Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)
Erfolgreiches Comeback nach zwölf Jahren
Judo: Die Heiligenstädterin Helen Schwenderling hat sich nach langer Pause für die Deutsche Meisterschaft qualifiziert
HEILIGENSTADT. Viel besser hätte ihre Rückkehr nach zwölf Jahren Abstinenz nicht ausfallen können: Nach dieser langen Judopause hat sich Helen Schwenderling vom KSV Budokan Heiligenstadt umgehend für die Deutschen Meisterschaften (DM) qualifiziert. Dank ihres zweiten Platzes bei den Mitteldeutschen Titelkämpfen in Leipzig, bei denen Schwenderling ihr Turniercomeback gab, darf die Eichsfelderin nun gemeinsam mit ihrer Teamkollegin Jasmin Seifert bei den nationalen Titelkämpfen Ende Januar 2019 in Stuttgart an den Start gehen.
„Natürlich war es irgendwo mein Ziel, unter die Top drei zu kommen und mich damit für die Deutschen Meisterschaften zu qualifizieren. Ob das realistisch ist, wusste ich aber vorher nicht“, erklärte die 29-Jährige. Zu lange lagen ihre letzten Kämpfe auf Wettkampfniveau zurück. 2006 war Schwenderling bei der U20-DM gestartet, danach folgte ein Leben ohne Judo.
Pensum von 100 auf null zurückgefahren
Die gebürtige Heiligenstädterin fuhr ihr Pensum nach der U20DM zurück, und das so konsequent, wie sie bei ihren Duellen auf den Matten ihre Gegnerinnen besiegen will. „Von 100 auf null“, erklärt Schwenderling, deren Bruder Nico für den Fußballkreisoberligisten DJK Arenshausen aktiv ist. Bis zur zehnten Klasse trainierte die Trägerin des braunen Gürtels zweimal täglich am Sportgymnasium in Jena, hinzu kamen ein bis zwei Turnierteilnahmen im Monat. Judo gab den Rhythmus vor, doch diesem wollte Schwenderling nach ihrer Rückkehr nach Heiligenstadt nicht mehr so bedingungslos folgen wie bisher.
Bereits in der zweiten Klasse begann die 1,64 Meter große Athletin mit ihrem Sport, der sie in den kommenden Jahren begleiten sollte und ihr zwar einige blaue Flecken, aber noch mehr Erfolge und die Berufung in die Jugend-nationalmannschaft einbringen sollte. Nachdem Schwenderling als Zweitklässlerin eine Vorführung an ihrer damaligen Grundschule mitverfolgt und gleich die Fallübungen mitabsolviert hatte („Das war ganz witzig“), ging es zum Budokan-vereinstraining. „Ich war als Kind generell sehr aktiv, habe Klavier und Blockflöte gespielt und auch Fußball. Aber darin war ich nicht so talentiert“, erzählt die Comebackerin mit einem Lachen. Im Judo schon. Also ging es in der 7. Klasse mit zwölf Jahren nach Jena. Um dort im Sportgymnasium angenommen zu werden, musste die Judoka einen dreistufigen Aufnahmetest durchlaufen, der nicht nur judospezifische Elemente beinhaltete, sondern auch Kraft- und Konditionstests.
Nach ihrer Rückkehr ins Eichsfeld fuhr die Kampfsportlerin ihr Judopensum zurück, trainierte nicht mehr so intensiv. „Ich bin ab und zu faul“, gibt Schwenderling grinsend zu: „Wenn jemand mich nach einem Spaziergang fragt, bleibe ich meistens lieber auf der Couch liegen.“Dort gibt es dann höchstens auf dem Bildschirm Action, wenn ihre Lieblingsserien laufen.
Im Sommer sah Schwenderling, die beruflich im Bereich Medien und Öffentlichkeitsarbeit tätig ist, im Rahmen eines Festes des Heiligenstädter Raphaelsheims eine Judovorführung - und war gleich wieder infiziert. Zwei Wochen später stand sie wieder im wahrsten Sinne des Wortes bei ihrem alten (und neuen) Verein Budokan auf der Matte. Die Basistechniken gingen Schwenderling auch ohne große Eingewöhnung recht leicht von der Hand. „Das ist wie Fahrrad fahren. Ich musste nicht lange überlegen, was ich machen muss“, erklärte sie.
Noch 500 Gramm am Wettkampftag verloren
An die körperliche Belastung musste sich die Heiligenstädterin jedoch erst wieder gewöhnen: „Am nächsten Tag hat mir alles weh getan, da bin ich aufgestanden wie eine Oma.“Judo sei eine gute Sportart, um sich und seinen Körper kennenzulernen, versichert Schwenderling: „ Da spürt man am nächsten Tag schon mal jede einzelne Körperfaser. Abschrecken sollte das Ganze aber nicht. Gerade für Kinder ist Judo ein guter Ausgleich. Neben sportlicher Fitness erlernt man auch viele Werte, die im täglichen Leben von Vorteil sind, wie zum Beispiel Hilfsbereitschaft, Mut und Wertschätzung.“Ein Probetraining im KSV Budokan Heiligenstadt rät Schwenderling daher jedem Interessierten - egal welcher Altersklasse.
Für die Mitteldeutschen Meisterschaften feilte sie nicht nur an ihrer Technik, sondern nahm in gut fünf Monaten auch zehn Kilogramm ab - die letzten 500 Gramm durch eine Joggingrunde am Wettkampftag In der Gewichtsklasse bis 63 Kilogramm holte sie sich trotz großer Anfangsaufregung Silber.
Eine Medaille bei der DM in Stuttgart Ende des kommenden Januars würde das märchenhafte Comeback perfekt machen. „Ein Platz auf dem Treppchen wäre richtig klasse, aber das Niveau dort wird noch einmal viel höher sein“, erklärt Schwenderling. Dass sie jedoch mit einem Mix aus alter Klasse und gewonnener Erfahrung mehr als nur mithalten kann, hat sie jüngst in Leipzig eindrucksvoll bewiesen.