Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)
„Viele, die im Internet nach Urlaub suchen, finden Thüringen nicht“
Wirtschaftsstaatssekretärin Valentina Kerst kündigt vor dem heutigen Tourismustag eine umfassende Datenbank an
ERFURT. Valentina Kerst (SPD) ist seit Februar Staatssekretärin im Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und digitale Gesellschaft. Wir sprachen vor dem heute in Weimar stattfindenden Thüringer Tourismustag mit der 38-Jährigen, die aus Köln stammt.
Wie gut haben Sie Thüringen in den wenigen Monaten schon kennengelernt?
Ich bin durchaus viel rumgekommen, war in so ziemlich allen Regionen, in Nordhausen, Altenburg, Oberhof, am Thüringer Meer, im Hainich oder eben im Thüringer Wald.
Was hat Ihnen besonders imponiert?
Ich bin ein Kind der Stadt, in dem es nicht viel Grün gibt. Insofern bin ich beeindruckt von der Natur, den Farben in den Wäldern. Auch das Thüringer Meer ist fantastisch, das hat sich ein wenig wie am Gardasee angefühlt.
Und was hat Sie erschrocken?
Immer wieder ist zu hören, dass die Gastronomie am Rennsteig verbesserungswürdig ist. Dass die Öffnungszeiten nicht stimmig sind, dass Leute vor verschlossenen Türen stehen. Das ist nicht gut, denn diese Besucher kommen kaum wieder.
Was kann das Ministerium tun, damit mehr Gäste nach Thüringen kommen und sie wieder zufrieden fahren?
Als ich mein Amt angetreten habe, wurde die Landestourismusstrategie verabschiedet. Klares Ziel ist, die Qualität anzuheben, neue Produkte zu entwickeln, die Gewinnsituation der Betriebe zu verbessern. Dafür bringen wir beispielsweise die regionalen Tourismusverbände zusammen, unterstützen sie mit entsprechenden Fördergeldern. Die verteilen wir nicht mit der Gießkanne, sondern nach einem Punktesystem. Wir forcieren die Suche nach Investoren vor allem im Bereich höherwertiger Gastronomie und Hotellerie. Wir wissen, dass sich die Anforderungen der Gäste durch die Globalisierung verändern, der Vergleich ist immer transparent. Viele, die im Internet nach Urlaub suchen, finden Thüringen nicht oder nicht so, wie wir uns das wünschen. Das muss sich ändern.
Wie?
Durch eine verbesserte Digitalisierung – ohnehin ein Lieblingsthema von mir. Wir erstellen gerade eine Datenbank, die ab Herbst programmiert wird. Die Idee ist, dass sich alle Touristiker, die kleine Pension genauso wie das große Hotel, der Fahrradhandel oder der Ski- und Bootsverleih, ab dem zweiten Quartal 2019 dort wiederfinden. Mit Fotos, Öffnungszeiten, Kontaktdaten, Preisen und so weiter – das heißt, es gibt eine einheitliche, von allen nutzbare Struktur. So entsteht ein großes Portal, in dem ganz Thüringen touristisch abgebildet ist. So etwas gibt es in Deutschland noch nicht.
Ist es wirklich sinnvoll, die bis 2025 ausgelegte Tourismusstrategie auf vier Leitmotive –auszurichten? Auf Erfurt, Weimar, die Wartburg und den Rennsteig, die für „Neugierde“, „Kennerschaft”,
„Faszination” und „Sehnsucht” stehen?
Die Idee ist, eine Konzentration in der Kommunikation. Inhaltlich wird niemand zu kurz kommen, weil Thüringens Stärke auch die Vielfalt ist. Wie die Strategie wirkt, werden wir erst in zwei, drei Jahren wissen.
Der Thüringer Wald gilt seit Jahren als Sorgen-region. Bewegt sich dort etwas?
Ich denke ja. Mit dem Projekt „Zukunft Thüringer Wald“ist
„Immer wieder ist zu hören, dass die Gastronomie am Rennsteig verbesserungswürdig ist. “Valentina Kerst, Wirtschaftsstaatssekretärin
auch intern frischer Wind eingezogen. Nun müssen wir schauen, was in Oberhof zum Beispiel mit der Bewerbung für die Biathlon-wm 2023 passiert. Über den Hainich haben auch viele gelacht, als es hieß, wir stellen den neu auf. Jetzt ist er ein Magnet. Das sollte auch mit dem Thüringer Wald klappen, ungeachtet der sicherlich anderen Mentalität. Ich sage immer: Mit „machen“kommt man weiter. Denn Neid und Kirchturmdenken gibt es in jedem Bundesland. Wir brauchen Vorbilder, positive Beispiele. Mir fällt da Masserberg ein, wo die Erneuerung der Therme beschlossen ist.
Die Biathlon-weltmeisterschaft ist wichtig. Aber klebt der Thüringer Tourismus nicht zu sehr an Ereignissen oder Jubiläen, wie auch Luther oder Bauhaus?
Sie sind für das Marketing enorm wichtig, weil man Leute erreicht, an die man sonst vielleicht nicht herankäme. Dennoch geht es natürlich darum, Touristen auch sonst zu uns zu locken. Das ist schwer, weil man heute für 29 Euro in den Flieger steigt und irgendwo anders in Europa landet. Insofern gilt es ständig, neu zu überlegen und kontinuierlich zu investieren. Wir haben jetzt bei der Landesentwicklungsanstalt ein Projekt speziell für touristische Neuansiedlungen entwickelt.
Das besagt?
Wir haben ein Akquisitionsteam gegründet, das zum einen Grundstücke identifiziert, wo Hotel-ansiedlungen denkbar sind. Zum anderen, gezielt Investoren anspricht. Derzeit sind wir bei 17 Projekten mit potenziellen Investoren im Gespräch, damit wäre ein Investitionsvolumen von 400 Millionen Euro und 1300 Arbeitsplätzen verbunden.
Das wird nicht alles so kommen, aber ich bin sicher, dass wir bald eine erste Neuansiedlung vermelden können Das heißt nicht, dass wir alte Betriebe verdrängen wollen. Doch gerade im Bereich Tourismus schließen in den nächsten Jahren viele Unternehmen, weil die Gewinnsituation nichts anderes zulässt oder weil es an Nachfolgern fehlt. Neue Ansiedlungen können da neue Impulse setzen. Wir sind im Gegensatz zu Anderen ein Bundesland, wo noch viel möglich ist. Und ein Land, das immer einen Besuch wert ist.