Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)

Der neue Weg

Im besten Fußballalt­er suchen einige der jetzigen und früheren Rotweißfuß­baller den Einstieg ins Berufslebe­n

- VON THOMAS RUDOLPH

ERFURT. Hinter der Zukunft des FC Rot-weiß stehen derzeit viele Fragezeich­en. Kein Trainer, keine verbindlic­hen Aussagen – es verwundert nicht, dass viele Spieler dem Verein den Rücken gekehrt haben, um sich neu zu orientiere­n. Während einige bereits einen neuen Verein gefunden haben, gehen andere einen alternativ­en Weg und blicken einen Schritt voraus.

So etwa Luka Odak, der zurück in die Heimat ging. Nach seinem Fortgang möchte sich der 28-Jährige neu aufstellen – sowohl auf als auch neben dem Platz. Neben der Hochzeit seiner langjährig­en Freundin hängt der Rechtsvert­eidiger die Fußballsch­uhe an den „Profinagel“und wird ab der neuen Saison für einen unterklass­igen Verein in München spielen.

Mit dieser neuen Herausford­erung ist Odak nicht allein. Neben ihm wollen auch Stürmer Christophe­r Bieber, der die Erfurter ebenfalls verlässt, und der frühere Rot-weiße Stefan Kleineheis­mann diesen Weg gehen. Kurios: Das Trio eint nicht nur eine private Freundscha­ft, sondern fast das gleiche Alter. Bieber ist wie Odak 28 Jahre alt, Kleineheis­mann 30. Eigentlich Zahlen, mit denen man noch bequem im Profifußba­ll spielen könnte. Doch der Blick richtet sich über den Tellerrand und in Richtung eines Lebens nach dem Fußball.

„Vom Körper her könnte ich noch bis 33 Profifußba­ll spielen. Ich hatte auch ein Angebot aus der 3. Liga. Aber zum einen wollte ich nach Hause, und zum anderen hatte ich mir schon über längere Zeit Gedanken gemacht, wie es in Zukunft weitergehe­n soll“, wirft Odak ein. Die Möglichkei­t, in seiner Heimatstad­t München eine Ausbildung zu beginnen und nebenbei noch in der vierten oder fünften Spielklass­e anzutreten, war verlockend wie weitsichti­g. Ein ambitionie­rter Verein aus der bayerische­n Metropole, bei dem auch der frühere Erfurter Pablo Pigl spielt, bot Odak genau das an. Er macht nun seine Ausbildung zum Fachwirt, arbeitet nebenbei in der Firma eines Sponsors und läuft zudem für den Club auf.

„In der 3. Liga habe ich ordentlich­es Geld verdient. Aber es ist auch klar, dass das nicht bis in die Ewigkeit reicht. Leider hatte ich es während meiner Karriere immer wieder verpasst, ein Fernstudiu­m anzufangen. Ich habe hin- und hergeschwe­nkt, ob ich jetzt diesen Schritt gehen sollte und den Fokus auf das Berufliche zu legen. Mein Bauchgefüh­l sagt mir, dass es richtig ist“, betont Odak. Einen Schritt weiter ist Kleineheis­mann, der seinen Vertrag beim Drittligis­ten Halle auflöste, um in die Heimat zurückzuke­hren. In der Nähe von Fürth hat er mit seiner Frau ein Haus gebaut und wird in Zukunft immer nach Schweinfur­t pendeln. Beim ambitionie­rten Regionalli­gisten soll der Verteidige­r auf dem Platz die jungen Spieler führen. Zeitgleich ermöglicht ihm der Verein eine Traineraus­bildung. „Ich möchte unbedingt im Fußball bleiben“, sagt Kleineheis­mann, der sich im Gegensatz zu Odak schon frühzeitig Gedanken machte, wie es irgendwann weitergehe­n könnte. Der Ausbildung zum Automobilk­aufmann folgte ein Sportmanag­ement-studium; eine Grundlage, um später erfolgreic­h im Fußballges­chäft zu sein.

Wie Odak ging Kleineheis­mann mit den Einkünften nicht verschwend­erisch um. „Ich habe immer möglichst viel auf die Seite gelegt. In der 3. Liga kann man keine Millionen verdienen und sagen, man hat ausgesorgt“, sagt er. Dass mit 30 Jahren die Profi-karriere quasi vorbei ist, stört ihn nicht. „Klar sagt man sich im Nachhinein, vielleicht hätte man es auch bis in die 2. Liga schaffen können. Aber ich gehe da ohne Groll heraus“, sagt der Franke und verweist auf eine spannende Gegenwart. „Ich spiele jetzt noch zwei Jahre und möchte in dieser Zeit den nächsten Schritt machen.“Dieser beinhaltet etwa die Erlangung der Elite-lizenz. Da die Regionalli­ga Bayern über eine recht lange Winterpaus­e verfügt, bietet sich Zeit, sich der Herausford­erung intensiv zu widmen.

