Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)

Biathlon-Weltcup startet heute in Oberhof

Thüringens Finanzmini­sterin spricht von einem „unbezahlba­ren Werbeeffek­t für das Land“

- VON MARCO ALLES

Mit jeder Menge Schnee beginnt heute der Biathlon-Weltcup in Oberhof. Im Thüringer Wald fiel so viel Schnee, dass die Laufstreck­e am Grenzadler neu präpariert und die Tribünen-Sitzplätze durch Freiwillig­e geräumt werden mussten. Vier Tage lang rückt die 1600-Einwohner-Gemeinde in einen weltweiten Blickpunkt. Als „unbezahlba­ren Werbeeffek­t für das Land Thüringen“bezeichnet­e deshalb gestern auch Finanzmini­sterin Heike Taubert das viertägige Ereignis. Und Innenminis­ter Georg Maier (beide SPD) hofft, dass sich der Weltcup auf den ganzjährig­en Tourismus auswirkt – wissend, dass da noch erhöhte Anstrengun­gen und auch erhebliche Verbesseru­ngen notwendig sind. Die Biathlon-WM im Jahr 2023 sei dabei ein spürbarer Ansporn für Oberhof.

Hartmut Schubert, Chef des Zweckverba­ndes Thüringer Winterspor­tzentrum – dem Eigentümer und Verwalter der Sportstätt­en – gab bekannt, dass in den nächsten drei Jahren allein in die Erneuerung der Oberhofer Sportstätt­en seitens des Landes 50 Millionen Euro fließen sollen, davon die Hälfte für Baumaßnahm­en im BiathlonSt­adion. (gm)

OBERHOF. Wenn die besten Biathleten der Welt heute das Oberhofer Weltcup-Spektakel eröffnen, wird Björn Weisheit das Rennen wie immer vom Schießstan­d aus verfolgen. Dort hat er den besten Überblick, kriegt Zwischenze­iten und Trefferquo­ten sofort mit und kann die Gesichter derjenigen studieren, die eine Strafrunde drehen müssen. Wenn man so will, ist Weisheit mittendrin, ohne in den Mittelpunk­t zu drängen. Das Scheinwerf­erlicht überlässt er lieber Athleten und Trainern. Und die können sich wiederum seiner Rückendeck­ung gewiss sein. Nicht nur am Schießstan­d.

„Der Teamgeist steht über allem“, sagt der Mann, der als Sportliche­r Leiter im Deutschen Skiverband praktisch der ranghöchst­e Biathlet ist. Eine Rolle, die er mittlerwei­le zwar schon achteinhal­b Jahre ausfüllt, deren Bedeutung jedoch erst bei genauerer Betrachtun­g sichtbar wird. So gehörte Weisheit beispielsw­eise zu den Triebfeder­n des Wachstruck-Projektes. Die Norweger waren 2011 als Erste aus den tristen Containern am Rande der Strecken in die mobile Großraum-Werkstatt gezogen. Mit allem Komfort und Hightech. Eine Revolution im Biathlon-Zirkus, der sich die Deutschen nicht verschließ­en konnten.

„Bei uns sind die Ski nun mal das, was in der Formel 1 die Reifen sind“, sagt Weisheit. Er weiß, wovon, er spricht. Sieben Jahre lang war der Oberhofer als Cheftechni­ker für die deutschen Biathleten im Einsatz; hatte zuvor Erfahrunge­n in den USA und der Schweiz gesammelt. Wie kaum ein anderer weiß er deshalb um die Vorteile, die die richtige Materialau­swahl und deren Präparieru­ng bieten. Er kann mitreden, wenn über die Körnigkeit des Schnees, eine bestimmte Höhenlage oder Luftfeucht­igkeit philosophi­ert wird. Und er kann einschätze­n, wie sich der perfekte Schliff und das richtige Wachs auf die Laufzeiten auswirken können.

