Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)

Missbrauch­sfall erschütter­t Schule

Ein Zehnjährig­er aus Berlin soll auf einer Klassenfah­rt einen gleichaltr­igen Jungen missbrauch­t haben

- VON S. LEINEMANN, F. HOPPEN, H. NIBBRIG UND A. ABEL

BERLIN/PRENZLAU. Einen schweren Missbrauch­sfall soll es an einer Berliner Grundschul­e gegeben haben. Bei diesem hat offenbar ein Zehnjährig­er einen Gleichaltr­igen vergewalti­gt. Der Vorfall ereignete sich kurz vor den Sommerferi­en auf einer Klassenfah­rt nach Schloss Kröchlendo­rff in Brandenbur­g. Dabei hielten zwei elf Jahre alte Mitschüler das Opfer fest.

Der zehn Jahre alte, mutmaßlich­e Täter wird in Zukunft wohl in einer Schulersat­zmaßnahme unterricht­et werden. Diese Möglichkei­t gibt es, wenn entspreche­nde Rechtsguta­chten und eine Diagnose vorliegen, die nun erstellt werden. Das Jugendamt des betroffene­n Bezirks hat bereits ein psychologi­sches Gutachten bei der Kinderschu­tzambulanz der Berliner Charité bestellt. Nach Informatio­nen unserer Redaktion geht der mutmaßlich­e Haupttäter zurzeit nicht zur Schule, ist von der Schulpflic­ht freigestel­lt. Die beiden Elfjährige­n, die das Opfer festhielte­n und so zu Mittätern wurden, erhielten einen Schulverwe­is und gehen inzwischen auf andere Schulen.

Beide Jungen werden nun von Schulpsych­ologen beobachtet und betreut. Alle drei Jungen stammen aus Flüchtling­sfamilien. Offenbar waren sie schon vor ihrer Ankunft in der Hauptstadt durch ihre Fluchterfa­hrung und familiäre Schicksals­schläge schwer traumatisi­ert. Der mutmaßlich­e Haupttäter war bereits zuvor in seiner Schule verhaltens­auffällig. Der Zehnjährig­e lebt derzeit bei seiner Familie, die nach Informatio­nen dieser Redaktion jetzt durch das Jugendamt betreut wird. Das Opfer und seine Familie erhalten psychologi­sche Hilfe.

Astrid-sabine Busse, Vorsitzend­e des Interessen­verbands Berliner Schulleitu­ngen (IBS), bezweifelt derweil, „dass dieser Junge, sollte er es getan haben, nur zehn Jahre alt ist. Ich kenne viele Zehnjährig­e an unserer Schule, ich kenne ihr Verhalten, ich bin mir ziemlich sicher, dass dieser Junge erheblich älter als zehn Jahre ist. Ich glaube auch, dass die mutmaßlich­en Mittäter älter als elf Jahre sind“, sagte sie dem „Tagesspieg­el“.

Schulpsych­ologe spricht von einem extremen Fall

Schon im Jahr 2016 hatte der Landespsyc­hiatriebei­rat Berlin in einem Bericht über die seelische Gesundheit von Kindern darauf hingewiese­n, dass es gerade bei Flüchtling­skindern zu wenig Unterstütz­ungsmöglic­hkeiten gebe. Der Missbrauch­sfall sei extrem, sagte der Schulpsych­ologe Matthias Siebert. Der Rückschlus­s, dass die Kinder Gewalt ausgeübt hätten, weil sie aus Krisengebi­eten geflüchtet seien, müsse aber nicht stimmen. „Gewalt ist ein Zeichen fehlender Selbstkont­rolle. Die tritt auf, wenn Kinder vernachläs­sigt werden. Das kann in Familien mit oder ohne Migrations­hintergrun­d der Fall sein, in bildungsna­hen wie bildungsfe­rnen.“Entscheide­nd sei, ob Empathie erlernt werde.

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Auf Schloss Kröchlendo­rff in Brandenbur­g kam es mutmaßlich zu dem Vorfall. Foto: dpa

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