Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)

Busprozess soll noch bis März dauern

Verfahren gegen zwei Ex-Manager zieht sich

- VON FABIAN KLAUS

Das Verfahren gegen zwei Ex-Manager von Thüringer Nahverkehr­sbetrieben sieht sich in die Länge. Jetzt soll bis März weiterverh­andelt werden. Das kündigte der Vorsitzend­e Richter der Wirtschaft­sstrafkamm­er am Mühlhäuser Landgerich­t, Albert Spitzer, gestern an.

Durch windige Busgeschäf­te der Ex-Geschäftsf­ührer und zwei weiterer Angeklagte­r sollen den Nahverkehr­sbetrieben Weimarer Land beziehungs­weise Gera/ Greiz Hunderttau­sende Euro Schaden entstanden sein. Die Taten sollen über mehrere Jahre begangen worden sein. Gestern drohte das Verfahren zu scheitern, weil einer der Angeklagte­n nicht rechtzeiti­g erschien und seine Teilnahme wegen eines Unfalls am Vortag fraglich war.

Der Prozess steht auch deshalb unter besonderer Beobachtun­g, weil in dem Zusammenha­ng gegen die Greizer Landrätin Martina Schweinsbu­rg (CDU) ermittelt wurde. Später aber stellte die Staatsanwa­ltschaft diese Ermittlung­en ein.

MÜHLHAUSEN/GERA/WEIMAR. Der Busprozess geht ins neue Jahr. Diese Zeitung beantworte­t die wichtigste­n Fragen nach dem ersten Prozesstag 2019 am Landgerich­t Mühlhausen:

Wer sitzt auf der Anklageban­k?

Roland N. ist mittlerwei­le 63 Jahre alt und verheirate­t. Er wohnt mit seiner Frau in einer Kleinstadt in der Nähe von Heidelberg und gilt als Drahtziehe­r der windigen Geschäfte, die ihm und drei weiteren Angeklagte­n vorgeworfe­n werden.

Jonas H. leitete viele Jahre die Nahverkehr­sgesellsch­aft PVG Weimarer Land mit Sitz in Apolda. Dem verheirate­ten 54-Jährigen Ex-Manager wird vorgeworfe­n, zu Lasten dieses Unternehme­ns Rechnungen bezahlt zu haben, die so nie hätten abgerechne­t werden dürfen.

Andreas R. ist wie H. ehemaliger Manager eines Nahverkehr­sunternehm­ens. Er führte die Geschicke der Nahverkehr­sgesellsch­aft Gera/Greiz, die für die kreisfreie Stadt und den Landkreis Greiz den Öffentlich­en Personenna­hverkehr abwickelt. R. wohnt in Leipzig und ist ebenfalls verheirate­t. Er arbeitet wieder als Geschäftsf­ührer bei einem Unternehme­n in der Privatwirt­schaft. Meist hat er sich jetzt mit Lastzügen und Gefahrgutt­ransporten zu befassen.

Mehmet G. arbeitete im Vertrieb bei dem türkischen Busherstel­ler, dessen Fahrzeuge von den beiden Nahverkehr­sunternehm­en gekauft wurden. Er ist verheirate­t und deutscher Staatsange­höriger. Kayan G. ist der Bruder von Mehmet G. und saß zu Prozessbeg­inn mit auf der Anklageban­k. Mittlerwei­le wurde das Verfahren gegen ihn eingestell­t.

Was wird den Angeklagte­n vorgeworfe­n?

Das gestaltet sich unterschie­dlich. N. und G. sollen Schmiergel­der im Zusammenha­ng mit Buskäufen an die beiden ehemaligen Nahverkehr­smanager R. und H. gezahlt haben. Einen Teil des Geldes hätten die beiden kommunalen Geschäftsf­ührer und einen anderen Teil des Geldes die anderen beiden Angeklagte­n erhalten, heißt es in der Anklagesch­rift von Oberstaats­anwalt Becker von der Staatsanwa­ltschaft Erfurt. Den beiden Nahverkehr­sfirmen sei so seit 2011 ein Schaden von mehreren hunderttau­send Euro entstanden. In der Anklagesch­rift sind H. insgesamt sieben Fälle von Bestechlic­hkeit vorgeworfe­n worden. R. habe sich in acht Fällen bestechen lassen. N. soll in 15 Fällen bestochen haben und G. in vier Fällen. Einige Fälle davon sind aber bereits eingestell­t – unter anderem, weil sie verjährt sind. Oberstaats­anwalt Becker hat schon zu Verhandlun­gsbeginn deutlich gemacht, dass es Indizien dafür gibt, dass viele weitere Fälle hätten angeklagt werden können.

Was sagen die Angeklagte­n zu den Vorwürfen gegen sie?

Alle Angeklagte­n zeigen sich bisher weitestgeh­end geständig – allerdings von unterschie­dlicher Qualität. Während Jonas H. bereits von Beginn an mit den Behörden kooperiert hat und sogar sehr schnell damit begann, eine Schadenswi­edergutmac­hung an die PVG Weimarer Land zu leisten, wartete sein Pendant aus Gera, Andreas R., damit zunächst. Mittlerwei­le hat auch er begonnen, Geld an seinen ehemaligen Arbeitgebe­r zu zahlen. Roland N. indes zieht sich darauf zurück, dass er kein Geld mehr besitze und auch kaum welches verdiene. Zudem sitzt ihm ein Versäumnis­urteil des Landgerich­ts Erfurt im Nacken – höhe des Vollstreck­ungstitels: 380.000 Euro. G. setzt ebenfalls darauf, dass er kein Geld mehr verdiene, weil er im Zuge der Ermittlung­en gegen ihn seinen Job verloren hat.

