Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)
Hohe Hürden für ausländische Pflegekräfte
Verbandschef für schnellere Anerkennung von nicht in Deutschland abgeschlossenen Ausbildungen
ERFURT. Der Deutsche Pflegeverband (DPV) kritisiert zu hohe Hürden bei der Anerkennung gut ausgebildeter ausländischer Fachkräfte in Thüringen. „Das muss in der Verwaltung gastfreundlicher und schneller gehandhabt werden“, sagte Dpvgeschäftsführer Rolf Höfert im Gespräch mit dieser Zeitung. Das Zusammenspiel zwischen Ausländerbehörde, Landesverwaltungsamt und Arbeitsagentur müsse verbessert werden. „Da heißt es, nicht kleckern, sondern klotzen“, so Höfert. Zudem müsse die Weiterbildung von den Trägern finanziert werden und dürfe nicht zu Lasten der Mitarbeiter gehen. Besonders gestiegen sei der Bedarf für die Betreuung Demenzkranker.
In Thüringen fehlen laut Höfert, der auch Vorsitzender des Paritätischen im Freistaat ist, etwa 6000 Pflegekräfte. Der Wohlfahrtsverband sieht in ausländischen Fachkräften und der Ausbildung von Geflüchteten Potenzial im Kampf gegen den Pflegenotstand. Nach Branchenangaben hat sich zwischen 1999 und 2015 die Zahl der Pflegebedürftigen in Thüringen auf fast 100 000 mehr als verdoppelt.
ERFURT. Der Thüringer Pflegepakt wurde am 7. November 2012 unterzeichnet. Neben der Landesregierung und kommunalen Spitzenverbänden waren unter anderem die Liga der freien Wohlfahrtspflege und die Pflegekassen mit im Boot. Ziel war und ist: „eine qualitativ hochwertige Pflegeversorgung im Freistaat zu sichern, die Aus-, Fort- und Weiterbildung sowie die Vergütung der Pflegeleistungen und die Entlohnung der Mitarbeitenden zu verbessern“. So steht es immer noch auf der Internetseite des Sozialministeriums.
Doch angesichts 6000 benötigter Pflegekräfte im Freistaat fehle der Initiative der nötige „Drive“, wie es der Vorsitzende des Paritätischen, Rolf Höfert, im Gespräch mit dieser Zeitung formuliert. Der Thüringer Pflegepakt müsse zur konzertierten Aktion werden. Und Sozialministerin Heike Werner (Linke) solle hier die „Kümmerer- und Koordinationsrolle“übernehmen. Schließlich hätten die Menschen das Recht auf eine qualitätsorientierte pflegerische Versorgung, sagt Höfert.
Ende vergangenen Monats war die Pflege auch Thema im Landtag. Sozialstaatssekretärin Ines Feierabend ließ dabei die Frage nach einer Personalquote für Altenheime offen und verwies auf den Pakt. „Ich glaube, dass es ganz ohne verbindliche Vorgaben nicht gehen wird“, sagte sie aber in Bezug auf die Situation in Krankenhäusern. Das Ministerium wolle jedoch die Ergebnisse der von der Bundesregierung diskutierten Mindestvorgaben für einige Krankenhausbereiche abwarten.
Der Bundesregierung zufolge ist der Pflegenotstand in Thüringen hoch. Auf 100 offene Stellen kommen danach nur 14 Arbeitssuchende. Dramatischer sehe die Situation nur in Sachsen und Rheinland-pfalz aus, wo auf 100 offene Stellen 13 arbeitslose Pflegefachkräfte kämen.
Die Cdu-fraktion spricht von etwa 94 000 Thüringern, die auf Pflege angewiesen sind. Von ihnen lebten 27 000 in Pflegeeinrichtungen, heißt es.
Rolf Höfert, Vorsitzender der Parität
„In den Krankenhäusern ist in den letzten 15 Jahren gefrevelt worden. Dort wurden 70 000 Stellen in der Pflege abgebaut“, sagt Höfert. Zugleich seien 150 000 Fachkräfte weniger ausgebildet worden. Das sei an sich logisch, sagt Höfert. Wenn man Personal streiche, müsse man auch nicht mehr so viel Nachwuchs heranziehen.
Der Standpunkt der Kliniken sei gewesen: Warum soll ich für Altenheime und die ambulante Pflege ausbilden? Der Pflegeexperte spricht von „Profitmaximierung“und „egoistischen Motiven“
unter dem Deckel des Kostendrucks durch DRGS, das Abrechnungssystem diagnosebezogener Fallgruppen. „Der Pflegenotstand ist politisch und institutionell hausgemacht“, ist Höfert überzeugt.
Für den Geschäftsführer des Deutschen Pflegeverbandes steht deshalb fest: „Es muss eine Ausbildungsoffensive geben“, sagt er an die Adresse des neuen Bundesgesundheitsministers Jens Spahn (CDU). „Und zwar umgehend und zeitnah.“Denn selbst diese Offensive greife erst in drei bis vier Jahren, weil dann die Menschen erst fertig ausgebildet seien.
Dass Spahn sich jüngst gegen eine Akademisierung der Pflegeberufe ausgesprochen hat, hält Höfert für einen „Hammer“. Da stehe der Minister wohl nicht ganz im Thema, meint er. Immerhin gebe es das Pflegeberufsgesetz, das neben der neu strukturierten dreijährigen Ausbildung einen Studiengang vorsehe. Der DPV-CHEF hält diesen Schritt für überfällig. Wenn es um das wissenschaftliche Fundament gehe, sei Deutschland im europäischen Umfeld ein „Notstandsgebiet“.
„In den Krankenhäusern ist in den letzten 15 Jahren gefrevelt worden. Dort wurden 70 000 Stellen in der Pflege abgebaut.“