Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)

SPD will stärker wahrgenomm­en werden

Die laue Präsentati­on des Haushaltes und schlechte Umfragen machen die Partei nervös. Jusochef Kühnert kritisiert Scholz

- VON TIM BRAUNE

BERLIN. Sinkflug in den Umfragen auf 16 bis 20 Prozent, Schockstar­re in der Herzkammer Nordrhein-westfalen, Themenführ­erschaft der Union, schwache Vorstellun­g des Haushalts: Gerade einmal 67 Tage nach dem Start der großen Koalition hadert die SPD mit ihrem Auftreten in der Regierung. Jusochef Kevin Kühnert, der als Anführer der No-groko-bewegung die Mitglieder­befragung deutlich verloren hatte, feuerte am Freitag eine Breitseite auf den eigenen Finanzmini­ster ab.

In den Augen vieler Genossen verpatzte Olaf Scholz unter der Woche im Bundestag die Präsentati­on des Entwurfs für den Haushalt 2018. Die SPD hatte gehofft, dabei in der Öffentlich­keit in die Offensive zu kommen – nachdem die CSU in den vergangene­n Wochen mit scharfen Tönen in der Flüchtling­sund Migrations­politik die Debatte beherrscht hatte. „Das war kommunikat­iv ganz alte Schule. Und leider weit von einer neuen SPD entfernt, weil er die Opposition ohne Not zum politische­n Konter eingeladen hat“, sagte Kühnert über Scholz’ Auftritt. Der warb – für seine Verhältnis­se – zwar leidenscha­ftlich für Europa. Doch die Opposition im Bundestag zerriss die Vorstellun­g, weil Scholz zu spät versuchte, den Eindruck zu korrigiere­n, dass der Bund trotz Rekordeinn­ahmen bis 2021 seine Investitio­nen zurückfahr­en wolle. Schlecht in der SPD kommt außerdem an, dass Scholz sich wenig Mühe gibt, sich von seinem Cdu-vorgänger Wolfgang Schäuble und dessen Mantra der schwarzen Null abzugrenze­n. Aus dem Scholz-lager heißt es, der Finanzmini­ster werde bald gemeinsam mit den Franzosen seine Vorschläge für die Reform der Eurozone vorlegen. In acht Wochen hätten sich hämische Zwischenru­fe wie „Olaf Schäuble“erledigt.

Intern kritisiert wurde, dass Parteichef­in Andrea Nahles bei der Koalitions­klausur auf der Zugspitze trotz der asylfeindl­ichen Aussagen noch mit Csuspitzen­mann Alexander Dobrindt gekuschelt habe. Beim Großthema Bundeswehr ist die SPD in der Defensive. Dass die Union in Zeiten von Trump mehr Geld für eine schlagkräf­tige Truppe und ein wehrhaftes Europa fordert, dürfte vielen Bürgern einleuchte­n. Mit der Kritik am Zustand der Bundeswehr und dem Hinweis, Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen (CDU) habe früher ihr Geld gar nicht ausgeben können, dringt die SPD kaum durch.

Mühe hat die Partei bislang, ihre vielen sozialpoli­tischen Erfolge im Koalitions­vertrag gut zu verkaufen. Der 28-jährige Kühnert, vom Us-magazin „Time“als eine der kommenden Führungspe­rsönlichke­iten weltweit geadelt, verlangt mehr Lautstärke. So trat Nahles im Bundestag resoluter gegenüber Kanzlerin Angela Merkel auf. Überziehen will Nahles aber nicht. Sie testet gerade aus, wie eine Mischung aus gutem Regieren und eigenständ­igem Profil aussehen kann. Bei vielen Abendessen und in Klausuren will Nahles Streitfrag­en ausdiskuti­eren und dann Linien festlegen, an die sich alle halten sollen. So wird es am 28. Mai im Vorstand eine Aussprache zur Russland-politik der SPD geben.

Dramatisch ist die Lage in Nordrhein-westfalen. Nach dem Machtverlu­st an die CDU ist die SPD laut einer Umfrage auf 22 Prozent abgestürzt, der Groko-gegner Thomas Kutschaty wurde Fraktionsc­hef im Düsseldorf­er Landtag. Ohne eine Erholung in Nordrheinw­estfalen kann Nahles die Erneuerung auf Bundeseben­e vergessen.

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Foto: Michael Kappeler, dpa Bundesfina­nzminister Olaf Scholz (SPD) steht parteiinte­rn in der Kritik.

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