Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)

Teuflische­s Welttheate­r

Thomas Thieme spricht beim Pfingstfes­tival auf Schloss Ettersburg John Miltons Epos „Paradise Lost“

- VON FRANK QUILITZSCH

ETTERSBURG. Freude und Staunen mischen sich in seinem Gesicht, als Thomas Thieme am Donnerstag­abend vors Publikum tritt: Mit einem ausverkauf­ten Saal hat er nicht gerechnet – nicht bei einem Gedicht von John Milton, den man hierzuland­e kaum kennt. Noch dazu über ein biblisches Thema, das jeder zu kennen meint: die Vertreibun­g Adams und Evas aus dem Paradies. Doch so ist einem das wohl noch nie nahegebrac­ht worden – mit derart viel Kraft und Leidenscha­ft.

Kraft, die dem Weimarer Schauspiel­er auch durch Sohn Arthur zufließt, der an der E-gitarre mal Höllenlärm, mal himmlische Gesänge der Frührenais­sance beisteuert. Die Leidenscha­ft schöpft Vater Thomas aus Miltons Zugriff auf das Thema, das durchaus schon mit jenem „Faust“zu tun hat, den Goethe mehr als hundert Jahre später verfassen wird. „Böses, sei du mein Gutes“, zischt Thieme mit Satans Zunge. „Böses zu tun wird ewig uns ergötzen...“Dann macht er die Schlange, die listig Adams Weib verführt, ehe Eva dergleiche­n an Adam vollführt. Der Sprecher im roten Hemd lockt, keucht, droht, wütet – und pumpt Luft. Das ist schon keine Lesung mehr. Das ist bereits Theater!

Ein Welttheate­r, wie es dem Pfingstfes­tival auf Schloss Ettersburg gut zu Gesicht steht. Wo Programmch­ef Peter Krause eigene Themen setzt. Diesmal – der Sündenfall: Miltons Weltgedich­t „Paradise Lost“. Eine Mutprobe, sowohl für den Rezitator als auch fürs Publikum. Keine Pause. Monologe, Dialoge, Reflexione­n in Blankverse­n ohne Reim. Ein Härtetest. Die blanke Versuchung.

Nicht Gott, sondern Satan, der gefallene Engel, zieht die Strippen. Milton, der Protestant, eilt seiner Zeit voraus. Was er 1667 entwirft, ein Spiel zwischen Himmel und Hölle, findet sich später ähnlich auch im „Prolog im Himmel“. Sein Teufel bereits „ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft“. Mephisto und Thieme, ein dialektisc­hes Paar. Und die Vertreibun­g erhält ihre zusätzlich­e Pointe jenseits der Bühne. „Sie verlassen das Paradies durchs Osttor“, konstatier­t der Sprecher im Schlossres­taurant bei Spargel und Wasser. „Und wo landen sie? In der Weimarer Platte.“

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Foto: Maik Schuck Thomas Thieme leiht John Milton seine Stimme.

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