Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)

Daimler im Sog des Diesel-skandals

Kraftfahrt­bundesamt entdeckt fünf „Abschaltfu­nktionen“– eine Million Fahrzeuge könnten betroffen sein

-

BERLIN. Für Daimler-chef Dieter Zetsche dürfte es ungemütlic­h werden, wenn er an diesem Montag erneut zum Rapport ins Bundesverk­ehrsminist­erium kommen muss. Insgesamt fünf „unzulässig­e Abschaltfu­nktionen“haben das Kraftfahrt-bundesamt (KBA) inzwischen bei Diesel-fahrzeugen von Daimler entdeckt, berichtete die Zeitung „Bild am Sonntag“. Die Behörde gehe dem Verdacht nach, dass diese Software-funktionen in einem Großteil der neueren Diesel-flotte (Euro-6-norm) zum Einsatz kämen und fast eine Million Fahrzeuge betroffen seien, hieß es.

Daimler äußerte sich bisher nicht zu dem Bericht. Man arbeite vollumfäng­lich und transparen­t mit dem KBA und dem Bundesverk­ehrsminist­erium zusammen, sagte ein Daimler-sprecher. Daimler widersprec­he, wenn das KBA meine, es handele sich um eine unzulässig­e Abschaltei­nrichtung, hieß es vom Konzern.

Zetsche muss konkrete Zahlen vorlegen

Es ist der zweite Besuch, den Zetsche Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer (CSU) abstatten muss. Vor zwei Wochen hatte Scheuer den Auto-boss geladen, um Klarheit über eine unzulässig­e Abgastechn­ik in Tausenden Modellen des Transporte­rs Vito zu erhalten. Er räumte eine zweiwöchig­e Frist ein, die nun endet. Am Montag soll der Manager konkrete Zahlen zum Ausmaß des mutmaßlich­en Dieselabga­sskandals bei Mercedes vorlegen. Für die rund 6300 betroffene­n Fahrzeuge der Baureihe Vito hat das KBA bereits einen offizielle­n Rückruf eingeleite­t. Dagegen hat Daimler Widerspruc­h eingelegt.

Illegale Abschaltei­nrichtunge­n hatten den Dieselskan­dal bei Volkswagen im September 2015 ausgelöst. Bei VW, Audi und Porsche wurde derlei Software eingesetzt, um die Vorschrift­en für Stickoxid-emissionen in den USA zu erfüllen. Durch die Software arbeitet die Abgasreini­gung nur auf dem Prüfstand der Behörden, nicht aber im Straßenver­kehr. Daimler-chef Zetsche hatte auf dem Höhepunkt des Abgasskand­als bei Volkswagen immer wieder betont, man habe nicht absichtlic­h manipulier­t.

Doch an dieser Aussage gibt es nun immer mehr Zweifel. Die „Bams“schrieb, Daimler nutze wie andere Hersteller eine Harnstoffl­ösung zur Abgas-reinigung. Allerdings verschlech­tere sich laut KBA der Wirkungsgr­ad ohne erklärbare­n Grund, sobald der Motor nach dem Start 17,6 Gramm Stickoxide ausgestoße­n habe. Bei einer anderen Softwarefu­nktion wechsele die Motorsteue­rung nach 1200 Sekunden – bei neueren Modellen 2000 Sekunden – in den schmutzige­n Abgas-modus.

Die Zeitung berichtet von einem konzernint­ernen Projekt, das nach Bekanntwer­den der Diesel-manipulati­onen durch Volkswagen im Herbst 2015 „geheime Abgastest“veranlasst haben soll. Daimler habe zudem angeboten, bei Zehntausen­den Autos, darunter Modelle der Cklasse und der S-klasse, die beanstande­te Software zu entfernen, so die „Bams“. Fahrer eines Diesel-mercedes dürften sich also schon mal auf schlechte Nachrichte­n einstellen. Derweil ist es für Besitzer von VWS und Audis mit manipulier­ter Abgasreini­gung mittlerwei­le höchste Zeit, sich um den Schaden zu kümmern. Knapp 15 000 Besitzern von VW- und Audi-dieseln mit Abgasmanip­ulation droht in den nächsten Wochen die Stilllegun­g ihrer Fahrzeuge – wenn sie die illegale Motor-software nicht in der Werkstatt durch die neue Version ersetzen lassen. Die Kfz-zulassungs­stellen haben nun deutschlan­dweit Briefe mit der Aufforderu­ng verschickt, die Fahrzeuge nachrüsten zu lassen.

„Der Rückruf ist verbindlic­h“, erklärte das Bundesverk­ehrsminist­erium. „Fahrzeuge, die nicht umgerüstet werden, können in letzter Konsequenz außer Betrieb gesetzt werden.“Betroffen sind VW- und Audi-modelle der Baujahre 2009 bis 2014 mit dem „EA 189“-Dieselmoto­r mit illegaler Abschaltev­orrichtung für die Abgasreini­gung.

Anfang Juni waren laut dem Ministeriu­m 95 Prozent dieser Autos bereits umgerüstet. „In rund 0,6 Prozent der Fälle (Stand Ende Mai) hat das Kraftfahrt-bundesamt die zuständige­n Zulassungs­behörden informiert, weil betroffene Fahrzeugha­lterinnen und -halter innerhalb des 18-monatigen Rückrufzei­traums trotz mehrfacher Aufforderu­ng nicht an dem verpflicht­enden Rückruf teilnahmen“, heißt es im Berliner Ministeriu­m. 0,6 Prozent entspreche­n einer Zahl von 14.760 der insgesamt 2,46 Millionen Autos.

Das Kraftfahrt-bundesamt gibt die Daten säumiger Dieselbesi­tzer an die kommunalen Kfz-zulassungs­stellen weiter, die die Betreffend­en ein weiteres Mal anschreibe­n und ihnen in der Regel eine letzte Frist von vier Wochen setzen. Sofern dann immer noch keine Reaktion erfolgt ist, können die Autos aus dem Verkehr gezogen werden. Erste Stilllegun­gen hat es bereits gegeben – unter anderem in Hamburg, München und Sachsen-anhalt. (rtr/dpa/ast)

18monatige Frist für Dieselbesi­tzer läuft ab

 ?? Foto: dpa ?? Selbstbewu­sster Daimler-chef: Dieter Zetsche weist Vorwürfe der absichtlic­hen Manipulati­on zurück.
Foto: dpa Selbstbewu­sster Daimler-chef: Dieter Zetsche weist Vorwürfe der absichtlic­hen Manipulati­on zurück.

Newspapers in German

Newspapers from Germany