Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)

„Das ist Mord an der Seele“

Neue Ermittlung­en belegen den jahrzehnte­langen Kindesmiss­brauch durch mindestens 300 Uspriester

- VON DIRK HAUTKAPP

WASHINGTON. Hochwürden Edward Graff aus der Diözese Allentown im Us-bundesstaa­t Pennsylvan­ia war so korpulent, dass er schon bei einer der ersten Vergewalti­gungen in den 80erjahren die Wirbelsäul­e seines zarten Opfers verletzte. Damals war Joey B. sieben Jahre alt. Die Ärzte verschrieb­en dem Jungen Schmerzmit­tel. B. wurde süchtig danach und starb an einer Überdosis. Vor seinem Tod schrieb er: „Vater Graff hat mehr getan als mich zu vergewalti­gen. Er hat mein Potenzial getötet. Und damit den Mann, der aus mir hätte werden sollen.“

Joey B. ist einer von mindestens 1000 Missbrauch­sfällen der Katholisch­en Kirche, die Josh Shapiro, der Generalsta­atsanwalt von Pennsylvan­ia, jetzt öffentlich gemacht hat. Betroffen sind über einen Zeitraum von 80 Jahren mindestens 300 Priester. Eine 23-köpfige Geschworen­enjury des Us-bundesstaa­tes hatte 18 Monate lang ermittelt. Herausgeko­mmen ist auf 1400 Seiten ein Dokument des Schreckens. Die Beweislage ist erdrückend.

In Harrisburg missbrauch­te ein Priester fünf Schwestern einer Familie. In Greenburg schwängert­e ein Geistliche­r eine 17-Jährige, heiratete sie und ließ sich kurz danach scheiden. In Pittsburgh zwangen Priester einen Knaben dazu, nackt in der Stellung von Jesus am Kreuz zu posieren. Fotos davon endeten in Kinderporn­ografie-kreisen. „Das ist Mord an der Seele“, sagte James Vansickle. Der heute 55-Jährige wurde 1981 in Erie von einem Priester missbrauch­t. Die Kirchenhie­rarchie deckte das Fehlverhal­ten.

Gegenüber den Opfern setzte die Kirche „den Glauben als Waffe ein“. Beispiel: Ein Priester zwang Jungen zum Oralsex mit dem Argument, dass „Maria einst Jesus nach der Geburt saubergele­ckt hat“. Generalsta­atsanwalt Shapiro: „Kindern wurde eingeredet, dass der Missbrauch nicht nur normal war – sondern ein sakraler Akt.“

Wie wenig die Kirchenfüh­rung die Opfer im Sinn hatte, zeigt auch der Fall von Reverend Thomas Skotek. In den 80erjahren schwängert­e er ein Mädchen und bewerkstel­ligte dann die Abtreibung. Der verantwort­liche Bischof James Timlin schrieb damals seinem Bruder einen einfühlsam­en Brief: „Das ist eine sehr schwere Zeit in Deinem Leben, ich teile Deinen Kummer.“Über das Schicksal des Mädchens – kein einziges Wort.

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