Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)
Der neue Weg
Im besten Fußballalter suchen einige der jetzigen und früheren Rotweißfußballer den Einstieg ins Berufsleben
ERFURT. Hinter der Zukunft des FC Rot-weiß stehen derzeit viele Fragezeichen. Kein Trainer, keine verbindlichen Aussagen – es verwundert nicht, dass viele Spieler dem Verein den Rücken gekehrt haben, um sich neu zu orientieren. Während einige bereits einen neuen Verein gefunden haben, gehen andere einen alternativen Weg und blicken einen Schritt voraus.
So etwa Luka Odak, der zurück in die Heimat ging. Nach seinem Fortgang möchte sich der 28-Jährige neu aufstellen – sowohl auf als auch neben dem Platz. Neben der Hochzeit seiner langjährigen Freundin hängt der Rechtsverteidiger die Fußballschuhe an den „Profinagel“und wird ab der neuen Saison für einen unterklassigen Verein in München spielen.
Mit dieser neuen Herausforderung ist Odak nicht allein. Neben ihm wollen auch Stürmer Christopher Bieber, der die Erfurter ebenfalls verlässt, und der frühere Rot-weiße Stefan Kleineheismann diesen Weg gehen. Kurios: Das Trio eint nicht nur eine private Freundschaft, sondern fast das gleiche Alter. Bieber ist wie Odak 28 Jahre alt, Kleineheismann 30. Eigentlich Zahlen, mit denen man noch bequem im Profifußball spielen könnte. Doch der Blick richtet sich über den Tellerrand und in Richtung eines Lebens nach dem Fußball.
„Vom Körper her könnte ich noch bis 33 Profifußball spielen. Ich hatte auch ein Angebot aus der 3. Liga. Aber zum einen wollte ich nach Hause, und zum anderen hatte ich mir schon über längere Zeit Gedanken gemacht, wie es in Zukunft weitergehen soll“, wirft Odak ein. Die Möglichkeit, in seiner Heimatstadt München eine Ausbildung zu beginnen und nebenbei noch in der vierten oder fünften Spielklasse anzutreten, war verlockend wie weitsichtig. Ein ambitionierter Verein aus der bayerischen Metropole, bei dem auch der frühere Erfurter Pablo Pigl spielt, bot Odak genau das an. Er macht nun seine Ausbildung zum Fachwirt, arbeitet nebenbei in der Firma eines Sponsors und läuft zudem für den Club auf.
„In der 3. Liga habe ich ordentliches Geld verdient. Aber es ist auch klar, dass das nicht bis in die Ewigkeit reicht. Leider hatte ich es während meiner Karriere immer wieder verpasst, ein Fernstudium anzufangen. Ich habe hin- und hergeschwenkt, ob ich jetzt diesen Schritt gehen sollte und den Fokus auf das Berufliche zu legen. Mein Bauchgefühl sagt mir, dass es richtig ist“, betont Odak. Einen Schritt weiter ist Kleineheismann, der seinen Vertrag beim Drittligisten Halle auflöste, um in die Heimat zurückzukehren. In der Nähe von Fürth hat er mit seiner Frau ein Haus gebaut und wird in Zukunft immer nach Schweinfurt pendeln. Beim ambitionierten Regionalligisten soll der Verteidiger auf dem Platz die jungen Spieler führen. Zeitgleich ermöglicht ihm der Verein eine Trainerausbildung. „Ich möchte unbedingt im Fußball bleiben“, sagt Kleineheismann, der sich im Gegensatz zu Odak schon frühzeitig Gedanken machte, wie es irgendwann weitergehen könnte. Der Ausbildung zum Automobilkaufmann folgte ein Sportmanagement-studium; eine Grundlage, um später erfolgreich im Fußballgeschäft zu sein.
Wie Odak ging Kleineheismann mit den Einkünften nicht verschwenderisch um. „Ich habe immer möglichst viel auf die Seite gelegt. In der 3. Liga kann man keine Millionen verdienen und sagen, man hat ausgesorgt“, sagt er. Dass mit 30 Jahren die Profi-karriere quasi vorbei ist, stört ihn nicht. „Klar sagt man sich im Nachhinein, vielleicht hätte man es auch bis in die 2. Liga schaffen können. Aber ich gehe da ohne Groll heraus“, sagt der Franke und verweist auf eine spannende Gegenwart. „Ich spiele jetzt noch zwei Jahre und möchte in dieser Zeit den nächsten Schritt machen.“Dieser beinhaltet etwa die Erlangung der Elite-lizenz. Da die Regionalliga Bayern über eine recht lange Winterpause verfügt, bietet sich Zeit, sich der Herausforderung intensiv zu widmen.
