Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)
Der Gentleman mit Eichsfelder Seele
Vor 80 Jahren wird der Rennbaron Huschke von Hanstein Deutscher Sportwagenbergmeister. Erinnerungen an einen Menschen, der Wahlhausen liebte
EICHSFELD. Der „Rennbaron“. Dieser Beiname hat einen Mann zur Legende werden lassen, der dem Eichsfeld auf‘s Engste verbunden war: Fritz Sittig Enno Werner von Hanstein. Besser bekannt als Huschke von Hanstein. Unverkennbar seine karierte Mütze und der Schnäuzer, der mit ihm alt wurde.
Seine Wurzeln liegen im Eichsfeld. Er entstammt dem berühmten Geschlecht der Hansteiner, deren Stammburg hoch über Bornhagen thront. Eine Zeit lang stand er sogar dem Familienverband vor. Geboren wurde Huschke von Hanstein 1911 in Halle an der Saale. Seine ersten Lebensjahre verbrachte er allerdings in Hausneindorf, heute ein Ortsteil von Selke-aue im sachsen-anhaltinischen Harz. Der Grund: Seine Mutter Anna von Dippe stammte von dort. 1920 zog man ins Werratal, wo dieser Zweig der Familie seit Generationen den Unterhof in Wahlhausen besaß. Schon als Jugendlicher, so sagt die Legende, sei er voller Energie herumgeflitzt. „Seit er als kleiner Junge auf dem Schoß des Vaters hinter dem Lenkrad des ersten motorisierten Vehikels der Hansteins gesessen hatte, gab es nur noch die Faszination Automobil für ihn“, weiß Horst Zbierski, dessen Vater ein Jugendfreund des späteren Rennbarons war.
Huschke von Hanstein übte verbotenerweise mit dem Motorrad des Gutsverwalters und kaufte sich heimlich ein eigenes kleines, das er aber vor den strengen Eltern geheim halten musste. Und als es dann 1929 mit den Rennen losging, war sein Spitzname fest: „Huschke“, abgeleitet von „huschen.“Dem Adligen gefiel dieser Name. Später ließ er ihn sogar als amtlichen Vornamen eintragen. 1938, also vor nunmehr 80 Jahren, errang von Hanstein auf BMW einen für ihn bahnbrechenden Sieg. Am Großglockner gewann er den Großen Bergpreis von Deutschland, wurde Sportwagen-bergmeister. Seinen absolut größten Erfolg aber feierte er zwei Jahre später, als er mit seinem Ko-piloten Walter Bäumer auf einem aerodynamischen BMW 328 die Mille Miglia gewann – mit einem Schnitt von 166 Stundenkilometern. Mille Miglia steht für 1000 Meilen. Es ist der Name eines Autorennens über öffentliche Straßen auf einem Dreieckskurs in Norditalien. Dieses gilt als Klassiker unter den Langstreckenrennen und ist heute mit zahlreichen Mythen behaftet.
Huschke von Hanstein absolvierte nicht nur eine landwirtschaftliche, sondern auch eine kaufmännische Lehre. Danach studierte er Rechtswissenschaften und erwarb einen weiteren Abschluss als Dolmetscher im englischen Exeter.
All das sollte ihm später zugute kommen. Nach dem Krieg verlor die Familie alles, wurde entschädigungslos enteignet. Man versuchte in Herford, wieder einen Saatgutbetrieb wie den der Großeltern mütterlicherseits aufzubauen. Doch Huschke von Hanstein lag das nicht. Er schlug sich mittellos mit Gelegenheitsjobs durch und setzte seine Energie für die Belebung des Motorsports ein. Dieses Engagement schließlich öffnete ihm die Türen bei Porsche.
Das legte den Grundstein für den Mythos, der den Rennbaron bis heute umhüllt. Seine Frau Ursula hatte er 1950 auf dem Nürburgring geheiratet. Der Mann, der nie Formel 1 fuhr, nie als Werksfahrer fungierte, wurde Pr-chef und Rennleiter bei Porsche. Huschke von Hanstein übernahm nebenbei noch hohe Ämter in den Automobilverbänden und sorgte dafür, dass sich der Zebrastreifen in Deutschland endlich durchsetzte. Er betreute legendäre Rennfahrer wie Stirling Moss, Graham Hill, Graf Berghe von Trips, Bruce Mclaren oder auch Jochen Rindt. Ein besonders enges Verhältnis aber hatte der Rennbaron zum jungen Michael Schumacher. Er galt als einer seiner Mentoren auf dem Weg zu am Ende sieben Weltmeistertiteln in der Formel 1.
