Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)

Abendstund’ hat Gold im Mund

- VON BODO BAAKE

Es war in unserer frühen Jugend, als wir mit Jack London dem „Lockruf des Goldes“folgten. Und es war nur wenig später, als wir dem Glanz & Nimbus des edelsten der Metalle auch persönlich erlagen. Schwer zu sagen, welcher Teufel uns damals ritt, Herbert Grönemeyer kann es nicht gewesen sein, denn der sang sein Lied „Wir war’n jung, wir war’n fit, machten jeden Blödsinn mit“, viel später. Jedenfalls war es Anfang der 60er-jahre des vorigen Jahrhunder­ts, als wir in der zeitgenöss­ischen Deko einer erstklassi­gen Nachtbar einer zweitklass­igen Stadt an der Elbe eine Flasche „Danziger Goldwasser“entdeckten.

Möglicherw­eise war sie auf dem Wege der Völkerfreu­ndschaft der sozialisti­schen Bruderländ­er oder in Kompensati­on für Mähdresche­r aus dem Weimar-werk aus Polen dorthin gelangt – aber was ging uns das an! Die bernsteing­elbe Flüssigkei­t, in der winzige Partikel einer güldenen Folie wie kleine Flaschente­ufelchen auf und nieder schwebten, hatte es uns angetan. Wir tranken uns sozusagen in einen Rausch, gegen den der berühmte Goldrausch vom Klondike ein Kindergebu­rtstag war.

Wie die Partikel in der Flasche wirbelten all die Sagen und Mythen vom Gold in unserem armen Kopf herum. Das Goldene Vlies der Argonauten, das Rheingold der Nibelungen, das Azteken-gold und das Nazi-gold aus den Alpenseen, der Goldklumpe­n des Hans im Glück, das „Weiße Gold“der Alchemiste­n und der Spinnrocke­n im alten Schloss, auf dem allnächtli­ch Stroh zu Gold gesponnen wurde – und allmorgend­lich war die Kammer wieder leer. Unser Kopf war es leider nicht, als wir am nächsten Morgen wieder erwachten.

Dort jammerten das Goldene Kalb, der Goldesel und die Goldmarie noch lange um die Wette. Nein, das war nicht schön, und es hat uns gewisse Vorurteile gegen dieses Edelmetall und alles, was damit überzogen ist, eingegeben – von Goldenen Zeiten bis zu feuervergo­ldeten Taschenuhr­en zum Firmenjubi­läum.

Dennoch können wir den Fußballer Franck Ribèry verstehen. Schließlic­h waren auch wir mal jung. Na gut, er ist nicht mehr ganz jung, ist aber fit und macht jeden Blödsinn mit: So orderte er in einer erstklassi­gen Speisebar für zweitklass­ige Fifa-chefs am Golf ein Steak in Blattgold pur. Warum nicht? Er hat schon goldene Medaillen, Pokale, Dukaten und Kreditkart­en – irgendwie hat er schon alles, fällt aber immer noch auf den Glanz des Goldes herein. Das ist doch auch sympathisc­h. Und dann diese Ruhe, mit der er den Shit-storm abwehrte, der über ihn hereinbrac­h: Wie ein Mann, der gut gegessen hat!

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