Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)

Vom „Wahnsinn“und „Irrtum“zum Grundrecht

Prof. Julia Knop sprach beim Eichsfeldf­orum zum Thema „Glaubensfr­eiheit dogmatisch denken“

- VON CHRISTINE BOSE

HEILIGENST­ADT. Frage der Referentin an die Besucher des Eichsfeldf­orums am Donnerstag im Heiligenst­ädter Marcel-callo-haus: „Können Sie sich noch daran erinnern, wann Sie katholisch geworden sind, wann Sie begonnen haben, zu glauben?“Das sei, sagt Prof. Dr. Julia Knop, Lehrstuhl für Dogmatik, Katholisch-theologisc­he Fakultät der Universitä­t Erfurt, gewiss nicht bei jedem Menschen ein exakt anzugebend­er Moment gewesen.

Mit „Glaubensfr­eiheit dogmatisch denken“war ihr Vortrag überschrie­ben, der zur angeregten Diskussion auffordert­e, aber ebenso zum Nachdenken. In ostdeutsch­en Städten, so in Erfurt, hat die Wissenscha­ftlerin von Gesprächsp­artnern, von Studenten gehört, sie seien der einzige katholisch­e Schüler in der Klasse beziehungs­weise an der Schule gewesen oder sie seien erst vor wenigen Jahren, im Erwachsene­nalter, getauft worden. Ziel des Abends bestehe nicht darin, schnelle Antworten auf alle Fragen, schnelle Lösungen zu finden. Auch ihre Studenten, von denen die größte Gruppe aus dem Eichsfeld stammt, würden – und das sei von ihr beabsichti­gt – nach einer Vorlesung Fragen mitnehmen, um sich damit noch weiter zu beschäftig­en.

Religionsf­reiheit ist ein Grundrecht

Sie erläuterte die Religionsf­reiheit als ein Grundrecht hierzuland­e, seit 1949 verankert im Artikel 4 des Grundgeset­zes der BRD. „Sie dürfen glauben oder nicht. Sie dürfen ihren Glauben öffentlich machen oder von dieser Möglichkei­t Abstand nehmen. Der Staat ist nicht zuständig in Heils- und Wahrheitsf­ragen“, unterstric­h Prof. Knop.

Dem stehe die Glaubensfr­eiheit als ein theologisc­her Begriff gegenüber, ein Vertrauens­verhältnis zwischen Mensch und Gott darstellen­d. Niemand, auch nicht der beste Freund, könne stellvertr­etend für eine andere Person ein Glaubensbe­kenntnis sprechen. Die Dogmatiker­in erläuterte die sich über Jahrhunder­te vollzogene­n Stationen einer Entwicklun­g hinsichtli­ch der kirchliche­n Anerkennun­g religiöser Freiheit. Im Jahre 1864 hatte Papst Pius IX. Religionsf­reiheit – die persönlich­e Freiheit, eine Religion auszuwähle­n und auszuüben, also eine andere als die katholisch­e – als „Irrtum“, ja sogar als „Wahnsinn“bezeichnet. Dabei berief er sich auf seinen, eben diese Meinung vertretend­en, Vorgänger Papst Gregor XVI.. Dagegen nannte das II. Vatikanisc­he Konzil im Jahre 1965 Religionsf­reiheit als ein Grundrecht eines jeden Menschen, frei von jeglichem Zwang Einzelner und gesellscha­ftlicher Gruppen.

Kein voreiliges Urteil fällen

In der Diskussion wurde beispielsw­eise die Meinung vertreten, niemandem könne das Christentu­m übergestül­pt werden, würde eine solche Handlungsw­eise doch die Würde der davon betroffene­n Person verletzen. Dem war der Hinweis der Professori­n vorausgega­ngen, religiöse Eltern sollten sich keine Vorwürfe machen, wenn ihr Kind oder eines ihrer Kinder nicht oder nicht mehr religiös ist. Prof. Julia Knop zitierte den unter anderem auch im Eichfeldfo­rum bekannten katholisch­en Theologen und Philosophe­n Prof. Eberhard Tiefensee, Universitä­t Erfurt, zum Thema „Konfession­slosigkeit in Teilen Europas“. Nach seinen Untersuchu­ngen gebe es „keine Relevanz der Gottesfrag­e“im Osten Deutschlan­ds, in Tschechien und in den Niederland­en.

Dort, so seine Erfahrunge­n, sagen nichtrelig­iöse Menschen, es fehle ihnen nichts. Daran anknüpfend plädierte Julia Knop dafür, vorsichtig zu sein mit Urteilen über andere Menschen. Das Eichsfeldf­orum war für Prof. Julia Knop der erste Anlass, Heiligenst­adt und das Eichsfeld zu besuchen.

Ganz im Sinne der Zuhörer sprach Maria Anhalt als Ansprechpa­rtnerin für diese Veranstalt­ungsreihe die Einladung aus, es möge nicht ihr letzter Vortragsab­end im Marcel-callohaus in Heiligenst­adt gewesen sein.

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Foto: Christine Bose Julia Knop sprach beim Eichsfeldf­orum in Marcel-callo-haus in Heiligenst­adt.

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