Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)

„Così“in Weimar

Das Deutsche Nationalth­eater Weimar komplettie­rt seinen Da-ponte-zyklus mit einer semiszenis­chen „Così fan tutte“

- VON JOACHIM LANGE

Feine Ironie und liebevolle­r Witz: Am Samstag feierte die Oper „Così fan tutte“am DNT Weimar Premiere. Die musikalisc­he Leitung des Klassikers von Mozart hatte Generalmus­ikdirektor Kirill Karabits.

WEIMAR. Ein Opernhaus steht mit einem kompletten Da-ponte-zyklus im Spielplan allemal besser da als ohne. „Figaros Hochzeit“, „Don Giovanni“und „Così fan tutte“sind und bleiben bestens funktionie­rende Stücke mit genialer Musik. Alle drei. Mozart eben. Das Deutsche Nationalth­eater Weimar begann mit einem knallig bunten „Figaro“von Michael Tolke, ließ darauf Demis Volpis betont nachdenkli­chen „Don Giovanni“folgen und komplettie­rt diese Erfolgstri­as der Operngesch­ichte jetzt mit Nina Gühlstorff­s „Così fan tutte“-version. Zu Ostern und am Ende der Spielzeit wird man das Ganze sogar zwei Mal zyklisch aufführen. So unterschie­dlich die drei Inszenieru­ngen auch geworden sind: Kirill Karabits und die Staatskape­lle Weimar sorgen dabei für den musikalisc­hen Zusammenha­ng und eine gehörige Portion Dramatik, Witz und Nachdenkli­chkeit. Was den immer etwas skeptisch machenden Zusatz „Semiszenis­ch“betrifft, so kann Entwarnung gegeben werden. Nicht nur, weil es – so der Operndirek­tor – eine dem randvollen Spiel- und demzufolge Probenplan geschuldet­e Ausnahme bleiben wird. Sondern auch, weil es sich eher als ein Kokettiere­n mit dem Zugriff der Regie, als ein Abstrich an der Qualität seiner szenischen Durchdring­ung erweist. Wenn sich das Marketing des DNT entschließ­en würde, bei der Werbung für die Zyklen den Zusatz einfach zu streichen, dann müsste man ihnen das nicht ankreiden… Es beginnt aber tatsächlic­h wie eine halbszenis­che Aufführung. Und endet auch so. Philip Rubner hat die Bühne mit einer konzertübl­ichen Holzverkle­idung versehen. Es scheint nicht ganz fertig geworden zu sein, denn über dem Boden baumeln flexible Rohre oder Kabelkanäl­e. Despina benutzt einen dieser Schläuche als magnetisch­es Wunderinst­rument. Oder wie einen Staubsauge­r, wenn sie die projiziert­e Blütenprac­ht wieder verschwind­en lässt, mit der Stefan Bischoff einen Garten imaginiert hat. Seine Videos bleiben ansonsten (auch für Videoaller­giker) wohldosier­t und zeigen das Künstler-sextett und den Dirigenten bei der Probe. Der Auftakt ist eine Konzertnum­mer mit aufgeschla­gener Partitur auf dem Pult vor der Nase. Ferrando und Guglielmo preisen gegenüber Don Alfonso die Vorzüge und vor allem die Treue ihrer beiden Angebetete­n Dorabella und Fiordiligi. Der zweifelt das an und verführt sie zu einer Wette, bei der die Frauen einem Treuetest ausgesetzt werden. Die Sache ist so einfach wie (wenn man sie wörtlich nimmt) unwahrsche­inlich. Die beiden Männer werden in einen plötzliche­n Kriegseins­atz abberufen. Sie kehren verkleidet als Fremde mit ein paar angeklebte­n Bärten und albernen Klamotten zurück und verführen die Braut des jeweils anderen. Damit hat Alfonso die Wette gewonnen. Die Frauen sind eben alle so. „Così fan tutte“halt. Und weil es die Schule der Liebenden im Untertitel heißt, ließe sich der Einblick in die schwankend­e Natur der weiblichen Gefühlswel­t als Fazit der Oper ziehen. Doch es war wohl schon dem genialen Duo – wie bewusst oder unbewusst auch immer – klar, dass das natürlich nur die halbe Wahrheit ist. Gühlstorff will eher auf die ganze Wahrheit raus. Und da geht es um die Verwirrung oder auch Wandelbark­eit der Gefühle. Bei Frauen und Männern. Was in voremanzip­atorischen Zeiten schon ein starkes Stück ist. Despina bringt das auf den Punkt, wenn deren Darsteller­in Heain Youn in einer witzigen Einlage mit einem „This Pussy bites back“- beziehungs­weise „Woman of the world united“-pappschild neben die Rolle tritt und sich und uns fragt, ob dieses Stück wirklich eine Komödie ist. Sie ist es auch, die den letzten Buchstaben bei dem „Così fan tutte“auswischt, das Alfonso an die Wand geschriebe­n hatte, um ihn am Ende vollkommen richtig durch ein i zu ersetzen. „Cosi fan tutti“meint auch die Männer. Und genau das ist der Punkt auf dem i einer gescheiten „Così fan tutte“-inszenieru­ng heute. Bei ihrer Arie „ O verzeih, verzeih Geliebter… wem brachst du die Treue, undankbare­s, falsches Herz?“kann Fiordiligi denn auch voller Melancholi­e beide Männer und, wenn man so will, auch sich selbst ansingen. Das wird zu einem – zudem eindrucksv­oll gespielten – szenischen Kommentar zu Despinas erhellende­m Austausch der Vokale. Am Ende gibt es natürlich kein Happy End. Die beiden Frauen lassen die Männer im Grunde stehen und gehen. Was man ihnen nicht verdenken kann. Das Ganze ist aber nicht nur ziemlich gescheit gedacht und mit Witz und Hintersinn auf der Bühne umgesetzt, es wird auch vorzüglich gesungen. Emma Moore ist eine Fiordiligi von imposanter Präsenz und glasklaren Höhen, Amira Elmadfa ihre wunderbar bewegliche Schwester Dorabella. Artjom Korotkov setzt seinen fokussiert­en Tenor als Ferrando für seine Werbung um Fiordiligi ein, so wie der jungenhaft­e Henry Neill mit seinem geschmeidi­gen Bariton ziemlich schnell bei Dorabella Erfolg hat. Allen Vieren gelingen differenzi­erte Charakterp­orträts. In dieser Deutung darf Michael Mrosek seinen Don Alfonso vor dem puren Zyniker bewahren und Heain Youn als Despina eine Kostprobe ihres komödianti­schen Talents ausspielen. Die Staatskape­lle Weimar steuert mit hörbarer Freude einen frischen Mozart bei.

Weitere Aufführung­en: . Februar, . Uhr; . April,  Uhr; . Juni, . Uhr

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FOTO: THOMAS MÜLLER
 ?? FOTO: THOMAS MÜLLER ?? Nicht nur die Frauen wanken dank des hinterlist­igen Treuetests in ihren Gefühlen: Emma Moore (Fiordiligi), Artjom Korotkov (Ferrando), Henry Neill (Guglielmo) und Amira Elmadfa (Dorabella, von links), im Hintergrun­d Heain Youn (Despina).
FOTO: THOMAS MÜLLER Nicht nur die Frauen wanken dank des hinterlist­igen Treuetests in ihren Gefühlen: Emma Moore (Fiordiligi), Artjom Korotkov (Ferrando), Henry Neill (Guglielmo) und Amira Elmadfa (Dorabella, von links), im Hintergrun­d Heain Youn (Despina).

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