Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)
Gedenkstätte hilft der Polizei
Sowohl Verfolger als auch Häftling: Pilotprojekt beleuchtet Rollen der Ordnungskräfte in der Nszeit
BUCHENWALD. Andreas Müllertucholski nimmt kein Blatt vor den Mund. „Dass der Polizeibeamte sein Gegenüber als Objekt sieht, diese Gefahr besteht immer.“Der Dozent an der Fachschule der Polizei lässt die Worte einige Sekunden wirken – um anzuschließen: „Die Polizei hat im demokratischen Rechtsstaat ein anderes Menschenbild als in totalitären Strukturen.“
Genau darum geht es: Die Gedenkstätte Buchenwald und die Fachschule für öffentliche Verwaltung haben ihre Kooperation auf ein neues Niveau gehoben. Gedenkstättenleiter Volkhard Knigge und Schulleiter Thomas Ley unterzeichneten zu diesem Zweck gestern eine Kooperationsvereinbarung.
Was beide Kooperationspartner eint: das Eintreten für Wahrung der Menschenrechte und die freiheitlich-demokratische Grundordnung. Und dazu würde eben nicht passen, dass Polizeibeamte ihr Gegenüber als ein Objekt betrachten.
„Die Kooperation soll helfen, dass Polizisten in die Lage versetzt werden, angemessen handeln zu können“, sagt Thomas Ley. In der Vergangenheit passierte bereits viel, um Beamte im höheren Dienst auf bestimmte Situationen vorbereiten zu können. Auch in Zusammenarbeit mit der Gedenkstätte. Diese Kooperation zu intensivieren, dass sei Wunsch der Polizeiausbilder gewesen.
Mit einem erst wenige Tage zurückliegenden Pilotprojekt ist der Schritt dafür bereits getan. 41 Studierende haben sich in Nordhausen mit der Geschichte von Mittelbau-dora befasst, das im Zweiten Weltkrieg Außenlager des Konzentrationslagers Buchenwald gewesen ist. Dabei standen die Rollen von Polizisten im Fokus – einerseits jener verbrecherischen Gestapomänner und andererseits der Polizisten, die als Widerständler zu Häftlingen geworden sind.
Auf dieser Form der Auseinandersetzung mit der Geschichte des Ortes und der Personen baut die Kooperation der beiden Einrichtungen auch zukünftig. Zwei Dinge, sagt Volkhard Knigge, könne die Gedenkstätte liefern. Zum einen sei das die Befassung mit dem Nationalsozialismus, aber auch dem Stalinismus „als große negative Folien“. Zum anderen stehe aber auch eine Befassung vor allem mit den Polizisten im Mittelpunkt der geplanten Bildungsveranstaltungen, die in den Widerstand gegangen sind. Diese besondere Rolle der Polizei „als Verfolger“, aber auch als Häftling solle herausgearbeitet werden, sagt Holger Obarius, kommissarischer Leiter des Bereiches Gedenkstättenpädagogik.
Neben den Angeboten für den höheren Dienst der Polizei, für den die Vereinbarung zunächst geschlossen wurde, denken beide Seite aber bereits jetzt darüber nach, eine Ausdehnung der Kooperation auch für die Beamten des mittleren Dienstes zu erarbeiten – also auch für jene, die oft noch mehr als andere ganz konkret in Handlungssituationen auf der Straße kommen, in denen schnelle und menschenwürdige Handlungen und Entscheidungen gefragt sind.