Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)
Buhrufe für Wagenknecht auf Parteitag
Fraktionschefin der Linken wegen Flüchtlingspolitik in der Kritik. Auch Parteichefin Kipping erhält einen Dämpfer
LEIPZIG/BERLIN. Das sieht man nicht so oft: Buhrufe gegen die populärste Politikerin einer Partei – auf dem eigenen Parteitag. Sahra Wagenknecht, Fraktionschefin der Linken im Bundestag, zieht am Sonntag in Leipzig den Zorn mancher Delegierter auf sich, als sie ihre umstrittene Position zur Flüchtlingspolitik verteidigt. Sie sei für offene Grenzen, betont sie. Aber man müsse auch über Grenzen der Arbeitsmigration reden. Und: „Den Hungernden in Afrika nutzen offene Grenzen nichts.“
Wagenknecht beschwert sich auch über den Debattenstil in ihrer Partei: „Wenn mir und anderen Genossinnen und Genossen aus den eigenen Reihen Nationalismus, Rassismus oder Afd-nähe vorgeworfen wird, dann ist das das Gegenteil einer solidarischen Debatte.“Es folgt eine lautstarke Diskussion über diesen Streit. Viele Mitglieder stellen sich gegen Wagenknecht, andere verteidigen sie.
Eigentlich wollte die Linke auf diesem Parteitag die strittige Flüchtlingsfrage klären – Wagenknecht ist gegen offene Grenzen für alle Menschen, Parteichefin Katja Kipping dafür. Doch zur Klärung kam es nicht. Das Problem, das die Linke seit Monaten belastet, wurde wieder einmal vertagt: Vor dem Ende des Treffens in Leipzig einigten sich Partei- und Fraktionsführung auf eine gemeinsame Klausur zur Flüchtlingsfrage. Wobei kaum jemand glaubt, dass ein weiteres Treffen für Ruhe und Stabilität sorgen wird. Zu verfeindet sind die beiden Lager.
Kipping musste am Sonnabend einen deutlichen Dämpfer hinnehmen – und zwar ein Wahlergebnis von 64,5 Prozent. Weniger als zwei Drittel der Delegierten stimmten für die Vorsitzende, die keine Gegenkandidatin hatte. Auf dem Parteitag vor zwei Jahren waren es noch 74 Prozent gewesen. Ihre Anhänger drehten den Spieß einfach um – und gaben die Losung aus: fast zwei Drittel gegen Wagenknecht, das ist doch gut.
Kippings Co-vorsitzender, Bernd Riexinger, wurde mit 73,8 Prozent im Amt bestätigt (2016: 78,5 Prozent). Der Schwabe steht zwar an der Seite der Sächsin Kipping im Kampf gegen die Fraktionschefs Wagenknecht und Dietmar Bartsch. Doch die Delegierten lasteten ihm die Auseinandersetzungen nicht in dem Maße an wie Kipping.
Riexinger im Amt bestätigt