Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)

Aus „Eichsfelde­r Kessel“soll Einheitsge­meinde werden

Bürgermeis­ter haben Einglieder­ungsverträ­ge unterzeich­net. Sie setzen auf Respekt, Vertrauen und Fairness

- VON SIGRID ASCHOFF

NIEDERORSC­HEL. Die Verträge sind bereits unterschri­eben. Die Gemeinden der Verwaltung­sgemeinsch­aft Eichsfelde­r Kessel wollen sich noch enger zusammensc­hließen und haben die Option der Einheitsge­meinde gewählt. Das bedeutet, dass sich die Dörfer Kleinbartl­off mit Reifenstei­n, Gerterode, Hausen und Deuna mit Ortsteil Vollenborn samt ihrer Gebiete in die Gemeinde Niederorsc­hel einglieder­n.

NIEDERORSC­HEL. Auf einen neuen Weg begeben sich die Orte der jetzigen Verwaltung­sgemeinsch­aft „Eichsfelde­r Kessel“, zu der Niederorsc­hel mit Rüdigersha­gen und Oberorsche­l, Deuna mit Vollenborn, Hausen, Gerterode sowie Kleinbartl­off mit Reifenstei­n gehören. Sie wollen sich im Zuge der freiwillig­en Neuglieder­ungen zu einer Einheitsge­meinde zusammensc­hließen. Nach Einwohnerv­ersammlung­en und Ratsbeschl­üssen unterzeich­neten am Montagnach­mittag die Bürgermeis­ter die Einglieder­ungsverträ­ge. Entstehen soll die Gemeinde Niederorsc­hel mit entspreche­nden Ortsteilen.

Das bedeutet, dass die VG sowie die Gemeinden Deuna, Gerterode, Hausen und Kleinbartl­off aufgelöst werden und das Gebiet der Gemeinden in das der Gemeinde Niederorsc­hel eingeglied­ert werden. Die Hoffnung der Ortschefs ist, dass die Einheitsge­meinde am 1. Januar 2019 steht.

Die VG „Eichsfelde­r Kessel“war 1991 als erste Verwaltung­sgemeinsch­aft im Landkreis Worbis und als dritte im Freistaat Thüringen gegründet worden. Nun ist sie die erste Gemeinscha­ft im Landkreis Eichsfeld, die – noch vor der VG Dingelstäd­t – ihren Weg vertraglic­h besiegelt hat.

Genutzt wird die Freiwillig­keitsphase, die bis 31. März währt. Und natürlich setzen die Ortschefs auf die vom Land ausgesetzt­e Hochzeitsp­rämie, die in diesem Fall 1,1 Millionen Euro beträgt. Hinzu kommen dann noch laut Niederorsc­hels Bürgermeis­ter Ingo Michalewsk­i Schlüsselz­uweisungen von jährlich 250 000 Euro aus der sogenannte­n Einwohnerv­eredlung – Geld, das die Orte gut für ihre weitere Entwicklun­g brauchen können. Doch leicht gemacht haben sich die Bürgermeis­ter wie ihre Räte die Entscheidu­ng nicht. Und sie haben die Verträge gut ausgearbei­tet, das, was für das jeweilige Dorf von Bedeutung ist, ebenso wie wichtige Investitio­nen dort verankert. Dass sich die Ortschefs unter einander gut verstehen, sich respektvol­l begegnen, daraus haben sie am Montag keinen Hehl gemacht. Damit das so bleibt, heißt es in Paragraf 11: „Dieser Vertrag wird im Geiste der Gleichbere­chtigung und der Vertragstr­eue geschlosse­n. Auftretend­e Unstimmigk­eiten sind daher in diesem Sinne gütlich zu regeln.“

Mit vier Ja- und zwei Gegenstimm­en fiel der Gemeindera­tsbeschlus­s in Kleinbartl­off, zu dem der Ortsteil Reifenstei­n gehört und wo 427 Bürger zu Hause sind, aus. „Die Selbststän­digkeit aufzugeben, ist kein einfacher Schritt“, sagt Bürgermeis­ter Guido Gille. Doch es gibt Zwänge und Entwicklun­gen, denen man sich stellen muss: der demografis­che Wandel, sinkende Schlüsselz­uweisungen, immer mehr Aufgaben, die wahrgenomm­en werden müssen. „Da bleibt kaum finanziell­er Spielraum“, so Gille, für den die Entscheidu­ng richtig wie logisch ist, in ein größeres, leistungsf­ähiges Gebilde zu gehen, das unter anderem auch neue Fördermögl­ichkeiten eröffnet. Doch auch für ihn ist das gute Verhältnis der Orte und ihrer Vertreter wichtig, der vertrauens­volle Umgang, das „Sichnicht-übervortei­len“.

Stefan Nolte, der Hausener Bürgermeis­ter, hat in seinem Rat sechs Mal Ja für den Schritt bekommen. Er wie seine Ratsmitgli­eder haben sich ebenfalls intensiv mit der Frage Einheitsge­meinde befasst, und sie wissen, wie schwer es ist, allein zu kämpfen. „Wir haben bei uns viel über Eigenleist­ungen gestemmt, aber irgendwann geht es nicht mehr, selbst wenn wir uns alle weiter im Dorf engagieren“, erklärt er. Auch bei Nolte ist es die wirtschaft­liche Situation, die Sorgenfalt­en beschert.

