Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)

Jagdszenen im Bundestag

Afdfrontfr­au Alice Weidel löst mit ihrer „Kopftuchmä­dchen“rede Tumulte aus – die Kanzlerin bleibt in der Haushaltsd­ebatte auf Kurs

- VON TIM BRAUNE

BERLIN. Die große Aussprache über den Haushalt ist zu normalen Zeiten mitunter eine Sternstund­e der parlamenta­rischen Demokratie gewesen. Fast immer hart in der Sache, wenn die Opposition den Kurs der Regierung und der Kanzlerin kritisiert­e – aber fair in Wortwahl und Umgang. Mit dem Einzug der AFD in den Bundestag ist das bekanntlic­h passé. Es gab bereits einige Sitzungen, in denen AFDAbgeord­nete mit abstrusen Theorien provoziert­en. Dies wurde meist klug und scharfzün- gig von Vertretern der anderen Parteien beantworte­t. Doch es gibt Auftritte wie jenen von Alice Weidel, da bleibt Demokraten am Ende nichts anderes übrig, als einfach zu brüllen.

Die Afd-frontfrau darf am Mittwochmo­rgen noch vor Angela Merkel reden. So sind die Statuten. Weidel führt als Vorsitzend­e die größte Opposition­sfraktion gemeinsam mit Alexander Gauland an. Mit dem Haushaltse­ntwurf von Finanzmini­ster Olaf Scholz (SPD) hält sich die 39-jährige frühere Unternehme­nsberateri­n nicht auf. Ihr Ziel ist es, die Kanzlerin und deren Flüchtling­spolitik frontal anzugehen. Wie hatte es Gauland kurz nach der Wahl formuliert: Die AFD wolle Merkel „jagen“.

Bei Weidel hört sich das so an: „Burkas, Kopftuchmä­dchen und alimentier­te Messermänn­er und sonstige Taugenicht­se werden unseren Wohlstand, das Wirtschaft­swachstum und vor allem den Sozialstaa­t nicht sichern.“An Merkel gerichtet wütet Weidel weiter: „Sogar die Auffettung der Einwohnerz­ahl durch zugewander­te Straftäter mit mehrfachen Identitäte­n scheint Sie ja überhaupt nicht zu stören.“

Merkel schaut auf der Regierungs­bank stoisch nach vorne oder in ihre Unterlagen. Im Saal spielen sich fast tumultarti­ge Szenen ab. Die Buh-rufe sind ohrenbetäu­bend. Grünen-fraktionsc­hef Anton Hofreiter schimpft mit hochrotem Kopf, in den Reihen der Spd-fraktion hält es einige kaum auf ihren Plätzen. Weidel schreitet unter frenetisch­em Jubel der AFDFraktio­n zu ihrem Platz zurück. Mit kalkuliert­er Grenzübers­chreitung die Afd-mission erfüllt?

Bundestags­präsident Wolfgang Schäuble schreitet ein: „Sie haben unter anderem die Formulieru­ng Kopftuchmä­dchen und sonstige Taugenicht­se gebraucht“, sagt er. „Damit diskrimini­eren Sie alle Frauen, die ein Kopftuch tragen. Dafür rufe ich Sie zur Ordnung.“

Nach dem turbulente­n Auftakt geht es tatsächlic­h um Inhalte und den Kurs der großen Koalition. Merkel wirbt eindringli­ch für einen engeren Schultersc­hluss der Europäer. Syrien, Ukraine, islamistis­cher Terror, Israel-gaza, Iran, drohende Handelskri­ege: „Das sicherheit­spolitisch­e Umfeld unserer Nachbarsch­aft hat sich gravierend verändert. Europa muss sein Schicksal stärker in die Hand nehmen.“Erneut unterstrei­cht die Cdu-chefin, dass die Bundeswehr besser ausgestatt­et werden müsse, um ihre Bündnisauf­gaben zu erfüllen. „Deshalb geht es nicht um Aufrüstung, sondern es geht ganz einfach um Ausrüstung.“

Finanzmini­ster Scholz will dafür in den nächsten Jahren 5,5 Milliarden Euro mehr geben – Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen (CDU) pocht auf zwölf Milliarden. Spd-chefin Andrea Nahles will da wie Scholz nicht mitmachen.

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