Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)
„Nur Gott hat mich gerettet“
Samson Agbeh Adinye aus Nigeria hat ein Martyrium erlebt. Er möchte im Eichsfeld Arbeit finden und hier Fuß fassen
EICHSFELD. „Fünf Jahre lang bin ich nun unterwegs und ich sehe immer noch kein Ende“, sagt Samson Agbeh Adinye. Der Nigerianer hat eine Odyssee hinter sich, die in seinem Heimatland begann und in Deutschland vielleicht ein Ende hat.
Der 26-jährige Nigerianer wohnt seit einigen Wochen in einer Flüchtlingsgemeinschaftsunterkunft im Eichsfeld und mag nicht gern an die schlimmen Zeiten zurückdenken.
Adinye sagt, dass alles im Juni 2012 begann, als er mit einem Mädchen auf seinem Motorrad in seinem Heimatland unterwegs war. Es habe ihn plötzlich ein entgegenkommender Motorradfahrer gestreift, bevor es zum Unfall kam, die junge Frau vom Rücksitz stürzte und mit dem Kopf auf dem Bordstein aufschlug.
Traumatisierende Erlebnisse auf der Flucht
Dabei habe sie tödliche Verletzungen erlitten. Hinzugekommen sei die Tatsache, dass die junge Frau die einzige Tochter eines sogenannten Chiefs, eines Anführers einer militanten Gruppierung, war. „Ich werde den töten, der meine Tochter auf dem Gewissen hat“, habe dieser damals gedroht, erzählt Adinye.
Das Martyrium begann. Adinye landete im Gefängnis. Dort habe man ihn geschlagen. Bei dem Unfall hatte sich der junge Nigerianer seinen Unterschenkel gebrochen. Der sei provisorisch geschient gewesen. „Die Wärter hätten gegen sein gebrochenes Bein getreten, bis er ohnmächtig geworden sei. „Irgendwann durften meine Mutter und mein Bruder mich besuchen. Die wollten mir einen Rechtsanwalt besorgen, der aber 2500 Euro haben wollte. Geld hatten wir nicht“, sagt der 26-Järige. Spätestens ab dem Tag, als Adinye das Gefängnis verlassen durfte, habe er auf der Todesliste gestanden.
Er habe sich dann mit jemandem auf den Weg in Richtung Norden gemacht, die Grenze zum Niger überquert und sei weiter nach Libyen gefahren. „Dort herrscht ebenfalls Rechtlosigkeit. Irgendwelche Leute kidnappen dich. So ging es mir auch. Auch dort landete ich im Gefängnis. Die Wärter haben mich verprügelt und mir eine glühende Eisenstange auf den Oberarm gelegt. Schließlich sagte man mir, dass ich doch freikomme, wenn jemand von zu Hause Geld schickt. Korruption und Folter sind in vielen afrikanischen Ländern an der Tagesordnung.“
Fast zwei Jahre lang war Adinye in Libyen eingesperrt. Nach seiner Entlassung habe er Mohamed kennenggelernt, einen Muslim. „Ich habe mich im Autoanhänger von Mohamed versteckt. Wir sind stundenlang Richtung Norden gefahren, bis das Auto stoppte. Als ich aus dem Hänger kroch, sah ich Hunderte Leute und das Meer. Das war die libysche Küste“, erzählt er. Noch in der Nacht sei er mit 165 Menschen in ein Schlauchboot gestiegen. „Das war am 26. Oktober 2016“, meint der Nigerianer.
Nach 15 Stunden auf dem Mittelmeer habe das Boot schließlich Leck geschlagen. Wasser sei massenweise eingedrungen. Ein spanisches Rettungsschiff, von dem Schwimmwesten geworfen wurden, sei in letzter Minute gekommen. „Ich habe direkt am Motor des Schlauchbootes gesessen und stürzte neben dem schweren Teil ins Meer. Als mich die Spanier rausgezogen hatten, spürte ich, dass das einzige, was ich retten konnte, mein Rosenkranz war, den ich in der Tasche hatte“, erinnert sich der bekennende Christ, der sich sicher ist: „Nur Gott hat mich gerettet.“
Über Catania auf Sizilien ging es für Adinye nach Vicenza im Norden Italiens. Nach einer Anhörung vor einer Kommission habe er eine Aufenthaltserlaubnis und 250 Euro bekommen. „Ich erhielt auch Personaldokumente. Zum großen Übel habe ich meine Mappe mit den Dokumenten verloren. So bekam ich keine Arbeit und hatte keine Wohnung. Ab da ging ich betteln. Im Dezember 2017 starb meine Mutter. Ich war kurz davor, mich umzubringen“, fasst Adinye die weiteren Ereignisse kurz zusammen.
Schließlich gelangte der Nigerianer nach Deutschland. Erst sei er in Stuttgart, dann in Suhl gewesen, nun im Eichsfeld. Was wird, weiß er nicht. Er möchte Asyl beantragen. „Zurück kann ich nicht. Die würden mich in Nigeria töten“, sagt er und denkt auch an seine Flucht und die Rettung. „Gott hat alles so gewollt. Ich danke ihm und gehe jeden Sonntag mit zwei nigerianischen Freunden zum Gottesdienst in die Antoniuskirche in Worbis, um zu ihm zu beten.“