Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)
Vom „Wahnsinn“und „Irrtum“zum Grundrecht
Prof. Julia Knop sprach beim Eichsfeldforum zum Thema „Glaubensfreiheit dogmatisch denken“
HEILIGENSTADT. Frage der Referentin an die Besucher des Eichsfeldforums am Donnerstag im Heiligenstädter Marcel-callo-haus: „Können Sie sich noch daran erinnern, wann Sie katholisch geworden sind, wann Sie begonnen haben, zu glauben?“Das sei, sagt Prof. Dr. Julia Knop, Lehrstuhl für Dogmatik, Katholisch-theologische Fakultät der Universität Erfurt, gewiss nicht bei jedem Menschen ein exakt anzugebender Moment gewesen.
Mit „Glaubensfreiheit dogmatisch denken“war ihr Vortrag überschrieben, der zur angeregten Diskussion aufforderte, aber ebenso zum Nachdenken. In ostdeutschen Städten, so in Erfurt, hat die Wissenschaftlerin von Gesprächspartnern, von Studenten gehört, sie seien der einzige katholische Schüler in der Klasse beziehungsweise an der Schule gewesen oder sie seien erst vor wenigen Jahren, im Erwachsenenalter, getauft worden. Ziel des Abends bestehe nicht darin, schnelle Antworten auf alle Fragen, schnelle Lösungen zu finden. Auch ihre Studenten, von denen die größte Gruppe aus dem Eichsfeld stammt, würden – und das sei von ihr beabsichtigt – nach einer Vorlesung Fragen mitnehmen, um sich damit noch weiter zu beschäftigen.
Religionsfreiheit ist ein Grundrecht
Sie erläuterte die Religionsfreiheit als ein Grundrecht hierzulande, seit 1949 verankert im Artikel 4 des Grundgesetzes der BRD. „Sie dürfen glauben oder nicht. Sie dürfen ihren Glauben öffentlich machen oder von dieser Möglichkeit Abstand nehmen. Der Staat ist nicht zuständig in Heils- und Wahrheitsfragen“, unterstrich Prof. Knop.
Dem stehe die Glaubensfreiheit als ein theologischer Begriff gegenüber, ein Vertrauensverhältnis zwischen Mensch und Gott darstellend. Niemand, auch nicht der beste Freund, könne stellvertretend für eine andere Person ein Glaubensbekenntnis sprechen. Die Dogmatikerin erläuterte die sich über Jahrhunderte vollzogenen Stationen einer Entwicklung hinsichtlich der kirchlichen Anerkennung religiöser Freiheit. Im Jahre 1864 hatte Papst Pius IX. Religionsfreiheit – die persönliche Freiheit, eine Religion auszuwählen und auszuüben, also eine andere als die katholische – als „Irrtum“, ja sogar als „Wahnsinn“bezeichnet. Dabei berief er sich auf seinen, eben diese Meinung vertretenden, Vorgänger Papst Gregor XVI.. Dagegen nannte das II. Vatikanische Konzil im Jahre 1965 Religionsfreiheit als ein Grundrecht eines jeden Menschen, frei von jeglichem Zwang Einzelner und gesellschaftlicher Gruppen.
Kein voreiliges Urteil fällen
In der Diskussion wurde beispielsweise die Meinung vertreten, niemandem könne das Christentum übergestülpt werden, würde eine solche Handlungsweise doch die Würde der davon betroffenen Person verletzen. Dem war der Hinweis der Professorin vorausgegangen, religiöse Eltern sollten sich keine Vorwürfe machen, wenn ihr Kind oder eines ihrer Kinder nicht oder nicht mehr religiös ist. Prof. Julia Knop zitierte den unter anderem auch im Eichfeldforum bekannten katholischen Theologen und Philosophen Prof. Eberhard Tiefensee, Universität Erfurt, zum Thema „Konfessionslosigkeit in Teilen Europas“. Nach seinen Untersuchungen gebe es „keine Relevanz der Gottesfrage“im Osten Deutschlands, in Tschechien und in den Niederlanden.
Dort, so seine Erfahrungen, sagen nichtreligiöse Menschen, es fehle ihnen nichts. Daran anknüpfend plädierte Julia Knop dafür, vorsichtig zu sein mit Urteilen über andere Menschen. Das Eichsfeldforum war für Prof. Julia Knop der erste Anlass, Heiligenstadt und das Eichsfeld zu besuchen.
Ganz im Sinne der Zuhörer sprach Maria Anhalt als Ansprechpartnerin für diese Veranstaltungsreihe die Einladung aus, es möge nicht ihr letzter Vortragsabend im Marcel-callohaus in Heiligenstadt gewesen sein.