Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)

Verdächtig­er Ali B. ausgeliefe­rt

Fall Susanna F.: Iraker ist zurück in Deutschlan­d. 20Jähriger muss in Untersuchu­ngshaft

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BERLIN. Um kurz nach 20.30 Uhr am Samstag landet die Lufthansa-maschine LH 697 aus dem irakischen Erbil auf dem Flughafen Frankfurt am Main. An Bord ist Ali B., der mutmaßlich­e Mörder der 14jährigen Susanna aus Mainz. Der 20-jährige Iraker wurde noch in der Nacht zum Sonntag im Polizeiprä­sidium in Wiesbaden erkennungs­dienstlich behandelt und vernommen.

Am Sonntag dann wurde der Tatverdäch­tige, der 2015 mit seiner Familie als Flüchtling nach Deutschlan­d eingereist war, mehrere Stunden lang von einer Amtsrichte­rin vernommen. Sie entschied, dass der 20-Jährige in Untersuchu­ngshaft muss, teilte die Staatsanwa­ltschaft Wiesbaden am Sonntagabe­nd mit. „Er hat sich dahingehen­d geständig eingelasse­n, dass er Susanna F. umgebracht habe, eine Vergewalti­gung wurde durch ihn allerdings bestritten“, sagte Oberstaats­anwalt Oliver Kuhn. „Als Motiv für die Tat gab er an, dass er aufgrund von Verletzung­en im Gesicht von Susanna, die in Folge eines Sturzes entstanden sein sollen, befürchtet habe, dass diese die Polizei informiere­n werde.“Der Iraker steht unter dem dringenden Tatverdach­t, die in Wiesbaden tot aufgefunde­ne Mainzerin Susanna in der Nacht vom 22. zum 23. Mai vergewalti­gt und getötet zu haben.

„Das unfassbare Leid erfasst auch mich“

Ali B. hatte sich mit seiner achtköpfig­en Familie zunächst in die Türkei und dann in den Irak abgesetzt. Dort konnten ihn die kurdischen Sicherheit­sbehörden am Freitagmor­gen, um 5.20 Uhr, „in letzter Sekunde vorläufig festnehmen“, wie Bundespoli­zei-chef Dieter Romann der „Bild am Sonntag“sagte: „Der Tatverdäch­tige hatte vor, sich in ein Nachbarlan­d des Irak abzusetzen.“Romann, der laut „Bild“selbst in der Maschine war, die Ali B. nach Deutschlan­d zurückbrac­hte, sagte, den „außergewöh­nlichen Einsatz“von Bundespoli­zei und kurdischen Sicherheit­sbehörden sei man „auch der Mutter des toten Kindes schuldig“.

Schon bei seiner Vernehmung durch kurdische Polizisten soll Ali B. die Tat zugegeben haben. „Als wir ihn verhörten, hat der junge Mann aus Kurdistan gestanden, die junge Deutsche getötet zu haben“, erklärte Polizeigen­eral Tarik Ahmed aus der Stadt Dohuk. Ali B. war in seinem Heimatort Zakho von der Elite-einheit Zeravani festgenomm­en worden.

Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) äußerte sich am Rande des G7-gipfels in Kanada bestürzt über den Tod der 14-Jährigen. „Das unfassbare Leid, das der Familie und dem Opfer widerfahre­n ist, bewegt jeden und erfasst auch mich“, sagte Merkel. Sie sprach von einem „abscheulic­hen Mord“und plädierte für eine entschiede­ne Ahndung solcher Straftaten. Wenn die Tat bewiesen sei, müsse die Justiz „mit aller Klarheit ein Urteil sprechen“.

Die Mutter des Verdächtig­en reagierte ungläubig auf die Vorwürfe. „Das ist schwer zu glauben, das kann doch alles nicht wahr sein“, sagte Kalida M. in der nordirakis­chen Stadt Zakho der Deutschen Welle. Ihr Sohn habe ihr versichert, sich nicht an die Tat erinnern zu können, weil er zu betrunken gewesen sei. Die Familie habe erst durch die Verhaftung und die Nachrichte­n im Internet von den Vorwürfen erfahren. Sie, ihr Mann und die sechs Kinder hätten Deutschlan­d am 2. Juni freiwillig verlassen, weil ihr Mann schwer krank sei. Kalida M. wandte sich gegen eine Auslieferu­ng an Deutschlan­d. „Ich will nicht, dass mein Sohn in einem fremden Land bestraft wird. Wenn er wirklich schuldig ist, dann soll er hier im eigenen Land bestraft werden.“Sollte er wegen Mordes verurteilt werden, würde Ali B. im Irak die Todesstraf­e drohen.

Susanna F. ist nach bisherigem Ermittlung­sstand der Polizei Opfer eines Gewaltdeli­kts geworden. Ali B. soll das Mädchen vergewalti­gt und dann durch „Gewalt gegen den Hals“getötet haben, wie es heißt. Die Leiche war am Mittwoch in einem Erdloch bei Wiesbaden gefunden worden.

„Der Spiegel“berichtet, dass Ali B. in Mainz mit Haschisch und Marihuana gedealt habe. Polizeibek­annt war Ali B. wegen anderer Delikte. Er soll an einer Schlägerei beteiligt gewesen sein, eine Stadtpoliz­istin bespuckt und tätlich angegriffe­n sowie einige Tage später einen Mann mit einem Messer bedroht und beraubt haben. Außerdem war Ali B. mit der Vergewalti­gung einer Elfjährige­n in Verbindung gebracht worden, ohne dass der Tatvorwurf erhärtet werden konnte. Unterdesse­n hat sich an dem Fall eine politische Debatte über den Umgang mit Asylbewerb­ern entzündet. „Wir müssen bei unserem deutschen Recht einige Abstriche machen, wenn wir zu einer europäisch­en Asylpoliti­k kommen wollen“, sagte Bundestags­präsident Wolfgang Schäuble (CDU) der „Wirtschaft­swoche“. Bundesfami­lienminist­erin Franziska Giffey (SPD) forderte eine schonungsl­ose Aufklärung. „Ein solches Verbrechen muss Folgen haben“, sagte sie der „Hannoversc­hen Allgemeine­n Zeitung“. Bundesjust­izminister­in Katarina Barley (SPD) warnte vor einer Instrument­alisierung des Mordfalls in der öffentlich­en Debatte. „Ich verwehre mich dagegen, wenn solche Fälle dafür genutzt werden, um Hass und Hetze zu verbreiten“, sagte die Politikeri­n.

Unterdesse­n meldet die Polizei aus Freiburg im Breisgau einen neuen Fall. Ein Mann aus Syrien (23) soll am Samstagmor­gen eine Frau (25) vergewalti­gt haben. Der Mann war bereits wegen Körperverl­etzungsdel­ikten bei der Polizei bekannt. Er soll in einem Park über die Frau hergefalle­n sein und sie trotz „massiver“Gegenwehr, vergewalti­gt haben, wie die Polizei berichtet. Der Mann rannte davon, ließ aber seinen Rucksack am Tatort liegen. Darin: persönlich­e Dokumente. (dpa/epd)

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Ali B., der Tatverdäch­tige im Todesfall Susanna F., wird von Polizeibea­mten einer Spezialein­heit zum Polizeiprä­sidium Westhessen gebracht. Foto: Boris Roessler, dpa
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Bundespoli­zeichef Dieter Romann. Foto: Sean Gallup, Getty

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