Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)
Markttag und Abschlussprüfung
Helena Erdmann berichtet aus Uganda
HEILIGENSTADT/LWAMAGGWA. Helena Erdmann aus Heiligenstadt absolviert derzeit ein freiwilliges Jahr in Uganda. Dort unterhält die Stadt Heiligenstadt eine Partnerschaft mit der Gemeinde Lwamaggwa, der ebenfalls in der Eichsfelder Kreisstadt ansässige Ugandakreis seinerseits hilft dort seit vielen Jahren aktiv. In ihrem vierten Bericht aus dem afrikanischen Land beschreibt Helena Erdmann, wie ein typischer Markttag beim Obst- und Gemüseeinkauf aussieht. Auch ist sie mit dabei, wenn die Grundschüler in Lamaggwa ihre Abschlussprüfungen in Englisch schreiben. Die darf allerdings nur abgelegt werden, wenn auch das Schulgeld bezahlt worden ist. Und im Moment ist auch noch Regenzeit in Uganda samt matschiger Straßen.
VON HELENA ERDMANN HEILIGENSTADT/UGANDA. Wenn ich in Deutschland bin, fehlt es mir nie an irgendetwas. Die Supermarktregale sind gefüllt und von den Nudeln, die ich für das nächste Mittagessen brauche, gibt es unzählige Sorten. Jede Art von Gemüse oder Obstkannichbekommen,selbst wenn es saisonal nicht in Deutschland wächst. Dabei soll die Ware ansprechend aussehen. Schon bevor sie den Laden erreicht, muss sie einer gewissen Norm entsprechen. Es darf keine Makel geben, sonst wird aussortiert. Ein komischer Gedanke, oder? Essen, das Fehler hat, wird weggeschmissenen, obwohl der Geschmack der gleiche wäre. Das ist eine Sache, die mich schon länger nervt, aber in Uganda wird es mir richtig bewusst: Es ist Dienstag. Alle zwei Wochen breitet sich dann ein großer Markt im Zentrum des Ortes aus. Hier gibt es alles mögliche und so haben es sich am Anfang der „Shoppingmeile“viele Schuh- und Krempelhändler gemütlich gemacht. Wir wollen heute Obst und Gemüse kaufen. Deshalb müssen wir bis ganz zum Ende der Straße. Bald tut sich links eine kleine Gasse auf. Wir biegen ab. Planen liegen ausgebreitet auf dem Boden und die Händler haben ihre Waren darauf verteilt. Dahinter haben sie Platz genommen. Jeder von ihnen winkt uns zu, wir sollen bei ihm kaufen. Da gerade Regenzeit ist, ist die Wiese vor uns mit Schlamm bedeckt. Nur langsam kommen wir voran, stets darauf bedacht, nicht auszurutschen. Wir bleiben vor einer Plane stehen, auf der ein sorgfältig aufgebauter Tomatenturm liegt. Die kräftig roten Tomaten sehen sehr saftig aus, auch wenn fast jede eine unschöne Stelle hat. Wegen des Regens, der ein paar Minuten zuvor noch aus den Wolken herrunter rasselte, sind sie nass, und ab und zu rollt eine auf den Boden und wird ganz dreckig. Der alte Herr hinter dem Haufen schaut uns erwartungsvoll an, ein leichtes Grinsen auf den Lippen und bereit für unsere Bestellung. 50 Cent möchte er umgerechnet für zehn Tomaten haben und bevor er sie in einen Beutel steckt, wischt er sie sorgfältig mit leicht zitternden Händen ab. Ob es zu kalt ist, er aufgeregt sein könnte oder eine Krankheit in ihm schlummert, kann ich nicht sagen. Beim Gehen lächeln wir uns zu. Nach ein paar anderen Besorgungen geht es zurück auf den Pfarrhof. Unsere Einkäufe sollen gleich verwertet werden. Avocado auf Toast mit klein geschnittenen Tomaten. Diese werden gründlich abgewaschen, bevor