Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)
Kulinarischer Kurzurlaub
Jedes Jahr zum Brückentag geht es mit meinem Dreisportverein ins Radtrainingslager zu den sächsischen Nachbarn. Auf den endlos langen Anstiegen des Erzgebirges kommen uns die herrlichsten Hungerund Durstfantasien. Die ganz knallharten Jungs denken natürlich nur an isotonische Durstlöscher und Energie-gels. Wir Breitensportler hingegen träumen von riesigen eiscremegefüllten Pokalen mit Schlagsahne und von wagenradgroßen Pizzen. Und von italienischem Rotwein ... warum eigentlich nicht von thüringischem, der doch auch schmeckt und die gleiche beruhigende Wirkung erzielt? Oder wenigstens vom sächsischen, wo man doch schon mal da ist und die Gastfreundschaft samt Eierschecke genießt? Aber es wird ja auch nicht von Sauerbraten oder Bemme, geträumt. Nein, um der Pflicht zu entfliehen, und sei es nur der selbstgewollten Trainingsqual, will der Kopf in den Kurzurlaub: Ganz weit weg, wo die Sonne scheint, das Meer blau ist, Milch und Honig fließen, äh ... Rotwein, fruchtiger, und wo es immer bergab geht – also am liebsten in die Toskana.
Auszeiten für alle Sinne
Moment mal, denken Sie jetzt sicher, sonst predigt der doch stur Regionalität und jetzt solch Genussketzerei? Ich gebe zu, ich liebe diese kleinen Auszeiten. Kurze Auszeit für alle Sinne. Wenn wir wollen, können wir jeden Tag woanders hinfahren. Kulinarisch. Bis nach Asien kann man entfliehen, obwohl von Reiswein wohl keiner wirklich träumt ... Nein, Rotwein aus der Toskana, Chianti im Speziellen und Brunello di Montalcino für fortgeschrittene vinophile Kurzurlaube ist der Inbegriff von „Ich bin dann mal weg“. Flasche auf, der Duft lässt ganze Filme ablaufen. Ein wissender Blick ans Gegenüber beim Zuprosten, weißt Du noch, damals war’s, bald wieder? Geht auch mit sich selbst beim Alleintrinken. Man strampelt ja schließlich auch allein den Berg hoch.