Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)
Die Spur der Fischstäbchen
Antje Schubert hat dem größten deutschen Tiefkühlkosthersteller Iglo einen radikalen Strategiewechsel verordnet
HAMBURG. In der Hamburger Iglo-zentrale haben sie jetzt auch einen dieser leicht schrill eingerichteten Räume, in denen sich die Leute zum Nurmal-so-plaudern treffen. Wobei im besten Fall Ideen geboren werden, die das ganze Unternehmen voranbringen. An der Garderobe hängt das blaue Uniformjackett des Käpt’n, die Sessel waren früher Bottiche, in denen Schlemmerfilet-sauce durch das Fischwerk in Bremerhaven gerollt wurde. „Wir haben Künstler gebeten, sich unserer Räume anzunehmen. Sie haben sich in den Werken gesucht, was dort nicht mehr gebraucht wurde“, sagt Antje Schubert.
Der Kreativraum wurde eingerichtet, nachdem die erfahrene Lebensmittel-managerin im Herbst 2015 an die Spitze von Iglo Deutschland gerückt war. Seitdem hat sich vieles verändert beim hierzulande größten Tiefkühlkosthersteller. Und er hat sein zuvor größtes Problem gelöst. Nach Jahren mit Umsatzeinbußen und dem Verlust von Marktanteilen setzte Iglo 2017 mit beeindruckenden Zahlen ein Ausrufezeichen im hart umkämpften Geschäft um tiefgefrorenen Fisch und Gemüse.
Um 15,3 Prozent auf 466 Millionen Euro wuchs der Wert der im deutschen Lebensmittelhandel verkauften Iglo-produkte. „Wir haben innerhalb eines Jahres aufgeholt, was wir in den vier Jahren zuvor eingebüßt hatten“, sagt Schubert und wirkt sehr zufrieden. Denn der Gesamtumsatz mit Tiefkühlprodukten in Deutschland wuchs 2017 nur um etwa zwei Prozent. Hätte Iglo nicht so zugelegt, wäre es weniger als ein Prozent gewesen.
Dass Schubert sehr vieles richtig macht, bringt ihr in der Branche Respekt ein. „Die Kollegin macht das wirklich richtig gut“, sagt der Top-manager eines Mitbewerbers. Es ist aber auch so, dass Schubert vieles anders machen darf als ihre Vorgänger. Das liegt an der vorerst letzten grundlegenden Wende in der Firmengeschichte. 2015, kurz bevor Schubert von Iglo Niederlande nach Hamburg wechselte, reichte die britische Beteiligungsgesellschaft Permira, die Iglo 2006 von Unilever gekauft hatte, das Unternehmen an Nomad Foods weiter, ein Unternehmen mit Sitz auf Tortola (Britische Jungferninseln) und Börsennotiz in New York. Es schien, als sei Iglo den ganz harten Jungs der Investmentbranche in die Hände gefallen. Das ist aber nicht so. „Es wird den lokalen Märkten wieder zugehört“, sagt Schubert. Was bedeutet, dass es zu Permira-zeiten anders war. Die Briten fuhren eine Internationalisierungsstrategie. Iglo – die Marke ist in sieben europäischen Ländern präsent und produziert unter anderen Markennamen für sechs weitere Länder – sollte überall gleich sein. Das spart Kosten. Käpt’n Iglo, in Deutschland eine wichtige Werbefigur, in Frankreich, Spanien, Portugal aber unbekannt, verschwand. Der Blubb im Spinat, den es allein hierzulande gibt, wurde nicht beworben, Tiefkühlgemüse ebenso wenig.
Die Werbeetats wurden umgeschichtet auf neue Produkte wie etwa eine in Großbritannien ersonnene Gemüsemischung in Spezialfolie zum Kochen in der Mikrowelle. Das Produkt funktionierte in Deutschland aber nicht, weil die Mikrowelle hier fast nur zum Erwärmen genutzt wird. Die Gemüsemischung gibt es nicht mehr, anderes hat sich auch geändert. „Wir setzen wieder regionale Akzente und konzentrieren uns auf das Kerngeschäft“, sagt Schubert über die neue Strategie.
Mit dem Käpt’n kam auch der Erfolg zurück
Das Kerngeschäft sind Tiefkühlfisch und -gemüse. Böse Zungen behaupten, es seien Fischstäbchen und Spinat. Immerhin: Von den 27 Fischstäbchen, die jeder Verbraucher in Deutschland dem Deutschen Tiefkühlinstitut zufolge im Durchschnitt pro Jahr verzehrt, kommen 18 von Iglo. „64 Prozent Marktanteil ist der höchste Wert, den wir je hatten“, sagt Schubert.
Das ist auch der neuen Werbestrategie zu verdanken. Der Käpt’n schippert wieder durch die Tv-werbeblöcke, auch der Blubb-spinat ist zurück. Der Erfolg lässt sich an der Liste der beliebtesten Tiefkühlprodukte in Deutschland ablesen. Im ersten Halbjahr 2015 kamen von den 20 absatzstärksten drei von Iglo, im ersten Halbjahr 2017 fünf.
Die Konzentration auf das Kerngeschäft will Schubert einstweilen beibehalten. Jedes Jahr eine Reihe neuer Produkte auf den Markt zu bringen, ist Standard, Trendgemüse wie Süßkartoffel und Pastinake etwa. Bei Tiefkühlfertiggerichten für die Pfanne „gibt es noch weiße Flecken“, sagt Schubert.
Sie hat schon bald nach dem Amtsantritt ihr Chefbüro verlassen und sich einen Schreibtisch im Großraum gesucht. Das Du ist Standard auf den Fluren. „Man muss den Leuten zuhören und Fehler zulassen können“, sagt sie. Und so wie sie das sagt, klingt es, als ob auch das früher anders war bei Iglo.