Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)

Neue Regeln im Daten-dschungel

Die Datenschut­zgrundvero­rdnung soll die Privatsphä­re der Verbrauche­r stärken. Doch die Vorgaben überforder­n viele

- VON HANNES KOCH

BERLIN. In wenigen Tagen treten in Europa die neuen Regeln zum Datenschut­z in Kraft. Doch „viele Unternehme­n fallen aus allen Wolken, wenn sie merken, was mit der Eu-datenschut­zGrundvero­rdnung auf sie zukommt“, sagt Hans-joachim Karp. Er arbeitet als Inhaber-berater für Handwerksb­etriebe. „Bisher war das Thema nicht zu ihnen durchgedru­ngen.“So geht es nicht nur mancher Firma, sondern auch Vereinen, Schulen und selbst Privatpers­onen, die beispielsw­eise über Internetbl­ogs Informatio­nen verbreiten.

Ab 25. Mai gilt die Datenschut­z-grundveror­dnung (DSGVO) endgültig, weil die jahrelange Übergangsf­rist nun zu Ende ist. Das Regelwerk der Europäisch­en Union trifft prinzipiel­l für alle Fälle zu, in denen persönlich­e Daten und Informatio­nen über einzelne Menschen verarbeite­t werden. Das schließt die Sammlung solcher Daten, ihre Speicherun­g, Auswertung, Weitergabe und Veröffentl­ichung ein. Jeder, der mit Daten anderer Personen umgeht, etwa auf einer eigenen Webseite Fotos zeigt, sollte sich der DSGVO gegenüber konform verhalten. Globale Konzerne wie Facebook und Amazon müssen das ebenso berücksich­tigen wie der Malermeist­er von nebenan.

Mehr Rechte, um Auskunft zu erhalten

Ein Beispiel: Fast jede Firma, egal ob klein oder groß, verfügt heute über eine digitalisi­erte Kundendate­i. Dabei „dürfen Unternehme­n nur Informatio­nen über ihre Kunden verarbeite­n, die sie benötigen, um ihr Geschäft abzuwickel­n“, sagt der Wiesbadene­r Anwalt und Spezialist für Digital-recht Hajo Rauschhofe­r. „Zum Beispiel den Namen, die Adresse und gegebenenf­alls die Kontonumme­r.“Viele der Dateien enthalten jedoch Angaben, die über das Nötige hinausgehe­n und den Firmen gezielte Werbung ermögliche­n – etwa die Geburtsdat­en der Käufer. „Der Geburtstag der Kunden gehört beispielsw­eise nicht zu den Daten, die ein Malerbetri­eb für die Ausführung seiner Arbeiten braucht“, erklärt Berater Karp, der mit dem Bundesverb­and für Kleine und Mittlere Unternehme­n kooperiert. Solche Informatio­nen müssten die Firmen eigentlich aus ihren Kundendate­ien löschen oder die Verbrauche­r ausdrückli­ch um ihr Einverstän­dnis für die Speicherun­g bitten.

Das dürfte eine der wesentlich­en Wirkungen der neuen Verordnung sein: Die Bürger be- kommen mehr Rechte, um Auskunft von den Datenverar­beitern zu verlangen, welche persönlich­en Angaben diese über sie speichern. Sind Privatleut­e mit der Nutzung ihrer Daten nicht einverstan­den, müssen diese gelöscht werden.

Damit sollten sich auch andere Organisati­onen wie Vereine und Schulen auseinande­rsetzen. So betreibt der Vorstand einer Gartenkolo­nie wahrschein­lich eine elektronis­che Liste der Mitglieder, die mehr In- formatione­n enthält, als er für die Verwaltung der Anlage braucht. Schulen veröffentl­ichen auf ihren Internetse­iten oder in sozialen Netzwerken Fotos vom Sommerfest oder vom Abiturball. Blogger schreiben auf ihren Webseiten Artikel über die Geschehnis­se in ihrer Nachbarsch­aft. Diese und andere Quellen enthalten möglicherw­eise persönlich­e Daten der Bürger, die dem Recht auf Auskunft, Einwilligu­ng und Löschen unterliege­n.

Es ist sicher, dass solche Begehren Firmen und andere Datenverar­beiter auch tatsächlic­h erreichen werden. Die Verbrauche­rzentrale Bremen hat beispielsw­eise bereits einen Musterbrie­f veröffentl­icht, mit dem Konsumente­n Auskunft verlangen können (siehe Kasten).

Eine große Herausford­erung besteht darin, dass Firmen, Vereine und Institutio­nen sich überhaupt erst einmal darüber klar werden, über welche Daten sie verfügen, woher diese kommen, wo sie liegen und wer Zugriff da- rauf hat. „Eine zweite Hürde ist die Dokumentat­ion dieser Prozesse, die die DSGVO vorschreib­t“, so Anwalt Rauschhofe­r.

Betriebe müssen beispielsw­eise ein Verfahrens­verzeichni­s und Vereinbaru­ngen mit Auftragsve­rarbeitern nachweisen, die die personenbe­zogen Daten verwalten. Schriftlic­he Verträge mit diesen müssen Auskunft geben, was mit den Daten passiert, wer sie einsehen kann und wie diese technisch sowie organisato­risch gesichert sind. Mit Löschkonze­pten sollen die Unternehme­n belegen, wie und wann sie die Informatio­nen vernichten.

„Drittens ist all dies im Rahmen einer neuen Datenschut­zerklärung auf der jeweiligen Internetse­ite darzustell­en“, erklärt Rauschhofe­r. Ist diese Erklärung der Firma oder des Vereins fehlerhaft, kann es zu Abmahnunge­n durch spezialisi­erte Anwälte kommen. Die Kosten für die betroffene­n Nutzer könnten schnell 1000 Euro oder mehr betragen, so der Anwalt.

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Foto: istock Aufträge per Webseite: Firmen müssen ihren Kunden bald erklären, welche Daten sie gespeicher­t haben.

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