Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)
Skandale, Intrigen und Seitensprünge
Besondere Angebote zu den Schlössertagen am Pfingstwochenende: In Greiz wird etwa über die Affären der Reußen referiert
GREIZ. Die diesjährigen Thüringer Schlössertage am Pfingstwochenende, 18. bis 21. Mai, stehen unter dem verlockenden Motto „Aufgeregt! Skandale, Intrigen und Seitensprünge“. Zu den 14 teilnehmenden Residenzen zählt das Sommerpalais Greiz, wo der Leiter des örtlichen Staatsarchivs, Hagen Rüster, am Samstag um 14 Uhr über „Die Seitensprünge der Reußen“referiert.
Auch wenn sich im Fürstenhaus Reuss Aelterer Linie nicht annähernd so viele amouröse Skandale abgespielt haben wie etwa in Sachsen unter August dem Starken, so konnte das Staatsarchiv Greiz durch Briefe, Rechnungen und Belege dennoch einige illegitime Abkömmlinge aufspüren. Besonders gut lässt sich das Liebesleben zweier Reußen im 19. Jahrhundert rekonstruieren: von Heinrich XIX. (1790-1836) und dessen jüngerem Bruder Heinrich XX. (1794-1859). Wobei die beiden derlei Angelegenheiten gänzlich unterschiedlich händelten.
Während der Ältere ziemlich herzlos agiert, müht sich Heinrich XX., seine unehelichen Kinder angemessen finanziell und sozial auszustatten. Dabei hatte der Ältere bei seiner ersten unehelichen Tochter noch Großmut bewiesen und der Mutter eine Abfindung im Falle einer Schwangerschaft versprochen. Laut dem Greizer Intelligenzblatt bekam besagte Frau tatsächlich ein Kind – ein Mädchen, das auf den Namen Henriette, die weibliche Form von Heinrich, getauft wurde.
Heinrich XX. zeugte fünf uneheliche Kinder
Von seinem zweiten illegitimen Sprössling, einem Sohn, will Heinrich XIX. indes nichts wissen. In einem zornigen Brief weist er 1818 den Oberkammerrat Zopf an, die Mutter mit Drohungen hinzuhalten, „ist aber gar kein anderer Ausweg mehr, so bringen Sie sie zum Schweigen, mit dem geringsten Aufwand als möglich“. Staatsarchiv-leiter Rüster nimmt an, dass es sich bei jener Mutter um „eine Art Partygirl“handelte, die man in geselligen Runden kommen ließ. Wie dem auch sei, auch für seinen Sohn Franz Julius zahlt Heinrich XIX. schließlich, wenn auch nicht übermäßig viel, wie Schatullrechnungen belegen.
Ganz anders verhält sich der jüngere Bruder Heinrich XX., der gleich fünf uneheliche Kinder zeugt. Die erste Tochter hat er mit der Pfarrerstochter Emilie Fritsche. „In freudiger Erwartung der Vaterschaft hatte er der Schwangeren bereits 5000 Thaler zugesagt“, berichtet Hagen Rüster. Eine derartige Summe stieß der fürstlichen Familie auf. In einem Brief unterrichtet Heinrichs Mutter Luise ihren Sohn, dass man die Abfindung um die Hälfte gedrückt habe. Der Prinz selbst weilt zu dieser Zeit zwecks militärischer Dienste im italienischen Gaeta bei Neapel.
Allerdings wird die 1821 geborene Tochter nur vier Wochen alt, was Oberkammerrat Zopf dem jungen Vater in vielsagenden Zeilen mitteilt: „Die Vaterfreude Ew. Hochfürstl. Durchl. ist sehr kurz gewesen, ob ich deswegen condoliren oder gratuliren solle, bin ich zweifelhaft. Es soll ein schönes Kind gewesen sein, indessen hat sich die Mutter in christlicher Gelaßenheit darein ergeben.“
Auch in Italien beginnt Heinrich XX. eine Liebschaft, diesmal mit der Frau eines verschollenen Militärs. Es dauert nicht lange und es kündigt sich abermals Nachwuchs an. Mutter und Bruder sind daheim in großer Sorge, „um Gottes willen bekenne dich nicht dazu, sonst bist du mit der zeit ruiniert“, warnt Fürstinmutter Luise. Heinrich XX. lässt sich nicht beeindrucken. Er lässt den Knaben, der auf den Namen Heinrich oder auch Enrico hört, sogar am Greizer Hof aufwachsen. Als Heinrich Baron von Rothenthal gründet dieser uneheliche Sprössling später eine neue
Adelsfamilie, die bis heute existiert. Obwohl er in den Adelsstand erhoben wurde, zeigt sein künstlicher Familienname „von Rothenthal“, dass er nicht zum Hause Reuss gehörte.
Ähnlich erging es dem dritten Kinde: Als Heinrich XX. aus Italien zurückkehrt, flammt die Liebe zur Pfarrerstochter Emilie Fritsche offenbar wieder auf. Die gemeinsame Tochter Isabella Waldhaus wird wie Enrico am Greizer Hof erzogen.
Bevor Heinrich XX. schließlich 1834 ganz offiziell heiratet, zeugt er noch mit zwei weiteren Frauen Kinder. Alle fünf Kinder waren zwar unehelich, aber nicht Ergebnis eines Ehebruchs – in rechtlicher wie moralischer Hinsicht damals ein großer Unterschied.
• Das gesamte Programm der Schlössertage steht im Internet: www.schloessertage.de