Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)

Nordhäuser Angriffspl­äne

Wacker will mit seinen Gipsmillio­nen in der nächsten Saison in die 3. Liga aufsteigen und ein neues Stadion bauen

- VON DIRK PILLE

NORDHAUSEN. Sein Selbstbewu­sstsein ist mindestens so gewaltig wie seine Körpermaße. Doch Nico Kleofas hat in den letzten Jahren Demut gelernt. Im Herbst 2016 schwebte der bullige Wachschutz-unternehme­r nach einem BlinddarmD­urchbruch wochenlang zwischen Leben und Tod. In „seinem“Verein ging es in diesen schweren Tagen ohne die Führungsfi­gur drunter und drüber. Der erste Anlauf, sich zu einem auch deutschlan­dweit bedeutende­n Kleinstadt-verein zu entwickeln, scheiterte krachend. Weit über 30 Profis, darunter der Ex-bundesliga-kultkicker Marco „Toni“Sailer, zwei Trainer (Albersinge­r, Van Eck) und ein berühmter Sportdirek­tor (Gaudino) standen am Saisonende auf der Lohnliste.

Sailer hat immer noch einen Vertrag bei Wacker, kickt dabei redlich in der Verbandsli­ga. Doch ansonsten hat Kleofas mit seinem neuen Intimus-trainer Volkan Uluc aufgeräumt. Der Berliner Coach mit türkischen Wurzeln, der auch schon beim BFC und Carl Zeiss Jena erfolgreic­h arbeitete, hat bei Wacker eine neue Ära eingeleite­t.

„Bayern München des Südharzes“– so stand es einst hochtraben­d in einer Werbebrosc­hüre des Nordhäuser Fußballver­eins. Kurz darauf war Wacker pleite, meldete 2001 gar Insolvenz an. Inzwischen hat sich der Verein, der unter dem Namen Motor sogar einmal in der Aufstiegsr­unde zur Ddr-oberliga stand, hochgearbe­itet. Zweimal Platz drei in der Regionalli­ga.

Präsident Kleofas sorgt seit über einem Jahrzehnt für diesen Aufwind. Finanziell steht Wacker im Gegensatz zu einigen Konkurrent­en auf stabilen Beinen. Der 45-Jährige, den vor ein paar Jahren sogar Sponsoren des FC Rot-weiß zum Präsidente­n in Erfurt machen wollten, hat im Lauf der Jahre zahlreiche vor allem regionale Sponsoren gefunden. Größter Geldgeber ist der Gips-riese Knauf, der im nahen Rottlebero­de eine Fabrik er- richtete und im Südharz das „weiße Gold“abbaut. Die Milliardär­e aus Franken, die mit einem Vermögen von sechs Milliarden Euro auf Platz 20 der reichsten deutschen Familien stehen, unterstütz­en Wacker, aber auch andere Vereine der Region, seit einigen Jahren auf dem Weg nach oben. Über den Etat hüllt sich Kleofas seit Anbeginn in Schweigen. Er dürfte in der neuen Saison klar über zwei Millionen Euro liegen. Das ist mit dem BFC Dynamo und Lok Leipzig Regionalli­ga-spitze.

Mit dem sportliche­m Anspruch und der wirtschaft­lichen Potenz konnten zuletzt Erfurts Stürmer Carsten Kammlott und der Magdeburge­r Aufstiegst­orwart Jan Glinker geholt werden.

Mit Lucas Scholl, dem talentiert­en Sohn von Ex-bayern-star Mehmet Scholl, spielt ein weiterer bekannter Name für Nord- hausen. Die Mannschaft scheint nach der aktuellen Vizemeiste­rschaft bereit für den Sprung nach oben in die 3. Liga.

Bei Wacker herrscht neben dem natürliche­n Selbstbewu­sstsein nach der Krise in der Saison 2016/17 aber auch deutlich hörbar Bescheiden­heit.

5000Zuscha­uerarena kostet 8,5 Millionen Euro

„Wir schießen nicht wie eine Rakete nach oben, sondern gehen Stufe für Stufe nach oben“, erklärte Kleofas. Schulden habe man unter seiner Führung nie gemacht und werde man auch künftig nicht machen. „Wir gehen definitiv unseren Weg gesund weiter“, erklärte Kleofas, der von den Mitglieder­n im Herbst mit 100 Prozent gewählt wurde. Sein Trainer Uluc warnt derweil gebetsmühl­enartig vor der „Brutalität der vierten Liga“und vor den Qualitäten der Konkurrenz. Wacker erlebte das am eigenen Leib, spielte 13-mal unentschie­den und schoss nur 48 Tore. Das reichte zu Platz zwei – aber mit 31 Punkten (!) Rückstand auf Alleingäng­er Cottbus.

„Wir haben einen Plan und geht der auf, werden wir kommende Saison viel Spaß haben“, erklärte Präsident Kleofas zum Saisonausk­lang. Es ist ein wahrer Angriffspl­an, denn Wacker muss sich vor allem in der Offensive verbessern, soll der Coup mit der 3. Liga gelingen.

Was nicht stimmt in Nordhausen, ist die Infrastruk­tur. Zwar ist die Bratwurst die beste der Liga, doch der marode AlbertKunt­z-sportpark versprüht nur noch den Charme der 80er-jahre. Deshalb soll nun noch in die- sem Jahr mit dem Bau einer neuen Arena für 5000 Fans begonnen werden. Sie ist Voraussetz­ung für die 3. Liga, die Wacker vehement anstrebt. Eine Million schießt dabei die Spielbetri­ebsGmbh des Profi-teams für das Projekt über seinen Sponsor Knauf zur geplanten Bausumme von 8,5 Millionen Euro zu.

Wie die hochfliege­nden Pläne das Anspruchsd­enken der Anhänger (Zuschauers­chnitt nur 832) verändert haben, mussten Kleofas und Uluc kürzlich erfahren. Nach ein paar schwachen Auftritten innerhalb der harten sechs englischen Wochen am Stück, wurden „Uluc raus“-rufe laut. Und im Internet beschimpft­en „namenlose Personen“den Trainer und seine Elf. Der Präsident hatte dafür eine typische Kleofas-antwort parat: „Wenn ich rauskriege, wer das war, kriegen die bei uns Stadionver­bot.“

 ?? Foto: Christoph Keil ?? Zwei Glatzköpfe, die sich verstehen: Wacker Präsident Nico Kleofas (links) und Trainer Volkan Uluc.
Foto: Christoph Keil Zwei Glatzköpfe, die sich verstehen: Wacker Präsident Nico Kleofas (links) und Trainer Volkan Uluc.

Newspapers in German

Newspapers from Germany