Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)
„Wir sind weiter springlebendig“
Mdr-intendantin Karola Wille sprach bei der Ringvorlesung im Landtag über die digitale Zeitenwende als Herausforderung
Klassische Medien verlieren im digitalen Zeitalter ihre Funktion als „Gatekeeper“für Nachrichten und müssen sich neu auf ihre Nutzer einstellen. „Vor allem jüngere Menschen konsumieren weniger Fernsehen oder Radio und dafür mehr Internet und soziale Netzwerke. Nutzer werden selbst zu Produzenten und Kommunikatoren mit Chancen in Sachen Partizipation und Risiken hinsichtlich Hass und Desinformation“, sagte die Intendantin des MDR, Karola Wille. Mit ihrem Vortrag „Digitale Zeitenwende – Perspektiven der öffentlich-rechtlichen Medien“setzte sie die Vorlesungen von Landtag, der Erfurter Uni und Mediengruppe fort. Die Digitalisierung verändere die gesellschaftliche Kommunikation radikal. Medien stünden vor der Herausforderung, den demokratischen Diskurs aufrecht zu erhalten. Dazu bedürfe es auch der regulatorischen Unterstützung durch den Gesetzgeber, um Chancengleichheit, Diskriminierungsfreiheit und Transparenz in den Algorithmenwelten herzustellen. Wichtig sei aber vor allem guter Journalismus. Karola Wille brachte es auf die Formel: so wenig wie möglich Fehler machen und mehr erklären, wie journalistische Arbeit funktioniert. Authentisch sein, sorgfältig arbeiten, Fakten und Meinungen trennen, Wirklichkeit nicht verzerren und Sensationelles nicht in den Vordergrund rücken. „Glaubwürdigkeit als journalistische Währung ist wichtiger denn je für uns. Ebenso der Dialog mit dem Nutzer, auch wenn Hasskommentare oft schwer zu verkraften sind“, sagte die Intendantin, die 2016 und 2017 Vorsitzende der ARD war. Medien müssten sich immer fragen, ob sie die Wirklichkeit der Menschen differenziert genug im Blick haben, ob die Themenvielfalt stimmt und ob sie in allen Gruppen der Gesellschaft unterwegs sind. „Deutschland hat ein publizistisch starkes, vielfältiges und leistungsfähiges Mediensystem. Eine Polarisierung wie in den USA oder ein Abbau von Medienund Freiheitsrechten wie in Polen oder Ungarn sehe ich bei uns nicht“, so Wille. Bange um die Zukunft von Fernsehen oder Radio sei ihr nicht. „Totgesagt wurden wir oft. Wir sind aber weiterhin springlebendig.“Jüngere suchten ihre Audio- und Bewegtbildwelt aber im Netz und entschieden selbst, wann sie hören oder schauen. Dank der weiterentwickelten gemeinsamen Ard-mediathek könne man durchaus mithalten. „Wir brauchen noch mehr innovative und an den Bedürfnissen der Nutzer ausgerichtete Angebote.“Zu den in diesem Jahr beginnenden Neuverhandlungen über den Rundfunkbeitragsstaatsvertrag sagte die Intendantin, die Ard-anstalten würden im April ihre Vorstellungen für die Entwicklung des Rundfunkbeitrags in der neuen Beitragsperiode ab 2021 anmelden. Die für den Rundfunk spezifischen Kostensteigerungen seien der Entwicklung des Rundfunkbeitrags enteilt. Ob der Beitrag ab 2021 angepasst werden soll, empfehle die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfes der Rundfunkanstalten (Kef), die Entscheidung liege bei der Politik.