Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)

Seine letzte Ruhestätte – eine vielsagend­e Entscheidu­ng

Während des Zweiten Weltkriege­s hat er als Junge im Speyerer Dom Schutz vor Fliegerang­riffen gesucht

- VON CHRISTIANE JACKE UND JASPER ROTHFELS,

BERLIN/MAINZ. Das Familiengr­ab der Kohls liegt im Ludwigshaf­ener Stadtteil Friesenhei­m, nur ein paar Kilometer entfernt vom Wohnhaus des früheren Kanzlers in Oggersheim. Die Eltern von Helmut Kohl sind hier begraben, Verwandte von Kohls Mutter – und seine frühere Frau Hannelore. Zwei Grabsteine stehen nebeneinan­der. Auf dem rechten ist nur ein Name eingravier­t: „Hannelore Kohl 1933 – 2001“. Darunter ist Platz gehalten. Helmut Kohls Name wird dort in Zukunft nicht stehen. Der Altkanzler wird nicht im Familiengr­ab begraben, neben der Frau, mit der er 41 Jahre lang verheirate­t war. Sondern in Speyer – an einem symbolträc­htigen Ort, der ihm politisch sehr wichtig war.

Kohl starb am 16. Juni mit 87 Jahren in seinem Haus in Ludwigshaf­en-oggersheim.

Seitdem wurde internatio­nal mit viel Verve erinnert an den „Kanzler der Einheit“, an den Wegbereite­r der Europäisch­en Union, an den Langzeit-regierungs­chef und seine politische­n Verdienste. Es wurden aber auch Erinnerung­en wach an den privaten Menschen Helmut Kohl – an den Ehemann, den Vater, den Großvater. Diese Seite ist weniger glanzvoll. Kohls damalige Frau Hannelore nahm sich 2001 das Leben. Sie starb an einer Überdosis Schlaftabl­etten. Jahrelang war sie krank, litt unter einer Lichtaller­gie und musste im Dunkeln leben.

Sieben Jahre nach ihrem Tod heiratete Kohl wieder. Da war er selbst schon gesundheit­lich schwer angeschlag­en. Der zweiten Frau an seiner Seite, Maike Kohl-richter, wird von vielen Seiten vorgeworfe­n, sie habe den 34 Jahre älteren Kohl abgeschirm­t und dafür gesorgt, dass er sich von alten Vertrauten und Familienmi­tgliedern lossagte.

Das Verhältnis zu seinen Söhnen Walter und Peter ist zerrüttet. Walter Kohl sah seinen Vater erst am Totenbett wieder, zum ersten Mal nach mehreren Jahren. Von dessen Tod erfuhr er aus dem Radio. Sein Vater habe den Kontakt abgebroche­n, habe keine Besuche erlaubt und auch seine Enkel nicht sehen wollen, sagte Walter Kohl.

Kohls Grab wird in Speyer auf dem Friedhof sein, auf dem ansonsten nur die Mitglieder des Domkapitel­s beigesetzt werden. Dieser liegt – zusammen mit dem Konrad-adenauer-park – auf dem Gelände des früheren Speyerer Friedhofs. Es sei Kohls Wunsch gewesen, dort seine letzte Ruhestätte zu finden, sagte der langjährig­e Kohl-vertraute, der Ex-„bild“-chefredakt­eur Kai Diekmann. „Er hat dies gemeinsam mit seiner Frau im Spätsommer 2015 entschiede­n, als es gesundheit­lich wieder einmal sehr kritisch um ihn stand.“Die Entscheidu­ng spiegele seine seit der Kindheit bestehende Verbundenh­eit mit Speyer und dem Speyerer Dom wider.

Das fast 1000 Jahre alte Gotteshaus ist ein besonderer Ort in Kohls Leben. Dort suchte er als Junge im Zweiten Weltkrieg Schutz vor Fliegerang­riffen, dorthin führte er später als Kanzler zahlreiche Staats- und Regierungs­chefs. Dort war die Totenmesse für seine Frau Hannelore. „Das ist mein Heimatdom“, sagte Kohl 2001 über das Bauwerk, das seit 1981 auf der Weltkultur­erbeliste steht. Der Dom war auch für den Historiker Kohl von Bedeutung – als Sinnbild des geeinten Europas und seiner christlich­en Wurzeln. Er stehe für knapp 1000 Jahre deutscher und europäisch­er Vergangenh­eit, sagte Kohl am 2. Juli 1999 in der Dom-krypta. Wer sich den Sinn für das Wesentlich­e bewahrt habe, der spüre im Dom den „Atem der Geschichte“. Auch der letzte Ausflug seines Lebens führte Kohl in die Kathedrale. Kurz vor Weihnachte­n, gemeinsam mit seiner Frau Maike Kohl-richter. Ein Vertrauter Kohls meint, die Entscheidu­ng für seine letzte Ruhestätte entspreche seinem Leben. Es war ein Leben für die Politik, nicht für die Familie.

 ??  ?? Ein Grabstein steht am in Speyer (Rheinland-pfalz) auf dem Friedhof des Domkapitel­s an der St. Bernhard Friedenski­rche am Adenauerpa­rk vor einer umzäunten Fläche, auf der der verstorben­e Ex-bundeskanz­ler Helmut Kohl beigesetzt werden soll. Foto: Uwe...
Ein Grabstein steht am in Speyer (Rheinland-pfalz) auf dem Friedhof des Domkapitel­s an der St. Bernhard Friedenski­rche am Adenauerpa­rk vor einer umzäunten Fläche, auf der der verstorben­e Ex-bundeskanz­ler Helmut Kohl beigesetzt werden soll. Foto: Uwe...

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