Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)
Teuflisches Welttheater
Thomas Thieme spricht beim Pfingstfestival auf Schloss Ettersburg John Miltons Epos „Paradise Lost“
ETTERSBURG. Freude und Staunen mischen sich in seinem Gesicht, als Thomas Thieme am Donnerstagabend vors Publikum tritt: Mit einem ausverkauften Saal hat er nicht gerechnet – nicht bei einem Gedicht von John Milton, den man hierzulande kaum kennt. Noch dazu über ein biblisches Thema, das jeder zu kennen meint: die Vertreibung Adams und Evas aus dem Paradies. Doch so ist einem das wohl noch nie nahegebracht worden – mit derart viel Kraft und Leidenschaft.
Kraft, die dem Weimarer Schauspieler auch durch Sohn Arthur zufließt, der an der E-gitarre mal Höllenlärm, mal himmlische Gesänge der Frührenaissance beisteuert. Die Leidenschaft schöpft Vater Thomas aus Miltons Zugriff auf das Thema, das durchaus schon mit jenem „Faust“zu tun hat, den Goethe mehr als hundert Jahre später verfassen wird. „Böses, sei du mein Gutes“, zischt Thieme mit Satans Zunge. „Böses zu tun wird ewig uns ergötzen...“Dann macht er die Schlange, die listig Adams Weib verführt, ehe Eva dergleichen an Adam vollführt. Der Sprecher im roten Hemd lockt, keucht, droht, wütet – und pumpt Luft. Das ist schon keine Lesung mehr. Das ist bereits Theater!
Ein Welttheater, wie es dem Pfingstfestival auf Schloss Ettersburg gut zu Gesicht steht. Wo Programmchef Peter Krause eigene Themen setzt. Diesmal – der Sündenfall: Miltons Weltgedicht „Paradise Lost“. Eine Mutprobe, sowohl für den Rezitator als auch fürs Publikum. Keine Pause. Monologe, Dialoge, Reflexionen in Blankversen ohne Reim. Ein Härtetest. Die blanke Versuchung.
Nicht Gott, sondern Satan, der gefallene Engel, zieht die Strippen. Milton, der Protestant, eilt seiner Zeit voraus. Was er 1667 entwirft, ein Spiel zwischen Himmel und Hölle, findet sich später ähnlich auch im „Prolog im Himmel“. Sein Teufel bereits „ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft“. Mephisto und Thieme, ein dialektisches Paar. Und die Vertreibung erhält ihre zusätzliche Pointe jenseits der Bühne. „Sie verlassen das Paradies durchs Osttor“, konstatiert der Sprecher im Schlossrestaurant bei Spargel und Wasser. „Und wo landen sie? In der Weimarer Platte.“