Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)
Geschichtsbilder in Schwarz-weiß
Das Erfurter Angermuseum widmet dem aus Thüringen stammenden Graphicnovelkünstler Simon Schwartz eine Personalausstellung
ERFURT. „Mein Ziel war ein eigenes Buch. Alles andere ist Bonus.“Simon Schwartz ist immer noch angetan über die glückliche Fügung, die ihm vor fast zehn Jahren widerfuhr. Mit seiner Abschlussarbeit zum Illustrator an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg hat er ein Thema aufgegriffen, das damals genau den Nerv der Zeit traf. 2009 erschien die Arbeit zu Grenzerfahrungen und Mauerfall im Avantverlag unter dem Titel „drüben!“. Es ist die Geschichte seiner Eltern, die Simon Schwartz „mit viel Wut im Bauch“gezeichnet hat. Eine sequenzielle Bilderzählung aus der Sicht eines Zeitzeugen, der bis dahin nicht gehört wurde. Der Ich-erzähler ist ein Vorschulkind – Simon.
Seine Eltern waren Studenten an der Pädagogischen Hochschule in Erfurt, der Vater kam aus einer linientreuen Familie. Simon wurde 1982 in Erfurt geboren. Zwei Jahre später siedelten die Eltern nach West-berlin um. Der Bruch in der Familie ist bis heute nicht so richtig geheilt, berichtet Simon Schwartz. Das Buch aber – eine Graphic Novel in Schwarz-weiß – erlebt die fünfte Auflage.
Inzwischen ist Simon Schwartz zu einem national bekannten Zeichner geworden. Für das Erfurter Angermuseum gehört er zur „ersten Liga der deutschen Comic-künstler“, und so würdigt es ihn mit einer Personalausstellung. Unter dem Titel „Geschichtsbilder“wird sie eröffnet.
Dass Schwartz so viel Anerkennung in Thüringen erfährt, hängt nicht nur mit der Geburtsstadt Erfurt zusammen, sondern auch mit einem Großprojekt, das 2012 für viel Diskussionen sorgte. Für die „Gedenkund Bildungsstätte Andreasstraße“in der ehemaligen Stasi-zentrale hat er einen 7 mal 40 Meter großen Bildfries entworfen, der erneut den Herbst ’89 in den Mittelpunkt rückte. Die Entwürfe hat er voller Stolz dem Angermuseum überlassen. Natürlich sind sie in der Sonderausstellung zu sehen, die chronologisch aufgebaut ist. Es sei eine Reise durch die Biografie in acht Werkzyklen, sagt Kuratorin Cornelia Nowak. Da wird zum Beispiel ein Schulheft präsentiert, das Zeichnungen des 13-jährigen Simon zeigt. Danach folgen seine wichtigsten Bücher, darunter das in diesem Jahr erschienene Buch „Ikon“über die falsche Zarentochter Anastasia, die in den 1920er-jahren in einer Berliner Anstalt auftauchte. Sechs Jahre habe er an diesem Buch gearbeitet, berichtet Schwartz im Gespräch mit dieser Zeitung, weshalb er in nächster Zeit vorerst keine historischen Ereignisse mehr umsetzen möchte. Ohnehin sei er noch mit einem Projekt für den Deutschen Bundestag beschäftigt, bei dem das Leben von unbekannten Abgeordneten aus der Zeit von 1918 bis 1933 erzählt werden soll. Das sagt viel darüber aus, wie gut Simon Schwartz im Geschäft ist, vielmehr aber über die Wertschätzung der Graphic Novel. „Wir rasen in Sieben-meilen-stiefeln in der Akzeptanz dieser Kunstform voran“, führt er aus. Die jungen Leute haben heute viel eher gelernt, die Text-bild-folgen zu erkennen und die Narration zu verfolgen.
Die Ausstellung ist im Angermuseum bis 9. September zu sehen, 2019 in der Ludwiggalerie Schloss Oberhausen (NRW).