Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)

Wortmacht und Machtworte

Der Autor und Publizist Friedrich Schorlemme­r hat eine „Eloge auf die Leselust“verfasst

- VON BIRGIT KUMMER

„Wenn wir lesen, werden wir an- und aufgerührt oder aber gelangweil­t, verstört, verzückt und beglückt.“Für den Publiziste­n Friedrich Schorlemme­r ist das Lesen ein mehrschich­tiger Kommunikat­ionsprozes­s zwischen Leser und Autor. Ein so komplexer, dass er ihm ein neues Buch widmet: „Wortmacht und Machtworte“.

Seine Wanderunge­n durch Literaturl­andschafte­n werden auch zur Erkundung seiner eigenen Erfahrunge­n mit Literatur. In der DDR, so seine These, hätten viele anders, nämlich existenzie­ller, gelesen als im Deutschlan­d jenseits der Mauer. Literatur sei im Osten vordringli­ch als „Waffe der Freiheit, Quelle für Selbsterke­nntnis und Gesellscha­ftsanalyse“verstanden worden. Schriftste­ller, Lyriker, Dramatiker hätten Dinge an die Öffentlich­keit gebracht, die sonst nicht öffentlich angesproch­en wurden.

Wer hat geschriebe­n, was wurde gelesen? Beim Erinnern hilft das 140 Seiten starke Bändchen. Schorlemme­r erzählt vom Warten auf Bücher, von wirkmächti­gen Werken, von stillem Einverstän­dnis und heftigen Debatten, von Dissidente­ntexten, die per Hand abgeschrie­ben wurden. Er erzählt von Hermann Kant und Franz Fühmann, Christoph Hein, Tschingis Aitmatow oder Erwin Strittmatt­er. Er erzählt, was Bücher anstießen – etwa Stefan Heyms „Der König David Bericht“, Volker Brauns Hinzeund-kunze-roman, Ulrich Plenzdorfs „Die neuen Leiden des jungen W.“oder Maxi Wanders Tagebücher. Gesonderte Kapitel widmet er Max Frisch, Heinrich Böll, Erich Loest, Hermann Hesse und – besonders detail- und kenntnisre­ich – Christa Wolf.

Mit dem Ende der DDR sei die besondere Rolle geschwunde­n, die Literatur gespielt habe, stellt der Autor fest und beklagt den „Kehraus der großen Kultur im Kult des Events“. Schorlemme­r plädiert für ein erstarkend­es Bildungsbü­rgertum und bricht eine Lanze für Buchhandlu­ngen. „Das Buch braucht Empfehlung.“Welche Autoren sind ihm selbst unverzicht­bar? Die Liste ist lang. Er mag sich sein Leben nicht denken ohne Schiller und Lessing, die Märchensam­mler Grimm, Hilde Domin und Paul Gerhardt, Albert Camus und Bert Brecht, Ernest Hemingway, Ingeborg Bachmann und viele weitere.

Und wo stehen Ihre Favoriten im Bücherrega­l?

• Friedrich Schorlemme­r: Wortmacht und Machtworte. Radius-verlag, Stuttgart,  Seiten,  Euro

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