Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)
Kampf und Krampf
Topsprinter Marcel Kittel verpasst als Fünfter den Sieg beim 102. Radrennen „Rund um Köln“. Ire Bennett gewinnt
KÖLN. Marcel Kittel nahm erstmal den Organisator in und auf den Arm. „Alt bist du geworden“, scherzte der Radprofi über den 76-jährigen Artur Tabat. „Ich werde nicht jünger“, gab der Chef des Radrennens „Rund um Köln“zurück und meinte wohl auch: Bevor ich in Rente gehe, hätte ich schon noch gerne einen deutschen Sieg. Seit 2006 hat es den nicht gegeben, daran konnte auch Kittel bei der 102. Auflage nichts ändern.
Der Thüringer musste sich nach 207 Kilometern in einem packenden Sprint dem Iren Sam Bennett (Team Bora-hansgrohe) geschlagen geben. Der dreimalige Giro-etappensieger setzte sich nach 4:53:17 Minuten vor Mihkel Raim (Israel Cycling Academy) und Szymon Sainok (CCC Spandi Polkowice) durch. Kittel wurde am Ende nur Fünfter.
Der deutsche Kapitän vom Team Katusha-alpecin war dennoch zufrieden. „Ich hätte sehr gerne gewonnen. Aber ich bin jetzt nicht super enttäuscht.“Auf den letzten drei Runden im Kölner Stadtzentrum habe er einen Krampf im Oberschenkel gehabt. Vier Wochen vor der Tour de France sei das Heimrennen „ein harter Test“gewesen, sagte der 14-malige Etappensieger der Tour de France. „Ich bin mir sicher, dass ich bis zur Tour meine alte Form finde.“
Noch bleiben Kittel vier Wochen, um sich auf das härteste Radrennen der Welt vorzubereiten. Die bisherige Bilanz in diesem Jahr liest sich eher durchwachsen. Zwei Tagessiege bei der italienischen Rundfahrt Tirreno-adriatico fuhr er ein – mehr war nicht drin für den vielleicht besten Sprinter der Welt.
Hinter dem 30-Jährigen liegt allerdings auch ein Teamwechsel. Im August 2017 unterzeichnete Kittel einen Zweijahresvertrag bei Katusha-alpecin. Zwar konnte er im Quick-step-trikot 2017 fünf Etappen bei der Tour de France für sich entscheiden und stellte damit einen neuen deutschen Rekord auf. Doch „Le Kaiser“Kittel suchte eine neue Herausforderung. Er wolle keine Kompromisse mehr eingehen, was sein Ziel, die Tour, betreffe. Die habe oberste Priorität.
Und dabei sollen ihm im Team von Zeitfahrspezialist Tony Martin auch Rick Zabel und Nils Politt helfen. Der Sohn von Erik Zabel und der Kölner Politt starteten ebenfalls bei der Rundfahrt am Rhein und unterstützten Kittel. Doch bislang laufen die Rädchen noch nicht optimal zusammen. „Ich will nicht sagen, dass es nicht gut läuft, aber wir sind noch in der Findungsphase“, sagte Kittel vor dem Start.
Zuletzt hielt sich das Katushateam in Colorado auf. Beim Höhentraining und bei der Kalifornien-rundfahrt sollte die Mannschaft näher zusammenfinden. Auf der ersten Etappe schrammte Kittel knapp an einem Podest vorbei, auf der fünften fuhr er durch ein Schlagloch. Ein richtiges Erfolgserlebnis blieb aus.
„Man muss erstmal schauen, wie ticken die Leute, man muss sich kennenlernen“, sagte Kittel, „und die anderen müssen auch schauen, wie tickt der Kittel.“Am leichtesten wird für Zabel und Co. sein Ziel zu verstehen sein: Er will am 29. Juli im Grünen Trikot nach Paris fahren.
Bis zum Start der Tour am 7. Juli bereitet sich Kittel unter anderem noch auf der Slowenienrundfahrt vor. Diese beginnt am Mittwoch. Die erste Etappe an Frankreichs Atlantik-küste hat sich der Thüringer bereits angesehen, genauer gesagt das Finale der Etappe. Zweimal konnte er bereits den ersten Tour-sieg holen. Ob ihm das im Juli ein drittes Mal gelingt, hängt auch davon ab, ob sich das Team bis dahin gefunden hat.