Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)
Wasserspiele im Hardrock-café
Weimarer Kunstfest endet mit den Früchten der Arbeit und prima Bilanzen
WEIMAR. Ein wenig melancholisch, im Nieselregen, ist gestern das Weimarer Kunstfest offiziell zu Ende gegangen. Die Stimmung im Organisationsteam, das reibungslose Abläufe gewährleistet hat, entsprach der Wetterlage, wenngleich aus internem Anlass: „Wir haben Samstagabend den Chef verabschiedet, mit dem alle sehr gut klargekommen sind“, hieß es aus Mitarbeiterkreisen. Christian Holtzhauer wechselt ans Nationaltheater nach Mannheim, geht also den umgekehrten Weg wie Friedrich Schiller. Mindestens für einen von beiden ist dies ein Aufstieg.
Holtzhauer bilanziert für seinen letzten von fünf Kunstfest-jahrgängen vorläufig 30 000 Besucher. Das sind 9 Prozent weniger als auf dem Höhepunkt anno 2017; allerdings haben die Ausstellungen in der Bauhaus-bibliothek und der Acc-galerie noch ein paar Wochen geöffnet. 26 Produktionen mit 90 Veranstaltungen erlösten 7200 verkaufte Tickets bei 90-prozentiger Auslastung. Holtzhauers kaufmännische Leistung, bei 900 000 Euro an Zuschüssen von Stadt und Land ein Drittel des 1,3-Millionen-etats selbst erwirtschaftet zu haben, verdient Respekt. Höher indes sind der künstlerische und der politische Erfolg zu werten, bei stagnierenden Zuschüssen das Festival deutlich oberhalb der Verschwindungsgrenze gehalten zu haben.
Etwas unter dem Durchschnittsniveau rangierte indessen der Chillout im E-werk, Miet Warlops Performance „Fruits of Labor“(Früchte der Arbeit). Das belgische Multi-talent präsentierte samt vierköpfiger Band eine Art Hardrock-café – mit leicht parodistischer Attitüde. Da erfüllt die Chefin selber im Glitzerkostüm die Funktion einer Disco-spiegelkugel, während sich über einer simplen Bassfigur eine sanfte Ballade entspinnt. Der Schlagzeuger hadert mit Trommeln und Becken, aber dann rockt die Band los mit wachsendem Tempo und Eifer, so hard & heavy, wie Led Zeppelin niemals waren.
Klar geht das schief, das Stück säuft in einer Zeitlupe ab. Dazu wechselt der Scheinwerferkegel die Farben wie ein Chamäleon. Ein Mephistopheles in rotem Umhang verbreitet brenzlige Düfte und freitonale Operntöne, bevor er sich auf einen Styropor-katafalk bettet und zur schwebenden Jungfrau mutiert. Die belgische Rock-clownerie bringt noch Steinzeit-turntables und Derwisch-tänze, ein paar Gags und viel Lärm um nichts. Immer mehr gleiten Show und Musik ins Punkige ab. Miet Warlop mimt die Rock-röhre, aber ach: Das haben Patti, Tamara und Ina mal besser gekonnt.
Bis von den beinharten Beats nicht nur die (bedarfsweise gehörschutzgedämmten) Trommelfelle und Magengruben im Saal vibrieren, sondern über der Bühne ein (präpariertes) Wasserrohr bricht. Fingerdicke Wasserstrahlen ergießen sich auf das Schlagwerk und machen jetzt selber die Sounds. Zu einer feinen Schnulze, my darling, spritzt eine Fontäne in hohem Bogen.
So endet die zunehmend anarchische, planvoll konfuse Vorstellung im totalen Chaos – etwa so muss es einst bei den legendären Bauhaus-festen gewesen sein. Viel Beifall, zumindest auf der Bühne blieb kein Auge trocken.