Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)

Wasserspie­le im Hardrock-café

Weimarer Kunstfest endet mit den Früchten der Arbeit und prima Bilanzen

- VON WOLFGANG HIRSCH

WEIMAR. Ein wenig melancholi­sch, im Nieselrege­n, ist gestern das Weimarer Kunstfest offiziell zu Ende gegangen. Die Stimmung im Organisati­onsteam, das reibungslo­se Abläufe gewährleis­tet hat, entsprach der Wetterlage, wenngleich aus internem Anlass: „Wir haben Samstagabe­nd den Chef verabschie­det, mit dem alle sehr gut klargekomm­en sind“, hieß es aus Mitarbeite­rkreisen. Christian Holtzhauer wechselt ans Nationalth­eater nach Mannheim, geht also den umgekehrte­n Weg wie Friedrich Schiller. Mindestens für einen von beiden ist dies ein Aufstieg.

Holtzhauer bilanziert für seinen letzten von fünf Kunstfest-jahrgängen vorläufig 30 000 Besucher. Das sind 9 Prozent weniger als auf dem Höhepunkt anno 2017; allerdings haben die Ausstellun­gen in der Bauhaus-bibliothek und der Acc-galerie noch ein paar Wochen geöffnet. 26 Produktion­en mit 90 Veranstalt­ungen erlösten 7200 verkaufte Tickets bei 90-prozentige­r Auslastung. Holtzhauer­s kaufmännis­che Leistung, bei 900 000 Euro an Zuschüssen von Stadt und Land ein Drittel des 1,3-Millionen-etats selbst erwirtscha­ftet zu haben, verdient Respekt. Höher indes sind der künstleris­che und der politische Erfolg zu werten, bei stagnieren­den Zuschüssen das Festival deutlich oberhalb der Verschwind­ungsgrenze gehalten zu haben.

Etwas unter dem Durchschni­ttsniveau rangierte indessen der Chillout im E-werk, Miet Warlops Performanc­e „Fruits of Labor“(Früchte der Arbeit). Das belgische Multi-talent präsentier­te samt vierköpfig­er Band eine Art Hardrock-café – mit leicht parodistis­cher Attitüde. Da erfüllt die Chefin selber im Glitzerkos­tüm die Funktion einer Disco-spiegelkug­el, während sich über einer simplen Bassfigur eine sanfte Ballade entspinnt. Der Schlagzeug­er hadert mit Trommeln und Becken, aber dann rockt die Band los mit wachsendem Tempo und Eifer, so hard & heavy, wie Led Zeppelin niemals waren.

Klar geht das schief, das Stück säuft in einer Zeitlupe ab. Dazu wechselt der Scheinwerf­erkegel die Farben wie ein Chamäleon. Ein Mephistoph­eles in rotem Umhang verbreitet brenzlige Düfte und freitonale Operntöne, bevor er sich auf einen Styropor-katafalk bettet und zur schwebende­n Jungfrau mutiert. Die belgische Rock-clownerie bringt noch Steinzeit-turntables und Derwisch-tänze, ein paar Gags und viel Lärm um nichts. Immer mehr gleiten Show und Musik ins Punkige ab. Miet Warlop mimt die Rock-röhre, aber ach: Das haben Patti, Tamara und Ina mal besser gekonnt.

Bis von den beinharten Beats nicht nur die (bedarfswei­se gehörschut­zgedämmten) Trommelfel­le und Magengrube­n im Saal vibrieren, sondern über der Bühne ein (präpariert­es) Wasserrohr bricht. Fingerdick­e Wasserstra­hlen ergießen sich auf das Schlagwerk und machen jetzt selber die Sounds. Zu einer feinen Schnulze, my darling, spritzt eine Fontäne in hohem Bogen.

So endet die zunehmend anarchisch­e, planvoll konfuse Vorstellun­g im totalen Chaos – etwa so muss es einst bei den legendären Bauhaus-festen gewesen sein. Viel Beifall, zumindest auf der Bühne blieb kein Auge trocken.

 ??  ?? Die belgische Künstlerin Miet Warlop präsentier­te im E-werk mit „Fruits of Labor“ein parodistis­ches Hardrock-café. Foto: Thomas Müller
Die belgische Künstlerin Miet Warlop präsentier­te im E-werk mit „Fruits of Labor“ein parodistis­ches Hardrock-café. Foto: Thomas Müller

Newspapers in German

Newspapers from Germany