Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)
Der Faktor Mensch Damit der Einsatz von Tablets an Schulen gelingt, braucht es Menschen, die sich dafür begeistern. Wenn es sie gibt, entsteht zwischen Lehrern und Schülern eine andere Bindung
DINGELSTÄDT. Er sei, sagt Andreas John, irgendwie so reingerutscht in diese Sache mit den I-pads. Er wie auch die anderen Lehrer, etwa ein halbes Dutzend, die sich am Gymnasium „St. Josef“in Dingelstädt maßgeblich darum kümmern, dass Schüler und Lehrer mit den Tablets im Unterricht arbeiten können. Sie binden die Tablets zum Beispiel ins Schul-w-lan ein, lösen technische Probleme, beantworten technische Fragen und betreiben den kleinen Server, ohne den die Tablets für den Unterricht kaum mehr wert wären als ein leeres Blatt Papier. Im nächsten Jahr wird der Englischund Geografie-lehrer Andreas John 60 Jahre alt.
Schon immer allerdings habe er sich für Technik interessiert, auch wenn er kein It-spezialist sei, sagt John. Schon beim Betriebssystem Windows habe er sich Stück für Stück eingearbeitet, seine eigenen Grenzen weiter verschoben. Später, als die Bluetooth-technik populär wurde, habe er dann schnell mit dem Einsatz von Bluetoothlautsprechern im Unterricht experimentiert. Wann immer er auf technische Hürden gestoßen und nicht weiter gekommen sei, habe er sich in Foren im Internet belesen. Oder seine Schüler um Rat gefragt. Enttäuscht wurde er dabei offenkundig nie.
Überhaupt ist das eines der wohl am weitesten verbreiteten Vorurteile gegen den Einsatz von mehr moderner Technik an deutschen Schulen; eines mit dem John ebenso wie der Schulleiter des Gymnasiums, Peter Krippendorf, aufräumen will: Dass nämlich die Schüler ihren Lehrern beim Umgang etwa mit Laptops, Smartphones und Tablets so weit voraus seien, dass Lehrer sich lächerlich machen, wenn sie diese Technik im Unterricht einsetzen und dann zu erkennen geben müssen, dass sie davon weniger Ahnung haben als die Jugendlichen.
Sowohl John als auch Krippendorf sehen das anders. Zum einen stimme es zwar, dass in der einfachen Handhabung zum Beispiel der I-pads die Jüngeren viel flinker und geschickter seien als manch ältere Lehrer, sagen sie. Doch wenn es etwa darum gehe, bestimmte nicht alltägliche Einstellungen auf den Geräten vorzunehmen oder neue Apps zu entdecken, wüssten
viele junge Menschen oft zunächst nicht weiter – und seien auf die Hilfe der Älteren angewiesen. Zum anderen, sagt John, bräuchten sich auch Lehrer doch gar nicht zu verstecken, wenn sie einmal etwas nicht sofort wüssten. „Meine Erfahrung ist, dass die Schüler es positiv anerkennen, wenn auch ein Lehrer als Lernender auftritt. Das ist auf
der Beziehungsebene zwischen Lehrern und Schülern noch mal ein Gewinn.“
Und wohl auch deshalb, sagt Krippendorf, würden – nach anfänglichem Zögern bei vielen Kollegen – fast alle der etwa 40 Lehrer an seinem Gymnasium I-pads im Unterricht einsetzen; die Jüngeren ebenso wie auch die Älteren. Nur etwa vier oder fünf Pädagogen würden sich den Tablets komplett verweigern; oft, weil sie unmittelbar vor dem Ruhestand stünden.
Dass die Digitalisierung der Schule in Nordthüringen aber trotzdem so sehr an John und den anderen, wenigen Lehrern der „Arbeitsgruppe Tablet“hängt, ist ein Ausweis dafür, wie sehr es jenseits von allen Kostenfragen vor allem am Faktor Mensch hängt, ob eine Schule sich erfolgreich auf den Weg in die Zukunft macht oder nicht. Ohne Menschen in den einzelnen Schulen, die sich in ihnen unbekannte Dinge „reinfuchsen“– wie John das beschreibt– und das auch mit großem persönlichen Einsatz tun, kann noch so viel Geld in die Digitalisierung des deutschen Schulalltags fließen, sie wird nicht gelingen.
Krippendorf möchte deshalb, dass der Einsatz von Pädagogen wie John wenigstens vom Bildungsministerium anerkannt wird. Mit mehr als einem Schulterklopfen. Er brauche, sagt Krippendorf, mittelfristig entweder einen eigenen Techniker für die Schule. Oder aber die Lehrbelastung von John und seinen Kollegen aus der Arbeitsgemeinschaft müsse um einige Stunden pro Woche verringert werden, damit sie mehr Zeit für die Technik hätten. „Da muss was passieren“, fordert Krippendorf. Weil die Digitalisierung kein Selbstläufer sei.
„Nach anfänglichem Zögern setzen inzwischen fast alle Lehrer Ipads im Unterricht ein; die Jüngeren ebenso wie die Älteren.“Peter Krippendorf, Schulleiter des Gymnasiums „St. Josef“in Dingelstädt