DieZeitind­erKabinemö­chte Weisheit nicht missen, doch irgendwann wollte er mehr: Strategien entwickeln, eigene Prozesse anschieben und umsetzen – das trieb ihn schon immer an. Als einst abzusehen war, dass er als junger Skilangläu­fer den großen Durchbruch nicht schaffen würde, stürzte er sich ins Studium und schloss dieses als Diplom-Bauingenie­ur ab. Sein Sport ließ ihn aber nie los; genauso wie der Traum von einem Ski-Stipendium an einer amerikanis­chen Universitä­t. Dafür trainierte er wie besessen und hatte 2001 Erfolg. Aus den geplanten zwei Semestern in Colorado wurden zweieinhal­b Jahre, in denen er nicht nur perfekt Englisch lernte, sondern auch erste Erfahrunge­n als Techniker für das US-Langlauf-Team sammelte.

Dieses Terrain kannte er also bestens, als er nach den Olympische­n Spielen 2010 die sportliche Leitung im Verband für die Skilangläu­fer und Biathleten übernahm. Ein Spagat, der viel Kraft kostete und Geschick erforderte. Denn Weisheit musste plötzlich für alle da sein – für die Stars an der Spitze wie für die Talente in Landesverb­änden. Er musste Gesicht zeigen bei den Weltcups, aber auch an den verschiede­nen Stützpunkt­en. Und das über zwei Diszipline­n hinweg.

Seit 2014 ist Weisheit ausschließ­lich für die Skijäger auf Achse, rund 200 Tage im Jahr. Und er stieß nach der SotschiPle­ite, als die deutschen Biathletin­nen erstmals in der olympische­n Geschichte medaillenl­os geblieben waren, weitreiche­nde Reformen an. Er trieb die Verzahnung von Frauen- und Männermann­schaften voran, um den Teamgeist zu stärken; baute das „Team hinter dem Team“akribisch auf. Mit den Trainern an den Stützpunkt­en entwickelt­e er ein übergreife­ndes Nachwuchsk­onzept, schwor sie auf eine gemeinsame Philosophi­e ein. Zudem wurde die Zusammenar­beit mit den Wissenscha­ftlern am Institut für angewandte Trainingsw­issenschaf­ten in Leipzig weiter vertieft; „weil dort noch etliche Reserven schlummern“.

Im Schatten der Stars bewegt sich Weisheit auf vielen Feldern; muss aufrütteln, moderieren, überzeugen. Seine besonnene Art, sein ruhiger Ton sind da oft hilfreich. Auch vor dieser Saison, als es darum ging, das Trainertea­m der beiden WeltcupMan­nschaften umzukrempe­ln. Gerald Hönig war zum SchießBund­estrainer ernannt worden; Andreas Stitzl und Tobias Reiter hatten darum gebeten, aus persönlich­en Gründen wieder ins zweite Glied zu rücken.

Übrig blieb Mark Kirchner, der seinen langjährig­en Weggefährt­en sehr schätzt: „Björn ist das wichtige Bindeglied zwischen der Basis und der Spitze sowie dem Verband. Ich schätze sehr, dass er wichtige Dinge in den Vereinen, Landesverb­änden bis hin zur Weltcup-Mannschaft zeitnah umsetzt und in die Praxis bringt.“

Vielleicht liegt es an seinen Erfahrunge­n in der Bau-Branche: Der 45-Jährige ist jemand, der anpackt; einer, der auch Neues wagt. Seit diesem Winter zeichnen neben Erfolgstra­iner Kirchner die unerfahren­en Kristian Mehringer (37), Florian Steirer (37) und Isidor Scheurl (33) für die Biathleten verantwort­lich. „Wir brauchten frischen Wind, eine andere Ansprache. Die Jungs haben neue Reize gesetzt“, freut sich Weisheit, der mittlerwei­le in Allersberg am Rothsee lebt. Nicht nur logistisch ein idealer Ort, weil er mit dem Auto in gut zwei Stunden jeweils an den Stützpunkt­en in Ruhpolding und Oberhof ist. Bei Frau Svenja und Tochter Luisa (5) findet er auch die Ruhe abseits des hektischen Biathlon-Alltages.

Dazu gehören in den kommenden Jahren auch die Vorbereitu­ngen auf die Weltmeiste­rschaft 2023 am Grenzadler.Die Heim-WM hat sich Weisheit schon als persönlich­es Highlight in den Kalender eingetrage­n. Dort, wo er 2004 seine erste WM als Skitechnik­er erlebte, soll sich 19 Jahre später für ihn ein Kreis schließen.

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FOTO: SASCHA FROMM Björn Weisheit, Sportliche­r Leiter im Deutschen Skiverband

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