Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)
Mordurteil korrigiert
Franziska Dittmann modelt seit zehn Jahren erfolgreich – Sie weiß aber auch um die Gefahren des Geschäfts
ERFURT. Mehr als drei Jahre nach einem Mord im Kehltal im Thüringer Wald hat das Landgericht Erfurt das Strafmaß für einen der beiden Angeklagten reduziert. Ein Anfang-20-jähriger wurde nicht wegen Mordes, sondern nur noch wegen Beihilfe verurteilt.
ERFURT. Als Franziska Dittmann an diesem nasskalten Samstag einen Kaffee trinkt und aus dem Fenster blickt, werden auf dem Domplatz gerade die Buden für den Weihnachtsmarkt aufgebaut. Ist es schon wieder soweit? Bei ihrem letzten Besuch war an Weihnachten noch nicht zu denken. Alle vier bis fünf Wochen nimmt sich die 30-Jährige vor, nach Thüringen zu kommen – ihre Heimat, die sie nie ganz losgelassen hat, wenngleich sie schon viele Orte auf der Welt ihr Zuhause nannte: Hamburg, Mailand, New York, Athen, wo auch immer man sie buchte.
Ihrer Entscheidung, Model zu werden, ging eine Bedenkzeit voraus. Das ständige Reisen, die Trennung von Familie und Freunden und die Belastung, die der Job mit sich bringt, wollte sie nicht auf die leichte Schulter nehmen. Franziska Dittmann, in Apolda geboren, beendete erst ihre Ausbildung zur Krankenschwester. Nachdem sie noch ein Jahr in ihrem Beruf gearbeitet hatte, war sie sicher: Ich will das wirklich. Wenig später stand sie am Mailänder Flughafen. Dass sie mit 20 Jahren vergleichsweise spät in das Modelgeschäft eingestiegen ist, dafür ist Franziska Dittmann dankbar. Sie wusste, was sie erreichen wollte, aber auch, was sie für den Erfolg nicht tun würde. Junge Mädchen, sagt sie, wollen um jeden Preis die Anforderungen der Modelagenturen erfüllen. Sie wollen abnehmen und setzen dafür ihre Gesundheit aufs Spiel. Wie gut ein Model für Fotos oder den Laufsteg geeignet ist, entscheidet das Maßband. „Man kann den Puls eines Models hochtreiben, wenn man ein Maßband in der Hand hält“, sagt Franziska Dittmann. Bei jedem Besuch in der Agentur werden die Maße der Models kontrolliert. Die viel zitierten Idealproportionen „90-60-90“sind dabei schon zu viel. Der Hüftumfang müsse unter 88 Zentimetern sein.
Stimmen die Maße nicht, sollen die jungen Frauen oft in kürzester Zeit Gewicht beziehungsweise Zentimeter ihres Körperumfangs verlieren. Sie stehen dann vor der Entscheidung, wie sie abnehmen wollen. Viele entscheiden sich, für den Erfolg zu hungern. Doch das muss nicht sein, weiß Franziska Dittmann. „Ich wäre damals sehr dankbar gewesen, die Hilfe zu haben, die ich jetzt geben kann.“Ihre Erfahrungen und Tipps zu einer gesunden und zielführenden Ernährungsweise hat die 30-Jährige in dem Ratgeber „Modelsize me“niedergeschrieben. Ihr Wissen schöpft sie auch aus einer Weiterbildung zur Ernährungsberaterin.
Ohne Verzicht und Disziplin komme ihr Ernährungsleitfaden aber auch nicht aus, erklärt die gebürtige Apoldaerin. Doch er zeige einen Weg auf, mit Sport und einem individuell abgestimmten Ernährungsplan das eigene Schlankheitsziel zu erreichen. Ihre Kundinnen, viele von ihnen selbst Models, schätzen die Erfahrung von jemandem aus der selben Branche. „Sie wissen, ich bin eine von ihnen, ich hatte mit den gleichen Problemen zu kämpfen.“
Franziska Dittmann hofft, damit vor allem jungen Models den Weg weisen zu können. „Ich bin um jedes Mädchen glücklich, das ich gesund zu ihrem Ziel bringe.“Denn die Gefahr, an Essstörungen zu erkranken, sei im Umfeld von Laufstegen und Designern groß. Sie selbst habe noch keine Kollegin mit Bulimie oder Magersucht kennengelernt. „Aber es gibt sie.“
Dass Modelagenten ihre Schützlinge zu ungesunden Ernährungsweisen treiben, sei vielen von ihnen nicht bewusst, andere nähmen es hin. Sie sehen das Potenzial in den Mädchen, wollen sie erfolgreich machen. Doch ihnen fehle das Ernährungswissen, um vernünftige Wege zur Modelfigur aufzuzeigen.
Um das Modebusiness gesünder zu gestalten, müsste sich zuerst die Einstellung der Designer ändern, meint Franziska Dittmann. Sie seien diejenigen, die Mode in „Size Zero“, also eine Kleidergröße kleiner als XS, auf den Laufsteg bringen. Dabei sei der Idealtyp in Deutschland noch vergleichsweise natürlich. Hier suche man trainierte, gesund aussehende Frauen. In Frankreich und Italien suchen die Designer nach deutlich dünneren Models.
Franziska Dittmann hat sich die selbst gesetzten Ziele schon erfüllt: Sie lief bei der Fashion Week in New York, posierte auf der Titelseite der Zeitschrift „Elle“und war das Gesicht in Werbekampagnen. Sie schafft es, sich in ihrer Arbeit selbst zu verwirklichen. „Ich bin nicht einfach eine Leinwand und mache nur das, was der Fotograf mir sagt. Ich kann mich kreativ ausleben und eigene Ideen umsetzen.“
Ihr Job hält sie jedoch von Thüringen fern. Um für ihre Kunden greifbar zu sein, lebt sie in Berlin. Doch mit Thüringen verbindet sie Heimatgefühle, die kein anderer Ort in ihr weckt. Hier mag sie die Leute, Apolda, Erfurt. „Wenn mich andere fragen, was an Thüringen besonders ist, sage ich: Hier kann ich die Sterne sehen.“