Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)
„Augenscheinlich etwas in Bewegung“
Zeitzeuge Dirk Metz berichtet im Podiumsgespräch im Grenzmuseum von Erfahrungen am 9. November 1989 bei Delegiertenbesuch in Berlin
ASBACH-SICKENBERG. In einer Nachrichtensendung des Hessischen Rundfunkes verlas Holger Weigelt am Abend des 9. November 1989 eher beiläufig die Grenzöffnung in Berlin. Den Beitrag, den er damit anmoderierte, verfasste Dietmar Ossenberg. Er war zusammen mit einer Delegation der hessischen CDU zu Besuch bei der OSTCDU in Berlin gewesen, erst am Abend zurück gekommen und hatte, wie die gesamte Gruppe, erst bei der Rückkehr von dem zwischenzeitlichen Mauerfall erfahren. Damals mit dabei und am Donnerstagabend im Grenzmuseum Schifflersgrund zu Gast war Dirk Metz.
Der spätere hessische Staatssekretär und Regierungssprecher berichtete von seinen Erfahrungen an diesem Tag und auch von persönlichen Erinnerungen an die Wiederannäherungen der beiden Cdu-parteiorganisationen. Denn dieser Kontakt sei der erste seit den 50er-jahren gewesen.
Ausgefragt wurde Dirk Metz von Claus Peter Müller von der Grün. Er war bis 2016 Hessenthüringen Korrespondent der FAZ und schon einmal im Grenzmuseum gewesen – und zwar, als es sich kurz nach der Wende im Aufbau befand.
Im ersten Teil des Podiumsgesprächs ging es also um das Treffen im Konsortium der evangelischen Kirche in Berlin. Das Ganze sei zu allererst ein Abtasten gewesen, erzählte Dirk Metz. Man wollte sehen, mit welchen Persönlichkeiten man es da zu tun hatte und inwiefern das, was man in Berichterstattungen über die OST-CDU gehört hatte, ernstzunehmen war.
Beim Treffen dabei waren Politiker, die es später weit auf der Karriereleiter schafften. So auch Franz Josef Jung, späterer Verteidigungsminister, und Gottfried Müller, der von 1990 bis 1994 Thüringer Landtagspräsident war. Auch Christine Lieberknecht hätte in den Kreis gehört, war aber verhindert. Außerdem nahm Martin Kirchner teil, der nur ein Jahr später als inoffizieller Mitarbeiter (IM) der Ddr-staatssicherheit entlarvt wurde. Damit, dass bei so einem Treffen IM der Stasi dabei gewesen sein könnten, hatte man gerechnet, berichtete Dirk Metz. Aber dass es sich gerade um den Oberkirchenrat Martin Kirchner handelte, das sei vor allem menschlich enttäuschend gewesen.
Auf der Ost-seite trafen die West-delegierten erstmals auf Lothar de Maizière, der zu dieser Zeit der designierte Vorsitzende war und übrigens auch 1992 als IM „Czerni“enttarnt wurde. Das Interview, welches Dietmar Ossenberg mit ihm damals führte, schätzte Metz als „wohl sein erstes ernstzunehmendes“ein. Lothar de Maizière formulierte dabei vorsichtig, dass er sich freie Wahlen in der DDR frühestens im Herbst 1990 vorstellen könnte – rückblickend war die Einheit da schon gelaufen. Er sprach dort auch davon, dass der Sozialismus neu buchstabiert werden müsse. Auf Nachfrage von Claus Peter Müller von der Grün dazu berichtete Dirk Metz, dass er damals zwar erstaunt über diese Aussage war, sie aber nicht negativ gesehen habe, weil er sah, dass „dort augenscheinlich etwas in Bewegung war“. Der Fall der Mauer beziehungsweise eine Grenzöffnung seien bei dem Gespräch kein Thema gewesen. Auf dem Rückweg – so erinnert sich Dirk Metz aber noch – zu Dietmar Ossenberg gesagt zu haben: „Guck dir das alles genau an, das wirst du so nicht noch mal sehen.“Er sei nämlich davon fest überzeugt gewesen, der Journalist nicht so sehr.
Dass es dann aber doch so schnell ging – das überraschte Dirk Metz bei der Ankunft am Abend in Frankfurt am Main. „Fassungslos“schaute man abends gemeinsam fern. Seine Einschätzung: „Die sind da mehr hineingestolpert, als dass es eine kontrollierte Veranstaltung war.“
Nach einer knappen halben Stunde ließ Claus Peter Müller von der Grün von seinem Fragenkatalog ab und Dirk Metz lieber Sätze vervollständigen. So sei für ihn der Platz, den der 9. November 1989 in der deutschen Geschichte einnimmt, mit nichts vergleichbar. Er habe in Vorbereitung auf das Gespräch viel nachgedacht, alles sei noch einmal vor seinem inneren Auge abgelaufen. Auf die Frage, was gewesen wäre, wenn er in der DDR aufgewachsen wäre, antwortete er: „Ich weiß nicht, was aus mir geworden wäre. Ich war immer ein rebellischer Geist. Aber ich liebe Ddr-musik.“
Und während er die Epoche der Volksparteien in Deutschland in Gefahr sieht – „das hat aber mit Ost und West weniger zu tun, die Bindungen in der Gesellschaft haben nachgelassen“– ist für ihn die Demokratie in keiner Weise gefährdet.
Christian Stöber, der wissenschaftliche und pädagogische Leiter des Grenzmuseums, hatte zu Beginn dazu aufgerufen, sich zu erinnern. Daran, wie die Gäste von dem Mauerfall erfahren, wie sie darauf reagiert hatten und welche Erfahrungen der Jahre 1989 und 1990 sich in ihre Gedächtnisse eingebrannt hatten.der Aufforderung kamen diese auch nach und plauderten beim anschließenden Empfang über ihre ersten Reisen in den Westen und ihre Erlebnisse in den Jahren des Umbruchs.
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