Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)
Sensible Beobachterin und Stilistin
Kunstsammlung Jena zeigt bis 12. August neue Ausstellung „Erika John. Alles ist ICH“mit Zeichnungen, Gemälde und Fotografien
JENA. „Ich habe meinen Tod als Künstlerin verkündet, hoffentlich kann ich nun alle, denen ich‚ so viel gegeben habe‘, abschütteln. Weg von diesem Kulturklüngel“, schreibt Erika John am 6. April 1996 in ihr Tagebuch. Mit 53 Jahren beschließt die Jenaer Grafikerin und Malerin Erika John, sich aus dem öffentlichen Leben zurückzuziehen und nichts mehr auszustellen.
Genauso still ist Erika John selbstgewählt aus dem Leben geschieden. Ende Januar 2008 war ihr Freitod bekannt geworden, den sie Monate zuvor in ihrer kleinen Plattenbauwohnung in Lobeda-west begangen hatte. Der genaue Zeitpunkt bleibt ungewiss, denn sie pflegte keinen Umgang mehr zu ihren Mitmenschen. Es ist der traurige Abschluss eines von Brüchen, Verletzungen und Einsamkeit geprägten Lebens. Mit der neuen Ausstellung „Erika John. Alles ist ICH“will die Kunstsammlung Jena diese besondere Künstlerin, die in diesem Jahr 75 Jahre alt geworden wäre, wieder ins kollektive Bewusstsein zurückholen und zugleich dazu einladen, ihre bemerkenswerte Kunst neu zu entdecken. Nachdem über Jahre der über 1000 Arbeiten umfassende Nachlass Johns in der Kunstsammlung Jena aufgearbeitet wurde, werden nun erstmals 120 ausgewählte Arbeiten daraus präsentiert.
Erika John wird am 1. Januar 1943 in eine kommunistische Arbeiterfamilie hineingeboren. Sie erfährt seit frühester Kindheit eine starke Beeinflussung durch ihre alleinerziehende Mutter Paula Klose, Tochter des kommunistischen Widerstandskämpfers Josef Klose. Denn diese unterstellt ihr ganzes Leben der Staatssicherheit und übergibt in Folge dessen die Tochter ab einem Alter von vier Jahren der Obhut des Ddrheimsystems. Acht Heime hat Erika John erleben müssen. Die fehlende Wärme, Einsamkeit und das Heimweh, der Drill in der Gemeinschaft bleiben nicht ohne Folgen. Das Kind und die Heranwachsende werden auf sich zurückgeworfen. „Sie rettet sich in die Welt der Bücher und entdeckt das Zeichnen als Rückzugsort und Form der Freiheit für sich“, erklärt Manuela Dix, Kuratorin der neuen Ausstellung.
„Immer sollte ich etwas werden, nie durfte ich etwas sein“, schreibt die Künstlerin so auch selbst. Und tatsächlich sollte auch sie – nach den Wünschen ihrer Mutter – im Dienste des Staates leben. Doch Erika John geht einen anderen Weg. Sie studiert von 1965 bis 1970 in Dresden an der Hochschule für Bildende Künste. Zurück in Jena wird Erika John Mitglied im Verband Bildender Künstler, ist ab 1973 freischaffend und wirkt zugleich als Zirkelleiterin, Dozentin und Ausstellungsmacherin. Mit der Wende und dem Tod der Mutter erlebt John neue, für sie einschneidende Brüche. In den letzten Jahren bis zu ihrem Tod lebt sie von Hartz IV.
„Die Rettung ihres Werkes ist Ingeborg Stein zu verdanken“, erzählt der Kurator der Jenaer Kunstsammlung, Erik Stephan. Die Dichterin und ehemalige Leiterin des Schütz-hauses Bad Köstritz, die Erika John bei ihrer Lehrtätigkeit an der Uni Jena kennen gelernt hatte, bewahrt den Nachlass vor der Vernichtung. Ein Nachlassgericht setzt schließlich mit Christl Prange, Regina Lange, Martina Kürbs und Elke Decker ein Erbinnenkollektiv ein, das das Konvolut zunächst sichtet. 2013 schließlich geht der Nachlass an die Kunstsammlung über.
„Landschaften als Stimmungsbilder, die Natur als Refugium und Ort der Ruhe und inneren Einkehr stehen im Mittelpunkt ihrer Arbeiten. Ebenso wie die menschliche Figur“, erklärt Manuela Dix. „Erika John war geprägt von einer großen Neugier am Menschen und seinen Empfindungen. Sie nahm stets tiefen Anteil. Zugleich lässt sich in den Zeichnungen und Gemälden ein großes Misstrauen gegenüber ihren Zeitgenossen erkennen.“Entstanden sei ein Werk, das sich durch eine hohe Sensibilität für das Gesehene und eine genaue Beobachtung für die leisen Zwischentöne auszeichnet.
Geprägt von einer schwierigen Kindheit