Das berühmte Technikmuseum in Sinsheim (Baden-württemberg) hat Huschke von Hanstein eine eigene Dauerausstellung gewidmet. „Es gibt wenige Menschen, die in der Nachkriegszeit in Deutschland so viel zur Popularität des Automobils und des Automobilrennsports beigetragen haben, wie der legendäre Rennfahrer und langjährige Porsche-repräsentant Huschke von Hanstein“, bestätigt Simone Lingner von der Öffentlichkeitsabteilung des Museums. „Und er war ein guter Freund unseres Hauses.“Als das Museum 1981 eröffnete, verfolgte von Hanstein dessen Entwicklung mit viel Interesse und wurde sein erstes Ehrenmitglied. „Es war für uns eine große Ehre, dass dem Museumsverein nach seinem Tod 1996 eine Vielzahl von Erinnerungsstücken, darunter zahlreiche Siegerpokale und persönliche Dokumente, als Dauerleihgabe überlassen wurden“, sagt Lingner. Etwa 150 Exponate sind in Sinsheim zu sehen. Der Gentleman mit Eichsfelder Blut hat aber auch genau dieses Fleckchen Erde nicht vergessen. Noch heute erinnert in Wahlhausen der „Fritz ‚Huschke‘ von Hanstein-platz“an den berühmten Mitbürger. 1995 weihte er in dem Werradorf sein Haus beim Familientag ein. Dafür hatte er ein Teilstück seines ehemaligen Gutshofes von der Treuhand zurückgekauft und ein Fertigteilhaus errichtet.
Wer sich auf die Spuren der Rennlegende begibt, sollte auch einen Abstecher in die dortige Margaretenkirche machen. „In der Patronatsloge gibt es einen Erinnerungsschrank, in dem sich Pokale, Ehrenpreise und die berühmte karierte Rennmütze des Porsche-rennleiters befinden“, erzählt Horst Zbierski. Auch Fotos, die den legendären Rennfahrer mit Richard von Weizsäcker oder Michael Schumacher zeigen, fehlen nicht. „Wir wussten damals immer, wenn Huschke von Hanstein im Dorf war, dann stand der Porsche vor der Kirche“, erzählt der Alt-bürgermeister. Er schätzte den Hansteiner als einen „ganz geraden Menschen“, für den „ein Mann – ein Wort“galt. Huschke kam nicht als Adliger mit Ansprüchen. „Er war beliebt, machte mit den Leuten einen Schwatz, und er war sehr sozial.“Der Feuerwehr spendierte er ein Zelt, berichtet der Wahlhäuser. Genau erinnert er sich noch an das erste Zusammentreffen im Januar 1990 in der Kirche. Das Gotteshaus brauchte dringend eine Sanierung. Das erzählte Zbierski Huschke von Hanstein damals. Und was tat der? Er stellte gleich einen Scheck über 3000 Mark aus. Und der Heimatforscher erinnert sich noch an etwas: Der einstige Rennfahrer habe bei seiner Vorstellung nie von, sondern immer nur Hanstein gesagt. „Er war bescheiden, wollte manches nicht an die große Glocke hängen. Er war hilfsbereit, hörte zu.“Alle paar Monate war der Hansteiner in Wahlhausen und brachte sich ein. „Er hatte Charakter, eine freundliche unkomplizierte Art ohne Forderungen“, sagt Zbierski. Bei der 750-Jahrfeier des Dorfes war er ebenso dabei wie bei der Einweihung des Radweges nach Bad Sooden-allendorf. Am 3. Januar 1996 feierte der Freiherr trotz eines schweren Krebsleidens, von dem nur seine Frau und sein Arzt wissen durften, in Wahlhausen seinen 85. Geburtstag, so Zbierski. Am 5. März starb er.
Huschke von Hansteins Wunsch war es, dass statt Kränzen und Blumen für die Renovierung der Wahlhäuser Kirche gespendet werden sollte. „Das animierte weltweit von Australien bis Amerika alle Freunde und Bewunderer zur Überweisung von insgesamt 54 000 DM“, berichtet Zbierski. Huschke von Hanstein und seine Frau sind in Wahlhausen beerdigt. Ihr Grab pflegt eine Familie aus dem Ort.
Bahnbrechender Sieg am Großglockner
Spuren in der Wahlhäuser Margaretenkirche