Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)
Wo der Sinn der Weihnacht noch hautnah spürbar ist
Seit 25 Jahren führt Adelheid Strecker ihren Krippenladen in Dingelstädt und erfährt stets wieder packende Geschichten
DINGELSTÄDT. Ein Hirte hat sich auf einem Baumstumpf oder Stein niedergelassen, um auf seiner Klarinette ein Lied anzustimmen. Vor ihm liegt der gelbe Tirolerhut, als würde auch dieser den Klängen lauschen wollen. „Als Kind habe ich mich schon immer in diesen Hirten verliebt“, sagte Gisela Heddergott kürzlich zu Adelheid Strecker in deren Krippenladen.
Kaum hatte die Expertin das seltene Mitbringsel erblickt, funkelten auch schon deren Augen und sie geriet ins Schwärmen. Denn bei dem Hirten würde es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um eine inzwischen rund 80 Jahre alte Krippenfigur aus der Marolin-manufaktur Steinach im Thüringer Wald handeln. Marolin ist eine plastische Masse aus Kaolin, Ton, Kreide, Papierfasern und Pflanzenleim, aus der in Drückformen dann die Figuren hergestellt werden.
Der Hirte würde das ganze Jahr über in einer Vitrine stehen, so Gisela Heddergott. Nun jedoch schwebt ihr vor, passend dazu vielleicht eine heilige Familie für eine kleine Weihnachtskrippe zu finden.
Dass es durchaus möglich sei, den einsamen Hirten mit stilechten Figuren zu einer Krippendarstellung komplettieren zu können, erstaunte die Kundin. Adelheid Strecker erläuterte nämlich, dass die traditionsreiche Thüringer Manufaktur wie seit mehr als 100 Jahren auch heute noch jene Krippenfiguren in unterschiedlichen Größen herstellt. Weil deren Stil im hiesigen Landstrich so begehrt ist, wird sie im Volksmund liebevoll auch als Eichsfeld-krippe bezeichnet. Solche Geschichten und ähnliche, mitunter herzergreifende Begebenheiten erfährt die Dingelstädter Händlerin im Advent nahezu täglich in ihrem Krippenladen. Weil Anfang der 1990er-jahre in der Buchhandlung und dem Devotionaliengeschäft in der Geschwister-scholl-straße immer mehr Anfragen auch zu Krippen und -figuren gekommen seien, entstand vor nunmehr 25 Jahren die Idee eines speziellen Ladens. Dieser befand sich zunächst auf der gegenüberliegenden Straßenseite, nun jedoch in einer umfunktionierten Garage auf dem Grundstück der Familie Strecker. „Inzwischen merke ich, dass wir ein Exot sind.“Denn die Kundschaft kommt nicht nur aus dem Eichsfeld, sondern auch aus den umliegenden Landkreisen, freut sich Adelheid Strecker. Oftmals kämen junge Väter mit einem selbstgebauten Stall, um sich dann die Figuren und weiteres Zubehör für ihre Weihnachtskrippe auszusuchen.
„Da spürt man die Vorfreude auf Weihnachten, wenn in der Familie gemeinsam gebastelt wird.“Weil der Krippenladen das ganze Jahr über geöffnet hat, kann man sich schon lange vor Weihnachten um ergänzende oder auszutauschende Figuren kümmern.
Vor allem freut sich Adelheid Strecker über den dauerhaft anhaltenden Trend, wonach auch junge Familien durchaus Wert auf eine Weihnachtskrippe legen würden. Einige Male kam der Händlerin auch schon zu Ohren, dass an Heiligabend jeweils das jüngste Kind der Familie das Jesuskind in die Krippe legen dürfe.
Und ein weit gereister Geschäftsmann meinte in diesem Sommer stolz mit einer neuen Krippe in den Händen fast missionarisch: „Ich will meinem Enkel erklären, warum wir Weihnachten feiern!“
Der Dingelstädter Laden ist ein Exot