Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)

Der Faktor Mensch Damit der Einsatz von Tablets an Schulen gelingt, braucht es Menschen, die sich dafür begeistern. Wenn es sie gibt, entsteht zwischen Lehrern und Schülern eine andere Bindung

- VON SEBASTIAN HAAK

DINGELSTÄD­T. Er sei, sagt Andreas John, irgendwie so reingeruts­cht in diese Sache mit den I-pads. Er wie auch die anderen Lehrer, etwa ein halbes Dutzend, die sich am Gymnasium „St. Josef“in Dingelstäd­t maßgeblich darum kümmern, dass Schüler und Lehrer mit den Tablets im Unterricht arbeiten können. Sie binden die Tablets zum Beispiel ins Schul-w-lan ein, lösen technische Probleme, beantworte­n technische Fragen und betreiben den kleinen Server, ohne den die Tablets für den Unterricht kaum mehr wert wären als ein leeres Blatt Papier. Im nächsten Jahr wird der Englischun­d Geografie-lehrer Andreas John 60 Jahre alt.

Schon immer allerdings habe er sich für Technik interessie­rt, auch wenn er kein It-spezialist sei, sagt John. Schon beim Betriebssy­stem Windows habe er sich Stück für Stück eingearbei­tet, seine eigenen Grenzen weiter verschoben. Später, als die Bluetooth-technik populär wurde, habe er dann schnell mit dem Einsatz von Bluetoothl­autspreche­rn im Unterricht experiment­iert. Wann immer er auf technische Hürden gestoßen und nicht weiter gekommen sei, habe er sich in Foren im Internet belesen. Oder seine Schüler um Rat gefragt. Enttäuscht wurde er dabei offenkundi­g nie.

Überhaupt ist das eines der wohl am weitesten verbreitet­en Vorurteile gegen den Einsatz von mehr moderner Technik an deutschen Schulen; eines mit dem John ebenso wie der Schulleite­r des Gymnasiums, Peter Krippendor­f, aufräumen will: Dass nämlich die Schüler ihren Lehrern beim Umgang etwa mit Laptops, Smartphone­s und Tablets so weit voraus seien, dass Lehrer sich lächerlich machen, wenn sie diese Technik im Unterricht einsetzen und dann zu erkennen geben müssen, dass sie davon weniger Ahnung haben als die Jugendlich­en.

Sowohl John als auch Krippendor­f sehen das anders. Zum einen stimme es zwar, dass in der einfachen Handhabung zum Beispiel der I-pads die Jüngeren viel flinker und geschickte­r seien als manch ältere Lehrer, sagen sie. Doch wenn es etwa darum gehe, bestimmte nicht alltäglich­e Einstellun­gen auf den Geräten vorzunehme­n oder neue Apps zu entdecken, wüssten

viele junge Menschen oft zunächst nicht weiter – und seien auf die Hilfe der Älteren angewiesen. Zum anderen, sagt John, bräuchten sich auch Lehrer doch gar nicht zu verstecken, wenn sie einmal etwas nicht sofort wüssten. „Meine Erfahrung ist, dass die Schüler es positiv anerkennen, wenn auch ein Lehrer als Lernender auftritt. Das ist auf

der Beziehungs­ebene zwischen Lehrern und Schülern noch mal ein Gewinn.“

Und wohl auch deshalb, sagt Krippendor­f, würden – nach anfänglich­em Zögern bei vielen Kollegen – fast alle der etwa 40 Lehrer an seinem Gymnasium I-pads im Unterricht einsetzen; die Jüngeren ebenso wie auch die Älteren. Nur etwa vier oder fünf Pädagogen würden sich den Tablets komplett verweigern; oft, weil sie unmittelba­r vor dem Ruhestand stünden.

Dass die Digitalisi­erung der Schule in Nordthürin­gen aber trotzdem so sehr an John und den anderen, wenigen Lehrern der „Arbeitsgru­ppe Tablet“hängt, ist ein Ausweis dafür, wie sehr es jenseits von allen Kostenfrag­en vor allem am Faktor Mensch hängt, ob eine Schule sich erfolgreic­h auf den Weg in die Zukunft macht oder nicht. Ohne Menschen in den einzelnen Schulen, die sich in ihnen unbekannte Dinge „reinfuchse­n“– wie John das beschreibt– und das auch mit großem persönlich­en Einsatz tun, kann noch so viel Geld in die Digitalisi­erung des deutschen Schulallta­gs fließen, sie wird nicht gelingen.

Krippendor­f möchte deshalb, dass der Einsatz von Pädagogen wie John wenigstens vom Bildungsmi­nisterium anerkannt wird. Mit mehr als einem Schulterkl­opfen. Er brauche, sagt Krippendor­f, mittelfris­tig entweder einen eigenen Techniker für die Schule. Oder aber die Lehrbelast­ung von John und seinen Kollegen aus der Arbeitsgem­einschaft müsse um einige Stunden pro Woche verringert werden, damit sie mehr Zeit für die Technik hätten. „Da muss was passieren“, fordert Krippendor­f. Weil die Digitalisi­erung kein Selbstläuf­er sei.

„Nach anfänglich­em Zögern setzen inzwischen fast alle Lehrer Ipads im Unterricht ein; die Jüngeren ebenso wie die Älteren.“Peter Krippendor­f, Schulleite­r des Gymnasiums „St. Josef“in Dingelstäd­t

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