sie auf den Tisch kommen. Ich betrachte sie dabei genauer. Trotz einiger brauner Stellen sind sie ziemlich schön anzusehen. Mit ein paar vorsichtigen Schnitten sind die unschönen Stellen entfernt, die Tomaten zerlegt. Wir verteilen sie auf den Avocado-broten und nehmen einen Bissen. Hervorragend! Nur Prüfung, wenn Schulgeld bezahlt ist Dasdairgendwoeinestellewar, die nicht schön aussah, ist bei dem Geschmack sofort vergessen. So lässt man sich oft vom äußeren Erscheinungsbild trügen und erkennt nicht, was eigentlich in der Sache selbst steckt. Viele Menschen sind abgeschreckt, wenn etwas „nicht der Norm“entspricht. So ist das auch anderen Personen gegenüber. Man sollte manchmal zweimal hinzusehen und dann, bin ich mir sehr sicher, kann und wird man viele Dinge anders wahrnehmen. Während der letzten Tage des ugandischen Schuljahres haben wir sehr viel Zeit in der Grundschule vom Lwamaggwa verbracht. Denn dann stehen hier die Abschlussprüfungen an. Die Kinder müssen diese jedes Jahr schreiben, um versetzt zu werden. Wir sind für die 3. Klasse zuständig und kümmern uns um ihre Englisch-prüfungen. Als wir am Morgen ankommen, laufen alle etwas nervös auf dem Schulhof umher. Das können wir gut verstehen. Die Schulleiterin tritt vor, sie hält eine Liste in der Hand und ruft Kinder einer bestimmten Klasse auf. Damit prüft sie, wer das Schulgeld bezahlt hat. Wird der Name eines Kindes nicht aufgerufen, ist es nicht zur Prüfung zugelassen. Sie werden die Prüfung nicht schreiben und – sollte das Geld nicht nachgereicht werden – wird es auch nicht zur Versetzung kommen. Wir laufen Teopista, einer der Lehrerinnen, hinterher und bekommen unseren Platz, um die Prüfung zu beaufsichtigen. Wir teilen die Prüfungsbögen aus. Zweieinhalb Stunden haben sie Zeit. Wir können genau sehen, wenn jemand überlegt abzuschreiben oder es eben tut. Wir amüsieren uns sehr über diese Erkenntnis. Als die Zeit vorbei ist, bekommen wir die Bögen und bestätigen die Abgabe mit einer Unterschrift. Als wir auf den Hof kommen, ist die Stimmung viel ausgelassener und es dauert nicht lange, bis die Kinder vor uns stehen und beschäftigt werden wollen. Als wir noch in Masaka unterwegs waren, hatten wir Wolle gekauft. Und so haben wir nun die Möglichkeit, Freundschaftsbänder zu knüpfen. Glückliche Kinderaugen strahlen uns an, als wir ihnen ihre Wunschfarben in die Hand geben. Es wird geknüpft und irgendwann ist fast jeder Arm verziert. Als wir die Wollreste einsammeln wollen, sehen wir, dass die Kinder sich auch daraus kleine Sachen basteln. Anhänger und Ringe entstehen. Nichts wird weggeschmissen. Die meisten Kinder treten nun den Heimweg an – manche müssen sich beeilen, um vor Sonnenuntergang zu Hause zu sein. Für die Kinder aus dem Internat gibt es allerdings nichts mehr zutun. Ich ziehe meine Musikbox aus der Tasche und los geht es. Wie immer tanzen alle glücklich mit. Musik kommt hier immer gut an. Wir tanzen bis es dunkel wird und als wir uns verabschieden, fallen uns die Kleinen dankbar in die Arme. Die Ferien beginnen bald und die Kinder werden in diesen Monaten bei der Ernte zu Hause gebraucht. Ich kann das Ende der Ferien kaum erwarten und freue mich, sie alle bald wiederzusehen.