Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)
„Così“in Weimar
Das Deutsche Nationaltheater Weimar komplettiert seinen Da-ponte-zyklus mit einer semiszenischen „Così fan tutte“
Feine Ironie und liebevoller Witz: Am Samstag feierte die Oper „Così fan tutte“am DNT Weimar Premiere. Die musikalische Leitung des Klassikers von Mozart hatte Generalmusikdirektor Kirill Karabits.
WEIMAR. Ein Opernhaus steht mit einem kompletten Da-ponte-zyklus im Spielplan allemal besser da als ohne. „Figaros Hochzeit“, „Don Giovanni“und „Così fan tutte“sind und bleiben bestens funktionierende Stücke mit genialer Musik. Alle drei. Mozart eben. Das Deutsche Nationaltheater Weimar begann mit einem knallig bunten „Figaro“von Michael Tolke, ließ darauf Demis Volpis betont nachdenklichen „Don Giovanni“folgen und komplettiert diese Erfolgstrias der Operngeschichte jetzt mit Nina Gühlstorffs „Così fan tutte“-version. Zu Ostern und am Ende der Spielzeit wird man das Ganze sogar zwei Mal zyklisch aufführen. So unterschiedlich die drei Inszenierungen auch geworden sind: Kirill Karabits und die Staatskapelle Weimar sorgen dabei für den musikalischen Zusammenhang und eine gehörige Portion Dramatik, Witz und Nachdenklichkeit. Was den immer etwas skeptisch machenden Zusatz „Semiszenisch“betrifft, so kann Entwarnung gegeben werden. Nicht nur, weil es – so der Operndirektor – eine dem randvollen Spiel- und demzufolge Probenplan geschuldete Ausnahme bleiben wird. Sondern auch, weil es sich eher als ein Kokettieren mit dem Zugriff der Regie, als ein Abstrich an der Qualität seiner szenischen Durchdringung erweist. Wenn sich das Marketing des DNT entschließen würde, bei der Werbung für die Zyklen den Zusatz einfach zu streichen, dann müsste man ihnen das nicht ankreiden… Es beginnt aber tatsächlich wie eine halbszenische Aufführung. Und endet auch so. Philip Rubner hat die Bühne mit einer konzertüblichen Holzverkleidung versehen. Es scheint nicht ganz fertig geworden zu sein, denn über dem Boden baumeln flexible Rohre oder Kabelkanäle. Despina benutzt einen dieser Schläuche als magnetisches Wunderinstrument. Oder wie einen Staubsauger, wenn sie die projizierte Blütenpracht wieder verschwinden lässt, mit der Stefan Bischoff einen Garten imaginiert hat. Seine Videos bleiben ansonsten (auch für Videoallergiker) wohldosiert und zeigen das Künstler-sextett und den Dirigenten bei der Probe. Der Auftakt ist eine Konzertnummer mit aufgeschlagener Partitur auf dem Pult vor der Nase. Ferrando und Guglielmo preisen gegenüber Don Alfonso die Vorzüge und vor allem die Treue ihrer beiden Angebeteten Dorabella und Fiordiligi. Der zweifelt das an und verführt sie zu einer Wette, bei der die Frauen einem Treuetest ausgesetzt werden. Die Sache ist so einfach wie (wenn man sie wörtlich nimmt) unwahrscheinlich. Die beiden Männer werden in einen plötzlichen Kriegseinsatz abberufen. Sie kehren verkleidet als Fremde mit ein paar angeklebten Bärten und albernen Klamotten zurück und verführen die Braut des jeweils anderen. Damit hat Alfonso die Wette gewonnen. Die Frauen sind eben alle so. „Così fan tutte“halt. Und weil es die Schule der Liebenden im Untertitel heißt, ließe sich der Einblick in die schwankende Natur der weiblichen Gefühlswelt als Fazit der Oper ziehen. Doch es war wohl schon dem genialen Duo – wie bewusst oder unbewusst auch immer – klar, dass das natürlich nur die halbe Wahrheit ist. Gühlstorff will eher auf die ganze Wahrheit raus. Und da geht es um die Verwirrung oder auch Wandelbarkeit der Gefühle. Bei Frauen und Männern. Was in voremanzipatorischen Zeiten schon ein starkes Stück ist. Despina bringt das auf den Punkt, wenn deren Darstellerin Heain Youn in einer witzigen Einlage mit einem „This Pussy bites back“- beziehungsweise „Woman of the world united“-pappschild neben die Rolle tritt und sich und uns fragt, ob dieses Stück wirklich eine Komödie ist. Sie ist es auch, die den letzten Buchstaben bei dem „Così fan tutte“auswischt, das Alfonso an die Wand geschrieben hatte, um ihn am Ende vollkommen richtig durch ein i zu ersetzen. „Cosi fan tutti“meint auch die Männer. Und genau das ist der Punkt auf dem i einer gescheiten „Così fan tutte“-inszenierung heute. Bei ihrer Arie „ O verzeih, verzeih Geliebter… wem brachst du die Treue, undankbares, falsches Herz?“kann Fiordiligi denn auch voller Melancholie beide Männer und, wenn man so will, auch sich selbst ansingen. Das wird zu einem – zudem eindrucksvoll gespielten – szenischen Kommentar zu Despinas erhellendem Austausch der Vokale. Am Ende gibt es natürlich kein Happy End. Die beiden Frauen lassen die Männer im Grunde stehen und gehen. Was man ihnen nicht verdenken kann. Das Ganze ist aber nicht nur ziemlich gescheit gedacht und mit Witz und Hintersinn auf der Bühne umgesetzt, es wird auch vorzüglich gesungen. Emma Moore ist eine Fiordiligi von imposanter Präsenz und glasklaren Höhen, Amira Elmadfa ihre wunderbar bewegliche Schwester Dorabella. Artjom Korotkov setzt seinen fokussierten Tenor als Ferrando für seine Werbung um Fiordiligi ein, so wie der jungenhafte Henry Neill mit seinem geschmeidigen Bariton ziemlich schnell bei Dorabella Erfolg hat. Allen Vieren gelingen differenzierte Charakterporträts. In dieser Deutung darf Michael Mrosek seinen Don Alfonso vor dem puren Zyniker bewahren und Heain Youn als Despina eine Kostprobe ihres komödiantischen Talents ausspielen. Die Staatskapelle Weimar steuert mit hörbarer Freude einen frischen Mozart bei.
Weitere Aufführungen: . Februar, . Uhr; . April, Uhr; . Juni, . Uhr