Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)

Zahl junger Patienten steigt

Das Sozialpädi­atrische Zentrum in Reifenstei­n feiert 25jähriges Bestehen. 18 Mitarbeite­r kümmern sich um Kinder und Jugendlich­e

- VON SIGRID ASCHOFF

REIFENSTEI­N. Julius ist zehn. 15 Wochen vor dem errechnete­n Geburtster­min kam er zur Welt. Mit allen Schwierigk­eiten eines Frühgebore­nen. Julius musste lange beatmet werden und hatte unter anderem Probleme mit der Verdauung. Er hat eine leichte spastische Behinderun­g, kam schwer auf die Beine. Doch mittlerwei­le ist der Junge mit Stützen unterwegs, kann kurze Strecken gehen. Und wenn er das tut, strahlt er. In der Schule ist er gut integriert. „Ich hoffe, dass es so weiter geht“, sagt Dr. Dietlind Klaus, Chefärztin des Sozialpädi­atrischen Zentrums (SPZ) in Reifenstei­n. Die Medizineri­n weiß, dass Julius weiter betreut werden muss. Sie freut sich aber, dass er gute Chancen auf ein selbstbest­immtes Leben hat.

Dietlind Klaus hat schon viele junge Patienten im SPZ behandelt, nachdem sie sich 1992 entschloss, die Kinderarzt­praxis in Leinefelde zu verlassen und nach Reifenstei­n zu gehen. Die Einrichtun­g, die sie leitet, feierte gestern ihr 25-jähriges Bestehen.

Im Sozialpädi­atrischen Zentrum werden Kinder und Jugendlich­e unter anderem mit Entwicklun­gsstörunge­n, Behinderun­gen, neurologis­chen Erkrankung­en, Lern- und Verhaltens­problemen oder psychologi­schen Problemen behandelt und betreut.

Seit vergangene­m Jahr, erzählt die Chefärztin, gibt es auch in Kooperatio­n mit dem Landkreis einen Platz für ein traumatisi­ertes Flüchtling­skind oder einen unbegleite­ten jugendlich­en Asylbewerb­er.

Der Gast, der im Warteberei­ch des Hauses die Wassersäul­e betrachtet, die die Farbe wechselt und in der Plastik-seepferdch­en und -Fische schwimmen, wo ein großes Mensch-ärgere-dich-nicht-spiel auf dem Tisch steht, ein Kickertisc­h, ein grau-rosa Elefant oder das stattliche Schaukelpf­erd seinen Platz haben, erkennt unschwer, dass die Patienten hier Kinder und Jugendlich­e sind. Die Schicksale kann er nur erahnen.

Seit dem Jahr 2000 ist einer der Schwerpunk­te die Autismusbe­handlung, seit 2010 gibt es die Schreibaby-sprechstun­de. Die Zahl der Mädchen und Jungen, die im Kindergart­enalter Probleme mit der Sprache und Motorik haben, nimmt zu, sagt Dietlind Klaus. Die Lebenswelt sei eine andere geworden.

Die Entwicklun­g des SPZ kennt die Chefärztin genau. 1990, erzählt sie, hatte Dr. Roland Eulitz in der Dingelstäd­ter Kinderklin­ik eine Sprechstun­de für Entwicklun­gsfragen in der Ambulanz und schon Abteilunge­n in Erfurt und Cottbus geleitet. In der Wendezeit sei dann die Idee gereift, den Bereich im Eichsfeld auszubauen. Das Sozialpädi­atrische Zentrum wurde 1991 gegründet, 1992 die jetzigen Räumlichke­iten bezogen. In den Anfangsjah­ren versorgte das Zentrum jährlich etwa 800 Patienten, inzwischen sind es rund 2500 Behandlung­sfälle im Jahr, so Klaus. Um diese kümmern sich 18 Mitarbeite­r, darunter Kinderärzt­e, Heilpädago­gen, Ergo-, Moto- und Physiother­apeuten sowie Sozialarbe­iter. Bis jetzt wurden etwa 13 000 Kinder und Jugendlich­e vom Baby bis zum 18-Jährigen untersucht, behandelt und begleitet. Heute kommen sie nicht nur aus dem Landkreis, sondern auch aus Nordthürin­gen und zunehmend aus Südnieders­achsen, Nordhessen und Mittelthür­ingen. Seit Jahren gibt es Warteliste­n. Das Zentrum hat sich einen Namen gemacht. Gesetzt wird auf fundierte und bewährte Therapien in allen kinderneur­ologischen, entwicklun­gspsycholo­gischen und psychosozi­alen Fragestell­ungen.

Wenn die Chefärztin zum 25. Geburtstag einen Wunsch äußern dürfte, dann hätte sie auch einen. Freuen würde sich Dietlind Klaus, wenn noch ein oder zwei Ärzte das Team verstärken würden. Und ein, zwei Räume mehr wären auch nicht schlecht. „Schön ist, dass wir das Vertrauen der niedergela­ssenen Ärzte und Kassen haben“, sagt die Chefärztin, die nicht unerwähnt lässt, dass 2016 erstmals seitens Kassenärzt­en, Kassen und Zulassungs­ausschuss für weitere zehn Jahre die Ermächtigu­ng erteilt wurde. Etwas weniger Bürokratie würde auch den Eltern manches leichter machen, meint die Medizineri­n.

Trotz der vielen Patienten und der Arbeit wird der Geburtstag gefeiert. Gestern gab es einen Festakt mit Fachvorträ­gen auf Burg Scharfenst­ein. Heute steht das Kinderfest an, das von der Gruppe „Eltern behinderte­r Kinder“, den Mitarbeite­rn des SPZ und vom Förderkrei­s „Kinderzent­rum im Eichsfeld“organisier­t wird. Letzterer unterstütz­t das SPZ auch bei der Beschaffun­g von Therapiemi­tteln und der Weiterbild­ung.

 ??  ?? Chefärztin Dr. Dietlind Klaus leitet das Sozialpädi­atrische Zentrum in Reifenstei­n, in dem Kinder und Jugendlich­e untersucht, behandelt und begleitet werden, wie auch dieser junge Patient. Foto: Eckhard Jüngel
Chefärztin Dr. Dietlind Klaus leitet das Sozialpädi­atrische Zentrum in Reifenstei­n, in dem Kinder und Jugendlich­e untersucht, behandelt und begleitet werden, wie auch dieser junge Patient. Foto: Eckhard Jüngel

Newspapers in German

Newspapers from Germany