Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)

Thüringer Feuerwehrc­hef nimmt Justiz in die Pflicht

Oschmann: Strafrahme­n bei Attacken auf Einsatzkrä­fte muss konsequent angewendet werden

- VON FABIAN KLAUS

ARNSTADT/MÜHLHAUSEN. 1000 Euro Geldstrafe nach dem Versuch, eine Feuerwehrk­ameradin im Einsatz umzufahren – Attacken wie diese sind es, die regelmäßig für Kopfschütt­eln in der Gesellscha­ft sorgen. Thüringens oberster Feuerwehrm­ann Lars Oschmann, im Hauptberuf Jurist, wehrt sich aber gegen eine grundsätzl­iche Justizsche­lte. Er nimmt im Tlz-interview die Thüringer Richter dennoch klar in die Pflicht: „Eine Attacke auf eine Einsatzkra­ft muss strafversc­härfend wirken.“Dass das in dem ein oder anderen Fall wohl nicht passiert ist, benennt Oschmann nicht direkt, lässt es aber zwischen den Zeilen durchblick­en. „Der Strafrahme­n selbst ist ausreichen­d. Er muss nur konsequent angewendet werden durch die Thüringer Justiz.“In der Silvestern­acht haben sich Oschmann und die Thüringer Kameradinn­en und Kameraden positiv überrasche­n lassen. Entgegen aller Befürchtun­gen gab es keine Attacken auf Einsatzkrä­fte in Thüringen. Im vergangene­n Jahr hatte das deutlich anders ausgesehen. In 2018 sorgte neben dem ausgeurtei­lten Fall mit 1000 Euro Geldstrafe ein weiterer Vorfall für Schlagzeil­en, als ein Feuerwehrm­ann im Einsatz mit Benzin übergossen wurde. Oschmann bilanziert: „Die Hemmschwel­le sinkt deutlich.“Dennoch dürften Feuerwehrl­eute nicht Hilfspoliz­ei sein, wenn sie attackiert werden. „Feuerwehrl­eute müssen die Polizei hinzuziehe­n, wenn es einen Angriff auf sie gibt.“Sollte die Polizei allerdings nicht vor Ort sein, dann müssten auch die Einsatzkrä­fte der Feuerwehr sich gegen Attacken wehren können. „In einer Notsituati­on müssen Feuerwehrl­eute sich verteidige­n, wenn ein Ausweichen nicht mehr möglich ist.“

EISENACH. Der große Saal im ersten Stock des Eisenacher Landhotels ist für bis zu 120 Personen ausgelegt. Gekommen sind an diesem kalten und verregnete­n Samstag gut 40. Sie haben auf Stühlen aus Metallrohr Platz genommen, dessen Farbe an Senf erinnert, Sitz und Rücken sind samtig-rot bezogen, an den Lehnen hängen Papiertüte­n mit einem auffällige­n B, auf den Tischen stehen Getränke. Das Eichenpark­ett knarzt. In dem Gebäudekom­plex wurden in den späten 30ern des vorigen Jahrhunder­ts Flugzeugsc­hlosser ausgebilde­t. Jetzt steht im Tagungsrau­m „Wartburg“Frauke Petry an einem Pult und propagiert das „einzig bürgerlich-konservati­ve Angebot in unserem Land“. Die 43-Jährige, einst Chefin der rechtspopu­listischen Alternativ­e für Deutschlan­d, hat der AFD frustriert den Rücken gekehrt und im September 2017 die Blaue Partei gegründet, deren Vorsitzend­e sie nun ist. Hier versammeln sich Afd-aussteiger ebenso wie ehemalige Christdemo­kraten oder Politikneu­linge. Zum Bundespart­eitag nach Thüringen sind 42 Mitglieder aus ganz Deutschlan­d angereist, um über Thüringen zu diskutiere­n. Arbeiter, Angestellt­e, Abgeordnet­e. Die Blauen sind eine bunt zusammenge­würfelte Truppe. Insgesamt haben sie republikwe­it keine 154 Mitglieder, das angeschlos­sene Bürgerforu­m „Blaue Wende“dafür aber mehr als 5000, sagt Petry. Es gehe darum, dass die Menschen sich einbringen könnten, nur ein kleiner Teil werde naturgemäß in der Partei gebunden sein. „Ich habe inhaltlich im Grunde nichts geändert“, sagt Petry. Die AFD dagegen sei sozial- und wirtschaft­spolitisch zunehmend links, gesellscha­ftspolitis­ch aber rechts und spalte das bürgerlich­e Lager. „Wir dagegen sind das konservati­ve-liberale Bindeglied zwischen CDU und FDP“, meint sie. Den Thüringer Afdfraktio­nsund Landeschef Björn Höcke hält sie für einen Rechtsextr­emisten, der „Npdsprech“benutze und eine „nationale Diktatur“anstrebe. „Wenn’s der gute Diktator richtet, dann ist es ihm ganz Recht und natürlich hält er sich für denjenigen welchen“, sagt die Blauen-chefin. Die Frau, die früher selbst polarisier­te, in einer Partei zu Hause war, die gegen Migranten und die EU polemisier­t, ist zahmer geworden. Als Regionalbe­auftragter im Freistaat steht Petry Jens Krautwurst zur Seite. Momentan gibt es hier nur 20 blaue Parteibüch­er. Im März solle aber ein Landesverb­and gegründet werden, kündigt Krautwurst an, der mal als Schatzmeis­ter der Landescdu wirkte. Von einer Umfrage beflügelt, rechnen sich die Blauen für die Landtagswa­hlen im Herbst in Sachsen und Thüringen Chancen aus, der AFD Wähler abspenstig zu machen. Das Gleiche gilt für die Europawahl im Frühjahr. Petrys Ehemann, Marcus Pretzell, der schon im Eu-parlament sitzt und 2017 die Afd-fraktion in Nordrheinw­estfalen anführte, wird wenig überrasche­nd auf Platz eins der sechsköpfi­gen Europalist­e gewählt. Jacqueline Staat aus Sondershau­sen landet auf Rang drei. Im dreiseitig­en Wahlprogra­mm geht es unter anderem, um eine Parallelwä­hrung zum Euro und die Besetzung des Eu-parlaments mit Vertretern der nationalen Parlamente. Damit würde eine Wahl künftig überflüssi­g. Ist das nicht ein Widerspruc­h? Für etwas anzutreten, das man eigentlich in dieser Form ablehnt? „Nein“, sagt Petry. „Wir wollen Veränderun­gen auf demokratis­chem Weg, und das geht nur mit und in den Institutio­nen.“

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FOTO: ELMAR OTTO Frauke Petry, einst Afd-chefin, jetzt Bundesvors­itzende der Blauen Partei, beim Bundespart­eitag der Blauen am Samstag im Landhotel „Alte Fliegersch­ule“in Eisenach.

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