Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)
Was bei Pflegebedürftigkeit als erstes zu tun ist
Betroffene und Angehörige stehen oft ratlos vor einem Berg an Informationen. Wo aber bekommen sie wirklich Hilfe?
BERLIN. Wird jemand pflegebedürftig, haben die Angehörigen Anspruch auf Unterstützung. Jedenfalls theoretisch. In der Praxis sind viele mit der Situation überfordert, ergab eine von der Verbraucherzentrale Niedersachsen in Auftrag gegebene Umfrage. Eugénie Zobel-kowalski, Juristin und Pflegeexpertin bei Stiftung Warentest, beantwortet die wichtigsten Fragen.
Was ist als Erstes zu tun, wenn jemand pflegebedürftig wird?
Sobald sich so eine Situation abzeichnet, ist ein Anruf bei der Pflegekasse sinnvoll. Dort stellt man telefonisch einen Antrag auf Pflegebedürftigkeit. Die Formulare für den schriftlichen Antrag werden zugeschickt. Sind die ausgefüllten Formulare bei der Kasse eingegangen, meldet sich der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK), um die Situation zu begutachten.
Was genau begutachtet der MDK?
Wie selbstständig jemand noch agieren kann. Der Gutachter schaut also beispielsweise, wie weit sich der potenziell Pflegebedürftige noch herunterbeugen kann, wie gut seine Motorik noch funktioniert und ob eine Demenzerkrankung vorliegt. Dabei ist es wichtig, nichts zu beschönigen. Denn auf der Grundlage des Gutachtens legt der MDK den sogenannten Pflegegrad fest. Mit wie viel finanzieller Unterstützung kann man rechnen?
Das kommt auf den Pflegegrad an. Im Pflegegrad eins etwa gibt es nur einen Entlastungsbetrag in Höhe von 125 Euro. Er soll zum Beispiel einen Verdienstausfall von einem pflegenden Angehörigen ausgleichen. Im höchsten Pflegegrad sind es 901 Euro. Wer einen ambulanten Pflegedienst beauftragt, bekommt mehr: 689 Euro im Pflegegrad zwei und 1995 Euro im Pflegegrad fünf. Die Kasse rechnet mit einem Pflegedienst direkt ab. Den Entlastungsbetrag von 125 Euro pro Monat gibt es dann zusätzlich.
Welche Frage sollten sich Angehörige als Erstes stellen?
Sinnvoll ist, zunächst zu schauen, ob eine Pflege zu Hause möglich ist: Ist die Wohnung barrierefrei? Wenn nicht, lässt sie sich entsprechend anpassen? Und natürlich: Wer könnte die Pflege zu Hause übernehmen? In einer Krisensituation kann man eine Kurzzeitpflege in einem Pflegeheim nutzen, um solche Dinge zu klären. Dort wird der Pflegebedürftige für eine bestimmte Zeit – maximal sind das 56 Tage binnen eines Jahres – untergebracht. Danach können beide Seiten weitersehen.
Wo können sich Pflegebedürftige und Angehörige beraten lassen?
Die Pflegekassen bieten selbst eine Beratung an oder können andere Stellen vermitteln, die das tun. Das Zentrum für Qualität in der Pflege (ZQP) listet außerdem kostenlose und unabhängige Beratungsstellen auf. Unter der Telefonnummer 030/20179131 erreichen Angehörige montags bis donnerstags von 9 bis 18 Uhr zudem das Pflegetelefon des Bundesfamilienministeriums. Auch die Unabhängige Patientenberatung Deutschland berät unter 0800/011 77 22. (dpa)