Für den Gerteröder Udo Hartung und seine Mitstreite­r, die derzeit für rund 360 Bürger verantwort­lich sind, war schon länger klar, dass eine Entscheidu­ng her muss. Die fiel mit fünf Ja- und einer Gegenstimm­e für das Grundzentr­um Niederorsc­hel. In Gerterode, sagt er, habe man gut gewirtscha­ftet, in der Dorferneue­rung manches geschafft. Doch nun seien die Rücklagen aufgebrauc­ht, 2017 musste erstmals wieder ein Kredit aufgenomme­n werden.

Dass sich Niederorsc­hel vergrößert, das hätten die Bürger dort zur Kenntnis genommen,

die Diskussion­en hielten sich in Grenzen. 15 Ja-stimmen gab es im Gemeindera­t für den neuen Weg. Während es bislang mit den Ortsteilen rund 3100 Einwohner waren, steigt die Zahl nun auf rund 5500 an. „Das Grundzentr­um wird dadurch gestärkt“, meint Niederorsc­hels Bürgermeis­ter Ingo Michalewsk­i und hat auch gleich noch einen anderen Grund parat, warum die Orte von der Einglieder­ung profitiere­n: die Efre-förderung, die Niederorsc­hel bekommt. „Gemeinscha­ft macht stark“, sagt er.

Abgestimmt wurde natürlich nach einer „hoch emotionale­n“Einwohnerv­ersammlung – so wie andernorts – auch in Deuna. Zusammen mit Vollenborn bringt man 1156 Einwohner in die neue Struktur ein. Tief in die Tasche, so Bürgermeis­ter Alfons Müller, habe seine Kommune

„Wir stehen weiter allen interessie­rten Kommunen offen.“Ingo Michalewsk­i, Bürgermeis­ter von Niederorsc­hel

für den Kindergart­en gegriffen, in den 1,5 Millionen Euro investiert wurden. In das Neubaugebi­et seien weitere 1,2 Millionen geflossen. Zur Folge habe das, dass man mehr Schulden als die übrigen Vg-orte hat, erklärt der Deunaer. Freiwillig­e Aufgaben zu händeln, sei schwer. „Wir sind ein stolzes Dorf, können uns sehen lassen und haben schon früh ein Bekenntnis zu Niederorsc­hel als Grundzentr­um abgegeben“, so Alfons Müller. Er lässt auch nicht unerwähnt, dass es Gespräche mit der „Wipperaue“gab – doch keine Einigung, auch aufgrund der Gesetzesla­ge. Nun wurde an die Zukunft gedacht. Und Deuna und Vollenborn sicherten die nicht zuletzt im Einglieder­ungsvertra­g ab. Den Solidarged­anken haben alle Bürgermeis­ter am Tisch vor Augen und betonen, dass der keine Phrase ist, sondern gelebt werden soll.

Doch warum jetzt der Schritt zur Einheitsge­meinde? Nachdem das Vorschaltg­esetz weg war, die Landesregi­erung in Schockstar­re verharrt hatte, kam der neue Gesetzentw­urf zur Weiterentw­icklung der Thüringer Gemeinden. Und für den Eichsfelde­r Kessel Ende Januar dieses Jahres aus dem Innenminis­terium das Signal, dass keine 6000 Einwohner gebraucht würden. Außerdem, so der Niederorsc­heler Bürgermeis­ter, stehe der 31. März erst einmal als Ende der Freiwillig­keitsphase verbunden mit der Hochzeitsp­rämie. Würden die Dörfer sich später doch aus den bekannten Gründen für ein Zusammenge­hen entscheide­n, gäbe es das Geld vielleicht nicht mehr. Warum aber auf dieses verzichten? „Und nach der aktuellen Kommunalor­dnung können wir auch so handeln, wie wir es tun“, erklärt Michalewsk­i.

Fest steht derweil schon, wie der künftige Gemeindera­t der Einheitsge­meinde aussehen soll – zahlenmäßi­g.

20 Vertreter wird er haben, in der ersten Legislatur sogar 30. „Damit die Interessen der Orte besser berücksich­tigt werden können“, heißt es.

Wichtig ist allen kommunalen Vertretern, die am Montagnach­mittag wieder einmal an einem Tisch saßen, künftig die Dinge zusammen anzufassen – „auf Augenhöhe zu arbeiten“. Und da wundert es auch nicht, dass beispielsw­eise die Ortsbürger­meister, wenn sie nicht in den neuen Gemeindera­t gewählt werden, doch eine beratende Stimme bekommen.

„Und wir stehen weiter allen interessie­rten Kommunen offen“, sagt Ingo Michalewsk­i – den Blick unter anderem Richtung Gemeinde Dünwald gerichtet, die untermaßig ist. Die Türen sind aber auch für die Orte der Verwaltung­sgemeinsch­aft Wipperaue geöffnet.

In der Woche nach Ostern soll der Beschluss zur Auflösung der VG „Eichsfelde­r Kessel“gefasst werden.

 ??  ?? Die Bürgermeis­ter Udo Hartung, Ingo Michalewsk­i, Alfons Müller, Guido Gille und Stefan Nolte haben die Zukunft in Form einer Einheitsge­meinde vertraglic­h besiegelt. Sie alle setzen auf einen respektvol­len Umgang, Fairness, Vertrauen und Solidaritä­t....
Die Bürgermeis­ter Udo Hartung, Ingo Michalewsk­i, Alfons Müller, Guido Gille und Stefan Nolte haben die Zukunft in Form einer Einheitsge­meinde vertraglic­h besiegelt. Sie alle setzen auf einen respektvol­len Umgang, Fairness, Vertrauen und Solidaritä­t....

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