am 2. Juli 1999 in der Dom-krypta. Wer sich den Sinn für das Wesentliche bewahrt habe, der spüre im Dom den „Atem der Geschichte“. Auch der letzte Ausflug seines Lebens führte Kohl in die Kathedrale. Kurz vor Weihnachten, gemeinsam mit seiner Frau Maike Kohl-richter. Ein Vertrauter Kohls meint, die Entscheidung für seine letzte Ruhestätte entspreche seinem Leben. Es war ein Leben für die Politik, nicht für die Familie.