Der von Kleineheis­mann früh eingeschla­gene Weg mit der Ausbildung neben dem Fußball ist ein Musterbeis­piel für die 3. Liga – die Regel ist es trotz Verbesseru­ng auf allen Ebenen noch lange nicht. Viel zu oft würden vor allem junge Spieler diesen Teil der Lebensplan­ung nicht mit der nötigen Gewissheit angehen, meint Ulf Baranowsky, Geschäftsf­ührer der Spielergew­erkschaft VDV. „Es ist ganz wichtig, die Karriere nach der Karriere im Blick zu haben. Viele junge Spieler lassen dieses Thema schleifen, wenn sie ihren ersten Vertrag bei einem Profiverei­n unterschri­eben haben. Doch die Wenigsten kommen oben an und die Hälfte hat keine Ausbildung.“

Zwar seien die Kosten während der Profilaufb­ahn nicht so groß, da zumeist die Vereine Wohnung und Auto stellen. „Doch wer auf die 30 zugeht und keinen Plan hat, für den wird es schnell eng. Mitmensche­n in dem Alter haben dann in der Regel schon eine Ausbildung oder ein Studium, das muss man aufholen“, sagt Baranowsky.

„In der 3. Liga hat man nicht ausgesorgt“

Eine von der VDV (Vereinigun­g der Vertragsfu­ßballspiel­er) erst kürzlich in Auftrag gegebene Studie innerhalb der drei Profiligen ergab zwar, dass der Anteil der Spieler mit abgeschlos­sener Berufsausb­ildung 2018 auf 19,6 Prozent gestiegen ist (2015: 13,8 Prozent); ebenso der Anteil mit einem abgeschlos­senen Hochschuls­tudium (5,9 Prozent; 2015: 1,5 Prozent). Auch befinden sich 23 Prozent der Kicker gegenwärti­g im Studium (2015: 14,5 Prozent) und 3,9 Prozent in einer Berufsausb­ildung. Dies bedeutet aber auch, dass fast jeder zweite Profi weder eine Berufsqual­ifikation besitzt noch dabei ist, eine solche zu erwerben.

Die Umfrage ergab außerdem, dass sich nur rund jeder dritte Spieler häufig mit seiner nachfußbal­lerischen Zukunftspl­anung – unabhängig von der Ligazugehö­rigkeit – befasst. Dementspre­chend haben die allermeist­en Profis noch keinen konkreten Plan B. „Die soziale Verantwort­ung ist noch nicht so ausgeprägt, wie sie sein sollte“, sagt Baranowsky, betont aber auch, dass es viele Eltern gäbe, die bei der VDV anrufen und nach Tipps für den Sohn fragen.

Kleineheis­mann, Odak und Bieber, der gerne bei einer Firma in Würzburg einsteigen möchte, haben nun die Weichen für die Zukunft gestellt. „Ich habe 2010 mein Abi gemacht, da muss ich mich erst wieder reinfuchse­n. Aber das wird schon“, meint Odak, der sich auch finanziell vorerst auf ein anderes Niveau einstellen muss. Zwar gibt es beim neuen Klub auch ein paar Euro, aber deutlich weniger als in der 3. Liga. „In der Regionalli­ga wird nicht so viel verdient, wie manche glauben. Die Spieler müssen auch arbeiten, um voranzukom­men. Bei den Topclubs gibt es immer etwas zu verdienen, aber das sind Ausnahmen“, sagt Baranowsky.

Recht entspannt sieht Kleineheis­mann den neuen Lebensweg. „Ich würde jungen Leuten raten, Vollgas zu geben, um nach oben zu kommen. Doch wenn man es bis 25, 26 nicht geschafft hat, sollte man sich Gedanken machen. Das Karriereen­de kommt schneller, als man denkt.“Mit einer guten Lebensplan­ung im Rücken ist es aber ein Ende ohne Schrecken.

Jeder zweite Kicker ohne Berufsqual­ifikation

 ??  ?? Vor fünf Jahren kamen Luka Odak, André Laurito, Stefan Kleineheis­mann und Simon Brandstett­er zusammen mit Trainer Walter Kogler zum FC Rot-weiß. Während Brandstett­er jetzt in Wiesbaden spielt, haben sich Odak, Laurito und Kleineheis­mann für eine...
Vor fünf Jahren kamen Luka Odak, André Laurito, Stefan Kleineheis­mann und Simon Brandstett­er zusammen mit Trainer Walter Kogler zum FC Rot-weiß. Während Brandstett­er jetzt in Wiesbaden spielt, haben sich Odak, Laurito und Kleineheis­mann für eine...

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