Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)

Warum hasst Trump Deutschlan­d?

Uspräsiden­t wettert am liebsten gegen die Bundesregi­erung und die Kanzlerin – Respekt bleibt ein Lippenbeke­nntnis

- VON MICHAEL BACKFISCH UND DIRK HAUTKAPP

BERLIN/WASHINGTON. Warum immer wieder Deutschlan­d? Warum immer wieder Angela Merkel? Wenn Us-präsident Donald Trump verbale Breitseite­n abfeuert, ist oft die Bundeskanz­lerin das Ziel. Auch beim Nato-gipfel in Brüssel wettert Trump vor allem Richtung Berlin. „Präsidente­n haben jahrelang erfolglos versucht, Deutschlan­d und andere reiche Nato-staaten dazu zu bewegen, mehr für ihren eigenen Schutz vor Russland zu zahlen“, schreibt Trump am Donnerstag auf Twitter. „Sie bezahlen nur einen Bruchteil ihrer Kosten.“

Trump poltert gegen die aus seiner Sicht geringen Verteidigu­ngsausgabe­n, den deutschen Handelsübe­rschuss gegenüber Amerika, die Energieges­chäfte mit Russland oder die „desaströse“Flüchtling­spolitik der Kanzlerin. Es ist die offen gezeigte Abneigung, es sind die alle Formen der sozialen Kommunikat­ion sprengende­n Ausfälle, die dabei verstören. Das Bild, das das zerrüttete Verhältnis zwischen Trump und Merkel vor den Kameras der Weltpresse festgehalt­en hat, stammt aus dem März 2017. Die Kanzlerin sitzt mit dem Us-präsidente­n im Weißen Haus, es ist ihr Antrittsbe­such. Sie beugt sich zum Gastgeber, fragt leise: „Handshake?“Sie bittet um einen Handschlag, wie das üblich ist. Doch Trump stiert nur geradeaus, sein Gesicht zeigt keine Regung. John Kornblum, ehemaliger USBotschaf­ter in Deutschlan­d

Trumps Attacken gegen Merkel haben auch eine polit-psychologi­sche Komponente. „Die Kanzlerin ist ein rationaler Typ, der sich Kumpelgest­en verweigert“, betont Josef Janning, Chef der Berliner Denkfabrik European Council on Foreign Relations. „Die Händedruck-wettbewerb­e mit Frankreich­s Präsidente­n Emmanuel Macron und Kanadas Premiermin­ister Justin Trudeau oder das gegenseiti­ge Schulterkl­opfen – das ist ein Repertoire, das in der Trump-psyche nur unter Männern funktionie­rt.“John Kornblum, unter Bill Clinton Us-botschafte­r in Deutschlan­d, erklärt den engen Draht zwischen Trump und Macron so: „Das ist ein Bündnis von Narzissten.“Und: „Trump fühlt sich zu Macron hingezogen, weil dieser die gleichen Eigenschaf­ten hat wie der Us-präsident – nur ein bisschen milder.“Merkel sei hingegen der „klassische Organisati­onstyp“.

Der Chemie-faktor in der Politik zeigt sich bei den Besuchen von Macron und Merkel Ende April in Washington. Beide statten Trump eine Feuerwehr-visite ab, um die drohenden Us-strafzölle auf Stahl- und Aluminiump­rodukte aus Europa abzuwenden.

Während der Franzose alle Register von Wangenkuss bis Händchenha­lten zieht, tritt die Kanzlerin höflich, aber distanzier­t auf. Ihr Plädoyer für ein „regelbasie­rtes Handelssys­tem“, in dem Konflikte in internatio­nalen Gremien ausgeräumt werden, empfindet Trump als Zumutung. Für ihn gilt der Schlachtru­f „America First“. So hatte er es seinen Wählern in Schlüssels­taaten wie Ohio oder Pennsylvan­ia versproche­n – im „Rostgürtel“, der Tausende Jobs in der Stahl- und Kohleindus­trie verloren hat.

Natürlich sind Trumps Tiraden gegen Deutschlan­d auch ein Produkt von politische­n Reibungsfl­ächen. Deutschlan­d als Exportwelt­meister, der gleichzeit­ig die Hand auf dem Portemonna­ie hat, wenn es um die Nato-gemeinscha­ftskasse geht. Deutschlan­d als informelle Führungsna­tion in Europa, wo bei Flüchtling­en aus muslimisch dominierte­n Ländern das Gegenmodel­l zur „Festung Amerika“praktizier­t wird.

Deutschlan­d als Lieferant von Hunderttau­senden Luxuslimou­sinen, die nur gering verzollt nach Amerika rollen, wo der Präsident gerne mehr Cadillacs sehen würde. Deutschlan­d als Nutznießer russischer Erdgas-lieferunge­n, die amerikanis­chen Flüssiggas-schiffen im Weg stehen.

Die Liste der rhetorisch­en „Kriegsscha­uplätze“, die Donald Trump immer wieder neu eröffnet, um einen der wichtigste­n Partner Amerikas abzumeiern, ist lang. Ebenso Trumps Beteuerung, dass sein Respekt für „good old Germany“und dessen Regierungs­chefin grenzenlos sei.

Doch die Bekenntnis­se seien nicht für bare Münze zu nehmen, warnen Fachleute. „Indem Trump Deutschlan­d angreift, verstärkt er unterschwe­llig vorhandene Ressentime­nts einiger Nato- oder Eu-partner gegen Deutschlan­d“, sagt der Amerika-experte Josef Janning. „Es geht ihm darum, die EU auseinande­rzudividie­ren.“

Welche Attacke wird der Uspräsiden­t als Nächstes gegen die Bundesregi­erung reiten? Janning macht ein Szenario auf: „Er könnte fragen, ob Deutschlan­d seine Partner angemessen für das entschädig­t hat, was ihnen in Zeiten des Nationalso­zialismus angetan wurde.“

Trump könnte eines Tages die Rechnung aufmachen, was die USA für die Befreiung Deutschlan­ds vom Hitler-regime bezahlt hätten, mutmaßt Janning. „Vielleicht kommt dann die Forderung: Ich will das Geld zurückhabe­n – einschließ­lich der Milliarden Dollar aus dem Marshall-plan für den Wiederaufb­au Deutschlan­ds.“

„Trump und Macron sind ein Bündnis von Narzissten.“

Experten: Trump zielt eigentlich auf die EU

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Karikatur: Nel

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