Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)

Tschadsee – Symbol für die weltweite Flüchtling­skrise

Millionen Afrikaner fliehen aus der Region vor den Folgen des Klimawande­ls, vor Gewalt und Armut. Eine Geberkonfe­renz in Berlin will helfen

- VON CHRISTIAN UNGER

BERLIN. Die Region am Tschadsee ist ein Gebiet aus Wäldern, Wiesen, Sand und Wasser. Es ist der viertgrößt­e Süßwassers­ee Afrikas, im Ländereck von Niger, Nigeria, Tschad und Kamerun. Laut den Vereinten Nationen sind 2,3 Millionen Menschen in der Region auf der Flucht. Es sind Geschichte­n über Gewalt, Terrorismu­s und Klimawande­l. Über Korruption und fehlende Bildung. Und darüber, wie das alles zu einer Flüchtling­skrise führt, die der Eu-kommissar für humanitäre Hilfe, Christos Stylianide­s, als „eine der schwersten auf dem afrikanisc­hen Kontinent“beschreibt. Am heutigen Montag und Dienstag treffen sich Regierunge­n, Helfer und Forscher zu einer Konferenz für den Tschadsee in Berlin.

Und doch: Kaum jemand in Europa hört je etwas von diesen Millionen Menschen am Tschadsee. Dabei erklärt die Krise wie kaum eine andere, warum Menschen fliehen müssen. Der Tschadsee bedeckte noch in den 1970er-jahren ein Gebiet fast so groß wie Mecklenbur­g-vorpommern. Heute zeigen Satelliten­bilder, dass die Wasserfläc­he um 80 Prozent zurückgega­ngen ist. Anhaltende Dürre und fehlender Naturschut­z ließen den Pegel sinken. Viele Tausende Viehzüchte­r ließen ihre Tiere dort weiden, Fischer verdienten mit dem See ihr Geld. Dann kämpften die Hirten um das wenige Wasser für ihr Vieh, Fischfang brach ein, Tausende Menschen zogen weg, ins Landesinne­re von Nigeria, Niger, Kamerun und Tschad. Dort stießen Hirten auf Ackerbauer­n – und kämpften um das Land. Und wo Gewalt regiert und Armut wächst, breiten sich Terrorgrup­pen schneller aus. Irgendwann kontrollie­rte Boko Haram viele Teile des Tschadsees – brutale Islamisten.

Erst wenn sich über Jahre die Lage in den Flüchtling­scamps nicht bessert, fliehen die Menschen weiter: in den Norden – und wer genug Geld und Mut hat, bis nach Europa. Meist sind es Männer. Zurück bleiben zerstörte Dörfer und Familien.

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