Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)
Die liberale Acht-prozent-mission
Die Thüringer FDP will in einem guten Jahr wieder im Landtag sitzen. Den Kurs besprach sie auf dem Parteitag am Wochenende
BAD TABARZ. Der Begriff des Liberalismus, dem das Wort Freiheit innewohnt, wurde seit seiner Prägung stets unterschiedlich interpretiert. Der Thüringer Vorsitzende der liberalen Partei versuchte es am Samstag in einem Hotel in Bad Tabarz so: Religionsfreiheit, sagte er, sei ja gut und wichtig. Aber wenn die österreichische Regierung Moscheen schließe, in denen extremistische Imame gegen die Demokratie hetzen, dann begrüße er dies. „Daran sollten wir uns ein Beispiel nehmen“, sagte Thomas Kemmerich.
Es waren nur ein paar Sätze, aber sie zeigten, dass Kemmerich den neuen, härteren Kurs der Fdp-bundesspitze mitträgt – der, so zumindest lautet die Hoffnung, den Auftrieb der AFD schwächen soll. Ohne die Konkurrenz von rechts groß zu erwähnen, sagte er zu den Debatten über Flüchtlinge, Kriminalität und Verteilung: „Der Ton ist nicht schön, aber er spiegelt die Gesellschaft wider.“
Was die Gesellschaft widerspiegelt – damit beschäftigten sich auch die etwa 100 Delegierten auf ihrem Landesparteitag, der bis zum gestrigen Sonntag andauerte. In mehreren Workshops redeten sie mit allerlei Experten über Themen wie Inneres, Justiz, Landwirtschaft oder Gesundheitspolitik.
Die Ergebnisse sollen in das Wahlprogramm einfließen. Mit ihm will die FDP kommendes Jahr in den Kampf um den Landtag ziehen, in dem sie seit Ende 2014 nicht mehr vertreten ist. Dabei soll es nicht nur darum gehen, die Fünf-prozent-hürde zu überwinden: Acht Prozent der Stimmen, sagte Thomas Kemmerich, sollten es schon sein. Dies klingt recht optimistisch. Zwar hat die Landespartei ihr 2,5-Prozent-ergebnis von 2014 in den jüngsten Umfragen wieder verdoppelt. Aber das bedeutet wenig, zumal bei den Liberalen traditionell der Bundestrend besonders stark durchwirkt.
Aber Kemmerichs Funktion ist es nicht, Zweifel vor sich herzutragen. „Die Freien Demokraten sind wieder da“, rief der Landes-chef in den Tagungssaal. Die Bundestagswahl im vergangenen Jahr habe nur den Beginn des Wiederaufstiegs der Partei markiert. Und natürlich verwies der Landes-chef auch auf den Sieg des liberalen Kandidaten Thomas Nitzsche bei der Oberbürgermeisterwahl in Jena. „Sein Erfolg hat gezeigt, wie es gehen kann“, sagte er.
Ansonsten tat Kemmerich das, was man in der Opposition tut, selbst wenn sie außerparlamentarisch ist: Man arbeitet sich an der Regierung ab. Rot-rotgrün, sagte er also, habe in der Schulpolitik „eine Katastrophe“produziert, die Hochschulen ihrer Freiheit beraubt und den ländlichen Raum abgehängt.
Zudem sei immer noch ein Justizminister im Amt, der private Interessen vor das Recht gestellt habe: „Man muss sich fast freuen, im Wahlkampf auf einen solchen Gegner zu treffen.“
Auch an der Wirtschaftspolitik der Koalition vermochte der Unternehmer Kemmerich erwartbar nichts Positives entdecken. So kritisierte er selbst den Einsatz der Landesregierung für das Opel-werk in Eisenach.
„Opel hat in dieser Form keine Zukunft mehr“, sagte er. Die Politik dürfe nicht „tote Pferde“reiten. Die Welt verändere sich, vieles werde in Zukunft anders laufen, Staaten wie China hätten das verstanden. Und dies bedeute: „Wir sollten zum Gestalter des Wandels werden und nicht Objekt des Wandels sein.“
Erfolg in Jena soll Beispiel sein