Der von Kleineheismann früh eingeschlagene Weg mit der Ausbildung neben dem Fußball ist ein Musterbeispiel für die 3. Liga – die Regel ist es trotz Verbesserung auf allen Ebenen noch lange nicht. Viel zu oft würden vor allem junge Spieler diesen Teil der Lebensplanung nicht mit der nötigen Gewissheit angehen, meint Ulf Baranowsky, Geschäftsführer der Spielergewerkschaft VDV. „Es ist ganz wichtig, die Karriere nach der Karriere im Blick zu haben. Viele junge Spieler lassen dieses Thema schleifen, wenn sie ihren ersten Vertrag bei einem Profiverein unterschrieben haben. Doch die Wenigsten kommen oben an und die Hälfte hat keine Ausbildung.“
Zwar seien die Kosten während der Profilaufbahn nicht so groß, da zumeist die Vereine Wohnung und Auto stellen. „Doch wer auf die 30 zugeht und keinen Plan hat, für den wird es schnell eng. Mitmenschen in dem Alter haben dann in der Regel schon eine Ausbildung oder ein Studium, das muss man aufholen“, sagt Baranowsky.
„In der 3. Liga hat man nicht ausgesorgt“
Eine von der VDV (Vereinigung der Vertragsfußballspieler) erst kürzlich in Auftrag gegebene Studie innerhalb der drei Profiligen ergab zwar, dass der Anteil der Spieler mit abgeschlossener Berufsausbildung 2018 auf 19,6 Prozent gestiegen ist (2015: 13,8 Prozent); ebenso der Anteil mit einem abgeschlossenen Hochschulstudium (5,9 Prozent; 2015: 1,5 Prozent). Auch befinden sich 23 Prozent der Kicker gegenwärtig im Studium (2015: 14,5 Prozent) und 3,9 Prozent in einer Berufsausbildung. Dies bedeutet aber auch, dass fast jeder zweite Profi weder eine Berufsqualifikation besitzt noch dabei ist, eine solche zu erwerben.
Die Umfrage ergab außerdem, dass sich nur rund jeder dritte Spieler häufig mit seiner nachfußballerischen Zukunftsplanung – unabhängig von der Ligazugehörigkeit – befasst. Dementsprechend haben die allermeisten Profis noch keinen konkreten Plan B. „Die soziale Verantwortung ist noch nicht so ausgeprägt, wie sie sein sollte“, sagt Baranowsky, betont aber auch, dass es viele Eltern gäbe, die bei der VDV anrufen und nach Tipps für den Sohn fragen.
Kleineheismann, Odak und Bieber, der gerne bei einer Firma in Würzburg einsteigen möchte, haben nun die Weichen für die Zukunft gestellt. „Ich habe 2010 mein Abi gemacht, da muss ich mich erst wieder reinfuchsen. Aber das wird schon“, meint Odak, der sich auch finanziell vorerst auf ein anderes Niveau einstellen muss. Zwar gibt es beim neuen Klub auch ein paar Euro, aber deutlich weniger als in der 3. Liga. „In der Regionalliga wird nicht so viel verdient, wie manche glauben. Die Spieler müssen auch arbeiten, um voranzukommen. Bei den Topclubs gibt es immer etwas zu verdienen, aber das sind Ausnahmen“, sagt Baranowsky.
Recht entspannt sieht Kleineheismann den neuen Lebensweg. „Ich würde jungen Leuten raten, Vollgas zu geben, um nach oben zu kommen. Doch wenn man es bis 25, 26 nicht geschafft hat, sollte man sich Gedanken machen. Das Karriereende kommt schneller, als man denkt.“Mit einer guten Lebensplanung im Rücken ist es aber ein Ende ohne Schrecken.
Jeder zweite Kicker ohne Berufsqualifikation