Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)
Warum hasst Trump Deutschland?
Uspräsident wettert am liebsten gegen die Bundesregierung und die Kanzlerin – Respekt bleibt ein Lippenbekenntnis
BERLIN/WASHINGTON. Warum immer wieder Deutschland? Warum immer wieder Angela Merkel? Wenn Us-präsident Donald Trump verbale Breitseiten abfeuert, ist oft die Bundeskanzlerin das Ziel. Auch beim Nato-gipfel in Brüssel wettert Trump vor allem Richtung Berlin. „Präsidenten haben jahrelang erfolglos versucht, Deutschland und andere reiche Nato-staaten dazu zu bewegen, mehr für ihren eigenen Schutz vor Russland zu zahlen“, schreibt Trump am Donnerstag auf Twitter. „Sie bezahlen nur einen Bruchteil ihrer Kosten.“
Trump poltert gegen die aus seiner Sicht geringen Verteidigungsausgaben, den deutschen Handelsüberschuss gegenüber Amerika, die Energiegeschäfte mit Russland oder die „desaströse“Flüchtlingspolitik der Kanzlerin. Es ist die offen gezeigte Abneigung, es sind die alle Formen der sozialen Kommunikation sprengenden Ausfälle, die dabei verstören. Das Bild, das das zerrüttete Verhältnis zwischen Trump und Merkel vor den Kameras der Weltpresse festgehalten hat, stammt aus dem März 2017. Die Kanzlerin sitzt mit dem Us-präsidenten im Weißen Haus, es ist ihr Antrittsbesuch. Sie beugt sich zum Gastgeber, fragt leise: „Handshake?“Sie bittet um einen Handschlag, wie das üblich ist. Doch Trump stiert nur geradeaus, sein Gesicht zeigt keine Regung. John Kornblum, ehemaliger USBotschafter in Deutschland
Trumps Attacken gegen Merkel haben auch eine polit-psychologische Komponente. „Die Kanzlerin ist ein rationaler Typ, der sich Kumpelgesten verweigert“, betont Josef Janning, Chef der Berliner Denkfabrik European Council on Foreign Relations. „Die Händedruck-wettbewerbe mit Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron und Kanadas Premierminister Justin Trudeau oder das gegenseitige Schulterklopfen – das ist ein Repertoire, das in der Trump-psyche nur unter Männern funktioniert.“John Kornblum, unter Bill Clinton Us-botschafter in Deutschland, erklärt den engen Draht zwischen Trump und Macron so: „Das ist ein Bündnis von Narzissten.“Und: „Trump fühlt sich zu Macron hingezogen, weil dieser die gleichen Eigenschaften hat wie der Us-präsident – nur ein bisschen milder.“Merkel sei hingegen der „klassische Organisationstyp“.
Der Chemie-faktor in der Politik zeigt sich bei den Besuchen von Macron und Merkel Ende April in Washington. Beide statten Trump eine Feuerwehr-visite ab, um die drohenden Us-strafzölle auf Stahl- und Aluminiumprodukte aus Europa abzuwenden.
Während der Franzose alle Register von Wangenkuss bis Händchenhalten zieht, tritt die Kanzlerin höflich, aber distanziert auf. Ihr Plädoyer für ein „regelbasiertes Handelssystem“, in dem Konflikte in internationalen Gremien ausgeräumt werden, empfindet Trump als Zumutung. Für ihn gilt der Schlachtruf „America First“. So hatte er es seinen Wählern in Schlüsselstaaten wie Ohio oder Pennsylvania versprochen – im „Rostgürtel“, der Tausende Jobs in der Stahl- und Kohleindustrie verloren hat.
Natürlich sind Trumps Tiraden gegen Deutschland auch ein Produkt von politischen Reibungsflächen. Deutschland als Exportweltmeister, der gleichzeitig die Hand auf dem Portemonnaie hat, wenn es um die Nato-gemeinschaftskasse geht. Deutschland als informelle Führungsnation in Europa, wo bei Flüchtlingen aus muslimisch dominierten Ländern das Gegenmodell zur „Festung Amerika“praktiziert wird.
Deutschland als Lieferant von Hunderttausenden Luxuslimousinen, die nur gering verzollt nach Amerika rollen, wo der Präsident gerne mehr Cadillacs sehen würde. Deutschland als Nutznießer russischer Erdgas-lieferungen, die amerikanischen Flüssiggas-schiffen im Weg stehen.
Die Liste der rhetorischen „Kriegsschauplätze“, die Donald Trump immer wieder neu eröffnet, um einen der wichtigsten Partner Amerikas abzumeiern, ist lang. Ebenso Trumps Beteuerung, dass sein Respekt für „good old Germany“und dessen Regierungschefin grenzenlos sei.
Doch die Bekenntnisse seien nicht für bare Münze zu nehmen, warnen Fachleute. „Indem Trump Deutschland angreift, verstärkt er unterschwellig vorhandene Ressentiments einiger Nato- oder Eu-partner gegen Deutschland“, sagt der Amerika-experte Josef Janning. „Es geht ihm darum, die EU auseinanderzudividieren.“
Welche Attacke wird der Uspräsident als Nächstes gegen die Bundesregierung reiten? Janning macht ein Szenario auf: „Er könnte fragen, ob Deutschland seine Partner angemessen für das entschädigt hat, was ihnen in Zeiten des Nationalsozialismus angetan wurde.“
Trump könnte eines Tages die Rechnung aufmachen, was die USA für die Befreiung Deutschlands vom Hitler-regime bezahlt hätten, mutmaßt Janning. „Vielleicht kommt dann die Forderung: Ich will das Geld zurückhaben – einschließlich der Milliarden Dollar aus dem Marshall-plan für den Wiederaufbau Deutschlands.“
„Trump und Macron sind ein Bündnis von Narzissten.“
Experten: Trump zielt eigentlich auf die EU