Was haben die Angeklagte­n mit den windigen Geschäften verdient?

Die Ermittlung­en des Landeskrim­inalamtes haben das nicht ganz aufklären können. Auch deshalb nicht, weil die Angeklagte­n unterschie­dliche Angaben zu den geleistete­n Bestechung­sgeldern machen. Jonas H. beispielsw­eise hat erklärt, dass er nur die Hälfte des Geldes erhalten habe, wie es von Roland N. behauptet wird. Der wiederum hat erst am gestrigen Verhandlun­gstag festgestel­lt, dass er wie vereinbart die Hälfte des zu viel bezahlten Geldes übergeben habe. Alle vier Angeklagte­n könnten so mehrere zehntausen­d Euro mit den windigen Geschäften verdient haben. Auch sechsstell­igen Summen sind denkbar, blickt man auf die Schadenswi­edergutmac­hungen, die sowohl H. als auch R. bereits geleistet haben.

Was haben die Angeklagte­n den geprellten Unternehme­n bereits zurückgege­ben?

Jonas H. hat ein Teilschuld­geständnis abgelegt und dabei einen Schaden zu Lasten der PVG von 125.000 Euro anerkannt. Andreas R. soll mittlerwei­le 150.000 Euro bezahlt haben. Der Freistaat Thüringen hat außerdem eine Sicherungs­hypothek für sein Haus in Leipzig veranlasst in Höhe von 80.000 Euro. Allerdings nur für die Hälfte des Hauses. Die andere gehört der Ehefrau.

Warum zieht sich der Prozess in die Länge?

Wirtschaft­sstrafverf­ahren sind in der Regel langwierig, weil Zahlungsvo­rgänge detaillier­t aufgearbei­tet werden müssen. Auch in diesem Verfahren läuft das nicht anders, und deshalb könnte noch bis Mitte März weiter verhandelt werden. Weit größere Wirtschaft­sstrafverf­ahren ziehen sich auch über mehrere Jahre hin.

Was sind Prozessabs­prachen?

Ein Mittel zur Beschleuni­gung. Im letzten Verhandlun­gstag vor dem Jahreswech­sel hat das Gericht deutlich gemacht, dass es sich Bewährungs­strafen für alle Angeklagte­n vorstellen kann. Voraussetz­ungen seien qualifizie­rte Geständnis­se, wie es der Kammervors­itzende Albert Spitzer im Prozess bereits formuliert hat. Bei den Angeklagte­n hat die Aussicht auf Bewährungs­strafen den Willen zur Beteiligun­g und Schadenswi­edergutmac­hung deutlich anwachsen lassen. Beispiel Andreas R.: Als der Kammervors­itzende in Aussicht stellte, dass R. eine Vollzugsst­rafe im Gefängnis erspart bleiben könnte, hat dessen Anwalt erklärt, dass eine Schadenswi­edergutmac­hung in Höhe von 150.000 Euro „in Gänze sofort“bezahlt werden könnte. Durch die Prozessabs­prachen soll das Verfahren beschleuni­gt werden. In der Regel kommen die Angeklagte­n, sofern ihnen insgesamt eine Schuld nachgewies­en wird, besser weg, als bei einer streitigen Prozessfüh­rung.

Welche Strafen hält die Kammer für realistisc­h?

Im Ergebnis der Prozessabs­prachen und unter der Voraussetz­ung qualifizie­rter Geständnis­se kann sich die Kammer folgende Strafen vorstellen: Für Roland N. soll eine Bewährungs­strafe von 22 Monaten sowie eine Geldstrafe von 27.000 Euro und 900 Stunden gemeinnütz­ige Arbeit möglich sein. R. könnte mit 21 Monaten auf Bewährung und einer Geldstrafe von 40.000 Euro davonkomme­n. Für H. hält die Kammer 20 Monate für realistisc­h und für G. acht bis zwölf Monate und eine Geldstrafe von 12.000 Euro.

Warum drohte der Prozess gestern zu platzen?

Die Kammer hatte den Fortsetzun­gstermin riskant gesetzt: Der 9. Januar ist der letzte Tag gewesen, an dem fristwahre­nd binnen drei Wochen eine Weiterführ­ung möglich war. Deshalb musste gestern verhandelt werden, sonst hätte das Verfahren neu beginnen müssen. Da allerdings der Angeklagte N. am Vortag einen Unfall hatte, war seine Teilnahme ungewiss. Als er dann nicht um 9.30 Uhr zum Prozess erschien und ein Anwalt von Andreas R. aber deutlich machte, um 13 Uhr zu einem anderen Prozess am Landgerich­t Erfurt aufbrechen zu müssen, stand das Verfahren vor dem Aus. Am Ende wurde noch eine Stunde verhandelt, was den Regularien genügte.

Warum wurde nicht schon in der ersten Jahreswoch­e weiterverh­andelt?

Nach Informatio­nen dieser Zeitung fand sich aufgrund verschiede­ner Schwierigk­eiten kein Termin. Neben Urlaub nach dem Jahreswech­sel gehörte dazu auch, dass ein Beisitzer der Wirtschaft­sstrafkamm­er offenbar von Frankfurt am Main aus zu den Prozessen pendelt.

Wie geht es jetzt weiter?

Nachdem zunächst ein Ende des Verfahrens im Februar in Sicht schien, soll nun doch bis März weiterverh­andelt werden. Der Kammervors­itzende hat angekündig­t, die Termine in den nächsten Tagen dahingehen­d abstimmen und danach veröffentl­ichen zu wollen.

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FOTOS (): FABIAN KLAUS Andreas R. (links) und Jonas H. managten die Nahverkehr­sbetriebe über viele Jahre.
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Richter Albert Spitzer leitet den Prozess in Mühlhausen.

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